Samstag, 20. April 2024

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Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
Zocken mit der Demokratie

Die Wahl des Ministerpräsidenten hat nicht nur Thüringen in eine politische Krise gestürzt. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken scheiterte in drei Wahlgängen, völlig überraschend wurde stattdessen der FDP-Mann Thomas Kemmerich gewählt – auch von der AfD.

Diskussionsleitung: Klaus Remme | 05.02.2020
Björn Höcke (AfD) gratuliert dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP).
Björn Höcke (AfD) gratuliert dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP). (imago images / STAR-MEDIA)
Als das Wahlergebnis um 13:26 Uhr verkündet wurde, ging ein Raunen durch die Abgeordnetenränge: Nicht Bodo Ramelow von der Linken, sondern der Kandidat der FDP, Thomas Kemmerich, setze sich im dritten Wahlgang durch – völlig überraschend, mit Hilfe der Stimmen der AfD. "Ein Scherz unter Kollegen" sei dieses Szenario gewesen, schildert Henry Bernhard, Landeskorrespondent in Thüringen, seine Überraschung über den Ausgang der Wahl.
Für die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sei dies ein "dunkler Tag", unterstrich sie gleich zu Beginn der Diskussion. Sie kenne Thomas Kemmerich, er sei ein Kämpfer, der die FDP zurück in den Landtag geführt habe. Doch bei allem Respekt vor einer verfassungskonformen Wahl seien das nicht ihre Freien Demokraten, die von einer Höcke-AfD gewählt werden. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke sei ein Faschist. Sie wünsche sich, dass Kemmerich das Amt zurückgebe und somit Neuwahlen auslöse.
Für Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ist die Wahl durch AfD-Abgeordnete ein "Tabubruch". Der Kandidat einer demokratischen Partei habe hier nicht den politischen Weitblick gehabt, was es bedeutet, sich von der AfD wählen zu lassen. Diese Wahl sei ein weiterer Schritt der AfD, sich "in Regierungsverantwortung hereinzuschleichen".
Auch der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer konstatiert den Bruch eines bundesrepublikanischen Konsenses - mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung stehen, nicht zu kooperieren. Die FDP dürfe sich nicht als "nützlicher Idiot" für die AfD gerieren.
Unter der Leitung von Klaus Remme diskutierten:
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann, MdB FDP
  • Henry Bernhard, DLF-Landeskorrespondent in Thüringen
  • Wolfgang Merkel, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
  • Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler