Liminski: Mit der Reformwilligkeit der Deutschen ist es so eine Sache. In seinem Buch "Grenzen der Wirksamkeit des Staates" kam schon Humboldt zu dem Schluss, dass es erst dann leichter werde mit Reformen, wenn der Staat sozusagen pleite ist, denn, so Humboldt, unter das Joch der Notwendigkeit beugt jeder willig den Nacken. Also mit anderen Worten, ist es noch nicht schlimm genug in Deutschland? Geht es uns noch zu gut? Oder ist die Reformnotwendigkeit vom Wähler noch nicht erkannt? Muss die Union deshalb ihr Programm verleugnen? Und wer soll die Reformen organisieren? Auch hier scheint es zu gären in der Union. Es wird Kritik laut an Programm und Personal. Dazu wollen wir einen jungen Politiker befragen, der jetzt in den Bundestag gekommen, in der Partei aber schon länger bekannt ist, den Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Guten Morgen, Herr Mißfelder.
Mißfelder: Guten Morgen.
Liminski: Herr Mißfelder, es grummelt in der Union, sowohl aus der CDU als auch aus der CSU werden Stimmen lauter, die der Enttäuschung über die ersten Ergebnisse der Annäherung der Großkoalitionäre Luft machen. Das gilt für Personalentscheidungen ebenso wie für erste Sachentscheidungen. Sind Sie auch enttäuscht?
Mißfelder: Nein, enttäuscht bin ich nicht. Aber wir sind auch nicht erfreut. Man soll ja auch nicht alles schlecht reden am Anfang. Aber es ist schon so, dass die Partei nicht ganz zufrieden ist, um das freundlich zu sagen. Und an der einen oder anderen Stelle gibt es sicherlich auch Enttäuschung, gerade was auch Personalentscheidungen angeht. Bei der Jungen Union geht es sehr um die Inhalte, weil wir uns von einer schwarz-gelben Mehrheit mehr erhofft hätten.
Liminski: Zu den Inhalten kommen wir gleich. Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. Ihr Kollege Wüst, Landesvorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen kritisiert offen die Unterrepräsentierung des stärksten CDU-Verbands, während die SPD aus Nordrhein-Westfalen im Kabinett überrepräsentiert sei. Finden Sie sich nun damit ab?
Mißfelder: Es bleibt doch nichts anderes übrig, als sich jetzt damit abzufinden, denn die Minister sind nun einmal vorgestellt worden. Aber auf der Ebene der Staatssekretäre beispielsweise muss Nordrhein-Westfalen, was den CDU-Teil angeht, wesentlich besser gestellt werden, als andere Landesverbände. Denn da geht es weniger um das Postengescharre der letzten Tage, sondern wirklich um die Repräsentation Nordrhein-Westfalens. Wir brauchen ja auf der Arbeitsebene auch Ansprechpartner, die sich für Nordrhein-Westfalen einsetzen. Und es ist nicht gut, wenn diese Ansprechpartner nur aus der Sozialdemokratischen Partei kommen. Deswegen gehört in den nächsten Tagen ja auch noch mal der Druck erhöht, dass Nordrhein-Westfalen besser repräsentiert wird.
Liminski: Gleichzeitig zu den Verhandlungen mit der SPD wird die Wahlanalyse in den eigenen Reihen immer weiter nach hinten geschoben. Bitte zwei, drei Stichworte zur Wahlanalyse, Herr Mißfelder. Was wurde falsch gemacht?
Mißfelder: Wir wollen am Wochenende auf dem Deutschlandtag unsere Wahlanalyse betreiben, mit Angela Merkel und Edmund Stoiber zusammen. Das ist wichtig für die Jugendorganisation. Das ist auch wichtig für uns, weil wir uns auch innerlich darstellen wollen, was unsere Positionen als Junge Union sind. Und deswegen glaube ich, dass im Wahlkampf unser Reformkurs zwar richtig war, aber wir stark an der Begründung dieses Reformkurses arbeiten müssen. Es darf nicht eben nur darum gehen, welche Steuersätze Herr Kirchhoff beispielsweise vorschlägt, sondern es geht darum, welche Emotionen weckt man auch damit. Und jeder weiß, dass Paul Kirchhoff ein sehr sozial engagierter Richter gewesen ist in der Vergangenheit. Aber es ist uns nicht gelungen, emotional rüberzubringen, dass die CDU als Volkspartei auch einen sozialen Anspruch hat. Nun sind wir der Reformflügel, aber die Partei braucht auch andere starke Flügel und deswegen hat Karl-Josef Laumann mit seiner Kritik in den letzten Wochen nicht Unrecht gehabt.
Liminski: Auf dem Deutschlandtag, Sie haben es eben genannt, werden Merkel, Stoiber und andere Unionsgrößen auftreten. Werden Sie die künftige Regierung dann auch mit Fragen für die Zukunft konfrontieren, also etwa mit der Rentenfrage oder mit der Gesundheitsreform?
Mißfelder: Wir blicken nicht nur zurück am Wochenende, sondern wir blicken ganz klar auch voraus und sagen, was ist der Jungen Union, der jungen Generation von CDU und CSU wichtig, wenn es um die Zukunft der jungen Generation geht. Und deswegen glaube ich, ist es richtig auch zu diskutieren, welchen Anspruch wir haben für Koalitionsverhandlungen. So ehrgeizige Ziele, wie die Einhaltung der Maastrichtkriterien gehören aus unserer Sicht absolut dazu. Dass wir 2007 es schon schaffen können, die Maastrichtkriterien endlich wieder einzuhalten. Und das Ziel eines ausgeglichenen, schuldenfreien Haushaltes im Jahre 2013 - so wie es im Wahlprogramm steht - ist auch ehrgeizig, aber trotzdem notwendig, um die Zukunft der jungen Generation in irgendeiner Form überhaupt noch zu garantieren.
Liminski: Aber sind das nicht nur sozusagen fromme Wünsche. Wie wollen Sie - das heißt die Junge Union - Druck ausüben auf die Koalitionsverhandlungen?
Mißfelder: Wir haben ja schon konkrete Vorschläge gemacht. Wir sind der Meinung, dass man offen und ehrlich auch an das Thema der sozialen Versicherungssysteme gehen muss. Es wird in Zukunft sicherlich keine Rentenerhöhungen mehr geben können, so wie wir das gewohnt waren. Das ist ein sehr, sehr schmerzhafter Einschnitt für die ältere Generation, und dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Weil eine nichtvorhandene Rentenerhöhung ist faktisch eine Rentenkürzung, denn die Mieten, die Preise für Strom steigen ja trotzdem. Aber die junge Generation muss in Zukunft auch eine Chance zur Teilhabe haben. Und das funktioniert nur, wenn wir unseren Sozialstaat umbauen, so schmerzhaft und schwierig das auch in den nächsten Jahren sein wird.
Liminski: Heißt das mit anderen Worten, dass Sie Ihre Forderungen auch in der Koalitionsvereinbarung wiederfinden möchten?
Mißfelder: Das ist unser Wunsch. Wir wollen so viel, wie möglich von dem, was wir in Leipzig beschlossen haben auf dem Parteitag, was die Junge Union zu 100 Prozent unterstützt hat, wo wir uns sehr stark engagiert haben, selbst wenn uns auch vieles schwer gefallen ist, wollen wir auch in der Koalitionsvereinbarung wiedersehen. Deswegen unterstützen wir Frau Merkel. Deswegen kämpfen wir darum, dass Ihr Reformkurs weitergeht. Da kann sie sich zu 100 Prozent auch auf uns verlassen.
Liminski: Vielleicht gehen wir auf einige Details dieser Reformagenda ein. Was ist denn mit dem Kinderbonus? Er sollte laut CDU-Programm durch die Streichung der Eigenheimzulage finanziert werden. Nun soll die Eigenheimzulage, die übrigens auch eine Altersvorsorge ist, gestrichen werden und der Kinderbonus auch. So fordert es zum Beispiel der SPD-Finanzexperte Spiller. Damit wird wieder ein Stück Zukunft geopfert. Können Sie, das heißt die Junge Union, das mit tragen?
Mißfelder: Herr Spiller ist ein anerkannter Finanzfachmann der SPD, gar keine Frage. Aber ich glaube nicht, dass das jetzt die abschließende Haltung der Koalitionsvereinbarungen dann sein muss. Ich denke, dass wir da auch die unterschiedlichen Gewichtungen sehen. Ich glaube, dass sich der Staat auch in Zukunft fragen muss, wo er Schwerpunkte setzt. Und da glaube ich, ist Eigentumsbildung nach wie vor gerade für die jungen Familien ein ganz wichtiger Punkt. Deswegen kann man so einfach nicht die Eigenheimzulage zur Disposition stellen. Das haben wir im Wahlkampf auch immer wieder gesagt. Und wir werden auch sehen, wie das mit dem Kinderbonus weitergeht. Natürlich muss alles finanziert werden. Und insofern müssen auch Dinge, die im Wahlprogramm teilweise noch sehr unkonkret gefasst worden sind, jetzt auch in der konkreten Umsetzung von Politik dargestellt werden. Aber das wird ein hartes Ringen, das wird ein zähes Ringen um die Frage von Zukunftsinvestitionen oder Investitionen in die Vergangenheit oder konsumtive Ausgaben. Das heißt, dort wird in den Koalitionsverhandlungen noch ein harter Streit uns bevor stehen.
Liminski: Also wird die Rechnung Eigenheimzulage gegen Kinderbonus oder vielleicht beides eine Forderung des Deutschlandtages bleiben?
