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"Mindestlohn kostet Arbeitsplätze"

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hat die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes als "völlig abwegig" bezeichnet. "Der wäre absolut beschäftigungsfeindlich", sagte Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Er appellierte zudem an die Tarifparteien, den Kurs moderater Lohnerhöhung fortzusetzen.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Nicht wenige Wirtschaftsexperten fürchten, dass die Binnenkonjunktur, die gerade angezogen hat, in diesem Jahr wieder ordentlich ausgebremst wird, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer etwa. Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Wolfgang Franz, ist einer der fünf so genannten Wirtschaftsweisen und jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Wolfgang Franz: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann:! Herr Franz, die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesenkt, und auch das Wirtschaftswachstum ist wesentlich stärker ausgefallen als erwartet. Ein Erfolg der Großen Koalition?

    Franz: Nein, das kann man so nicht sagen, denn die Maßnahmen, so die Bundesregierung überhaupt welche in die richtige Zielrichtung gehende beschlossen hat, können ja noch gar nicht so wirken, sondern dieser Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt, der hat mehrere Gründe. Zum einen hilft uns natürlich die konjunkturelle Entwicklung, das heißt, die konjunkturelle Arbeitslosigkeit im Gegensatz zur strukturellen Arbeitslosigkeit wird abgebaut. Zweitens müssen wir anerkennen, dass in den vergangenen Jahren von den Tarifvertragsparteien ein, insgesamt gesehen, moderater Kurs gefahren wurde der Lohnpolitik. Und diese Früchte, die ernten wir jetzt, indem wir jetzt beispielsweise beobachten, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten steigt, und drittens kann es durchaus sein, und das halte ich auch für sehr plausibel, dass nun allmählich die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Vorgängerregierung, insbesondere also die Hartz-IV-Gesetze und dort speziell die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II, dass dies nun allmählich wirkt. Das sind drei Erfolgsfaktoren. Die derzeitige Bundesregierung kann auf Grund der kurzen Frist und der Maßnahmen, die ja erst noch ergriffen werden sollen, den Erfolg noch nicht für sich verbuchen.

    Heckmann: Seit dem 1.1. gilt ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Kostet das wieder Arbeitsplätze, und wenn ja, wie viele?

    Franz: Nun, was wir erleben oder erlebt haben, sind Umbuchungen, statistisch gesehen, des Konsums von diesem Quartal des Jahres 2007 in das vorangegangene Quartal des Jahres 2006, das sind diese Vorzieheffekte gewesen. Und dieser Konsum, der fehlt uns auf der einen Seite in 2007. Auf der anderen Seite fehlt uns natürlich eine bestimmte Konsumnachfrage auf Grund der Tatsache, dass nun dauerhaft dieser Regelsatz der Umsatzsteuer von 16 auf 19 Prozent gestiegen. Das kostet uns zumindest einige Zehntelprozentpunkte Wachstum, genau kann man das so nicht beziffern, aber wir würden, was die konjunkturelle Entwicklung angeht, etwas günstiger dastehen ohne Mehrwertsteuererhöhung.

    Heckmann: Und würde sich das auch auswirken auf den Arbeitsmarkt?

    Franz: Sicher, dann hätten wir einige Arbeitsplätze mehr, aber auf der anderen Seite sollte man jetzt auch nicht zu schwarz sehen. Insgesamt gesehen ist die konjunkturelle Entwicklung relativ robust. Das sieht man daran, dass die Investitionen, insbesondere in Maschinen, mit rund sechs Prozent zulegen. Unsere Exporte werden in diesem Jahr auch mit rund sechs Prozent zulegen, also insgesamt gesehen ist die Entwicklung außerordentlich erfreulich, und ich erwarte auch, dass die Anzahl der Beschäftigten in diesem Jahr wieder zunimmt, aber ohne Mehrwertsteuererhöhung hätte sie noch ein bisschen mehr zugenommen.

    Heckmann: Auch im letzten Jahr, Herr Professor Franz, hat die Zahl der Beschäftigten zugenommen, das hat gestern das Statistische Bundesamt für das vergangene Jahr gemeldet. Allerdings sind darunter viele Ein-Euro-Jobs. Was muss passieren, um mehr sozialversicherungspflichtige Stellen zu schaffen?

    Franz: Nun, da sprechen Sie große Reformbaustellen, und eine dieser Reformbaustellen ist ja auch das Arbeitslosengeld II. Die Bundesregierung plant ja, ein Kombilohnmodell einzuführen. Und der Sachverständigenrat hat ja im vergangenen Jahr im August auf Bitten der Bundesregierung eine Sonderexpertise vorgelegt und ein zielführendes Kombilohnmodell vorgeschlagen. Das sieht, in zwei Sätzen formuliert, so aus: Erstens dürfen Arbeitslosengeld-II-Empfänger, wenn sie etwas hinzuverdienen, von diesem Hinzuverdienst nunmehr nach Vorschlag des Sachverständigenrates die Hälfte behalten, jetzt sind es nur ein Fünftel, das heißt, sie stehen sich wesentlich besser, sie werden gefördert. Auf der anderen Seite, wer nicht arbeitet, und Arbeitslosengeld-II-Emfpänger sind ja prinzipiell arbeitsfähige Menschen, wer also nicht arbeitet, der muss eine Einbuße von 30 Prozent beim Arbeitslosengeld II hinnehmen, einfach deshalb, weil das Arbeitslosengeld II keine Versicherungsleistung, sondern eine Fürsorgeleistung der Gesellschaft ist. Und da hat die Gesellschaft auch das Recht und den Anspruch auf eine Gegenleistung, in diesem Fall also Arbeit.

    Heckmann: Die Union forciert dieses Modell des Kombilohns, die SPD setzt eher auf das Modell Mindestlohn, und zusätzlich Arbeitsminister Müntefering auf ein öffentlich gefördertes Programm für 100.000 Langzeitarbeitslose. Wie sinnvoll sind solche Maßnahmen?

    Franz: Also Mindestlohn ist völlig abwegig, muss wirklich abgelehnt werden. Ein Mindestlohn erfüllt überhaupt keinen Zweck, sondern ist völlig kontraproduktiv, wenn man insbesondere ein Kombilohnmodell einführen will. Ein Mindestlohn kostet nach aller Erfahrung Arbeitsplätze, und es ist nicht damit getan, was häufig gesagt wird, na ja, wir führen erstmal einen Mindestlohn von geringem Umfang, sagen wir, vier Euro ein. Dann ist mit tödlicher Sicherheit zu erwarten, dass spätestens im nächsten Wahlkampf dann den Forderungen der Gewerkschaften nachgegeben wird, die ja schon heute einen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro mit Fernziel auf 9 Euro fordern. Der wäre absolut beschäftigungsfeindlich, und ich kann der Bundesregierung nur sehr dringend davon abraten, den Gedanken eines Mindestlohnes weiterzuverfolgen. Andere Länder wie beispielsweise Frankreich haben mit einem Mindestlohn sehr schlechte Erfahrungen gemacht.

    Heckmann: Die Gewerkschaften fordern auch kräftige Lohnerhöhungen, die IG Metall hat gestern eine Erhöhung von 6,5 Prozent mehr Lohn ins Spiel gebracht. Wäre das gut für die Binnenkonjunktur oder schlecht für den Standort?

    Franz: Insgesamt gesehen sollte dieser moderate Kurs der Lohnpolitik weiter fortgeführt werden. Wir ernten ja die Früchte auf dem Arbeitsmarkt, wir erleben mehr Beschäftigung, aber wir haben noch sehr viele Arbeitslose, die wir vermitteln müssen. Auf der anderen Seite kann ich natürlich verstehen, dass Betriebe oder Branchen, denen es sehr gut geht, dass die natürlich höhere Lohnzuwächse bekommen. Und das alles spricht doch dafür, dass wir mehr als bisher auf Gewinnbeteiligungsmodelle setzen, das heißt die Tariflohnanhebungen relativ niedrig ansetzen und dann auf der betrieblichen Ebene die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Gewinn beteiligen. Dann kann ich doch sehr gut unterscheiden zwischen einzelnen Betrieben derselben Branche. Nehmen Sie die Automobilindustrie, da gibt es Unternehmen, denen geht es glänzend, da habe ich ja gar kein Problem damit, dass die Leute mehr Geld bekommen, und andere Automobilfirmen, denen geht es noch nicht so gut, da muss eben etwas noch getan werden, damit die Arbeitsplätze sicher sind und die Lohnzuwächse geringer nur ausfallen.

    Heckmann: Herr Franz, eine Frage möchte ich Ihnen noch stellen, und zwar gestern wurde bekannt, dass die Gesundheitsreform, die Abstimmung darüber zwei Wochen verschoben werden sollte. Sollte das ganze Projekt aus Ihrer Sicht gleich ganz vertagt werden, bis ein neuer Bundestag gewählt wird?

    Franz: Also wenn ich einen ganz persönliche Präferenz äußern dürfte, dieser Gesundheitsfonds ist eine solche Fehlkonstruktion, da wäre aus meiner Sicht besser, lasst es lieber ganz sein, wenn ihr euch nicht richtig einigen könnt, weil die Unterschiede sind in den Parteien so groß, lasst es lieber ganz sein, als dass eine solche Fehlkonstruktion rauskommt.

    Heckmann: Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Wolfgang Franz , war das. Herr Professor Franz, Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Franz: Dank auch, auf wiederhören.