Samstag, 20. April 2024

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Missbrauchs-Urteil gegen R. Kelly
"Es ist eine Kultur des Schweigens"

Jahrelang stand der Musiker R. Kelly unter Verdacht, Mädchen und Jungen sexuell missbraucht zu haben. Jetzt ist der Sänger verurteilt worden. Gizem Adiyaman, deutsche Vertreterin der "R. Kelly-stumm schalten"-Kampagne, zeigte sich im DLF erleichtert. Sie kann sich vorstellen, dass es ähnliche Fälle in der deutschen Musikbranche gibt.

Gizem Adiyaman im Gespräch mit Susanne Luerweg | 28.09.2021
R. Kelly im oranger Gefangenenkleidung im Gerichssaal
Der Musiker R Kelly ist nach einem langen Prozess wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden (www.imago-images.de / Antonio Perez)
R. Kelly hat mit Hits wie " I believe I can fly" die Konzerthallen gefüllt, er hat dreimal einen Grammy gewonnen, eine der höchsten Auszeichnungen der Branche, und Millionen Platten verkauft. Er galt und fühlte sich wohl auch selbst unantastbar. Obwohl es schon seit Jahren Anschuldigungen und Anklagen gab, dass er sexuell übergriffig war, Minderjährige kidnappte und missbrauchte, die inzwischen tote Sängerin Aaliyah mit vierzehn heiratete, indem er ihre Papiere fälschte, ist er nun nach mehr als 20 Jahren verurteilt worden. "Meine erste Reaktion war Erleichterung und ich kann es kaum glauben", sagte Gizem Adiyaman.

Vorfälle seien "gang und gäbe"

Die Politikwissenschaftlerin hat vor Jahren die deutsche Kampagne "R. Kelly stumm schalten" gegründet und den Prozess gegen den 54-jährigen Musiker engmaschig verfolgt. Wie viele hofft auch sie, dass das Urteil zu einem Umbruch in der Musikbranche führt. "Es ist ein wichtiges Zeichen, es soll der Abschreckung dienen." Allerdings ist Gizem Adiyam pessimistisch, dass sich schnell viel ändern wird. Denn, so erzählt sie, "es ist auch eine Kultur in der Musikbranche, die dies nicht zu einer Seltenheit macht, sondern gang und gäbe."

Angst und Zittern

Es herrsche überall eine Kultur des Schweigens, eine Kultur der Fügsamkeit, "alle haben Angst um ihre Positionen." Dennoch hofft sie, dass sich durch das Urteil einiges ändert. Man habe schon im Sommer im Rahmen der #deutschrapmetoo-Debatte gesehen, dass die Zeiten sich wandeln. "Ich hoffe, dass jetzt einige Zittern und um ihre Position bangen und auch reflektieren, wie sie in der Vergangenheit mit Groupies und Fans umgegangen sind."
Adiyaman kann sich durchaus vorstellen, dass es ähnliche Fälle in der deutschen Musikbranche gibt, allerdings sei die Schwere der Vorwürfe bei R. Kelly schon einzigartig. Ein Wandel in der Branche müsse auch über Gespräche stattfinden. "Es ist wichtig den Mund aufzumachen, dass sexualisierte Gewalt keinen Platz in keiner Industrie hat." Generell sei noch ein weiter Weg zu gehen, aber "Urteile wie das heute sind auf jeden Fall megawichtig und zeigen das eine andere Epoche hoffentlich kommt."