Mißfelder: So detailliert werden wir auf dem Deutschlandtag nicht in jeden Einzelpunkt einsteigen, weil wir jetzt schon gar nicht wissen, was bis zum Wochenende vielleicht noch Verhandlungsstand sein wird und in den Tagen danach. Klar ist nur, dass wir uns natürlich einmischen in die Debatten, auch im tagtäglichen. Und das sieht man ja momentan, dass jeden Tag neue Vorschläge kommen. Am Wochenende geht es um die großen Linien, dass die Union auch weiterhin bereit ist, ihren Reformkurs fortzusetzen, und nicht auf die Idee kommt, in Sozialromantik zurückzuverfallen und sozusagen damit die Parteibeschlüsse von Leipzig obsolet macht.
Liminski: Viele Reformprojekte sind aber nun in der Hand von SPD-Ministerien, für die die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nur eingeschränkt gilt. Wie sollen diese Projekte verwirklicht werden?
Mißfelder: Die Richtlinienkompetenz von Frau Merkel ist vorhanden. Sie steht im Grundgesetz. Und ich glaube, Frau Merkel hat schon in den letzten Tagen gezeigt, wir stark sie ist, dass dort auch vieles durchsetzbar ist und vieles auch trotz der großen Koalition möglich sein wird. Mir macht Hoffnung, dass die SPD mit einem guten Personalangebot in diese große Koalition geht. Herr Steinmeier, Herr Steinbrück wirken doch dafür, dass auch ein Reformkurs in Deutschland fortgesetzt wird und sind auch für die SPD-Fraktion nicht ganz einfache Kantonisten gewesen. Und insofern glaube ich, dass wir an der Stelle gute Verbündete auch in der SPD haben. Aber es ist ganz klar, wir haben unser Wahlziel nicht erreicht, eine schwarz-gelbe Veränderungsmehrheit herzustellen in Deutschland. Deswegen müssen wir jetzt die eine oder andere Kröte schlucken, so bitter das auch ist.
Liminski: Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk, meinte gestern - ich bleibe jetzt mal bei der Kröte -, wenn es bis 2007 nicht gelungen sei, die Zahl der versicherungspflichtigen Stellen deutlich zu erhöhen und die Maastrichtkriterien zu erfüllen, müsse die große Koalition - also diese Kröte - beendet werden. Was sind für Sie unverzichtbare Positionen? Wo sind die Sollbruchstellen der künftigen Koalition?
Mißfelder: Also ich halte nichts davon, jetzt solche Vorfestlegungen zu vollziehen. Ich kann den Druck, den der Wirtschaftsrat da aufbaut, trotzdem sehr gut nachvollziehen, weil ich natürlich sehe, wie schlimm die Stimmung der Wirtschaft ist, weil gerade auch die Wirtschaft sehr große Hoffnungen in eine schwarz-gelbe Mehrheit gelegt hat. Aber wir dürfen die große Koalition nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilen, denn die Wählerinnen und Wähler haben nun mal gewählt. Ich sage das gar nicht aus Parteitaktik heraus. Es ist entschieden worden, dass die große Koalition so kommen soll. Das ist der Wille der Bürgerinnen und Bürger. Und deswegen muss man mit diesem Wahlergebnis und mit dieser Koalition respektvoll umgehen und sich am Riemen reißen und nicht von vorneherein sagen, wann diese Koalition auseinander fällt und wann nicht. Ich glaube, wir können nur Erfolg haben, wenn wir jetzt uns anstrengen, das Beste daraus zu machen aus der Situation. Und dann haben wir tatsächlich die Chance, das dann auf einen vernünftigen Kurs zu führen.
Liminski: Also kein Ultimatum und auch keine Frist für den Erfolg?
Mißfelder: Ich kann jetzt kein Ultimatum für so etwas stellen. Ich schließe nicht aus, dass wir während der Zeit der großen Koalition noch große Debatten auch bekommen werden. Aber ich glaube, dass diese Debatten auch ausgehalten werden müsse. Die Jusos werden das auf ihre Art und Weise tun und wir auf unsere als Junge Union. Und insofern wird das sicherlich nicht einfach. Aber ich glaube, die Wählerinnen und Wähler haben Anspruch darauf, dass wir das ganz ernst nehmen und nicht leichtfertig mit dem Ergebnis umgehen.
Liminski: Wahlanalyse und unverzichtbare Positionen. Das war der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mißfelder.
Mißfelder: Guten Morgen.
Liminski: Herr Mißfelder, es grummelt in der Union, sowohl aus der CDU als auch aus der CSU werden Stimmen lauter, die der Enttäuschung über die ersten Ergebnisse der Annäherung der Großkoalitionäre Luft machen. Das gilt für Personalentscheidungen ebenso wie für erste Sachentscheidungen. Sind Sie auch enttäuscht?
Mißfelder: Nein, enttäuscht bin ich nicht. Aber wir sind auch nicht erfreut. Man soll ja auch nicht alles schlecht reden am Anfang. Aber es ist schon so, dass die Partei nicht ganz zufrieden ist, um das freundlich zu sagen. Und an der einen oder anderen Stelle gibt es sicherlich auch Enttäuschung, gerade was auch Personalentscheidungen angeht. Bei der Jungen Union geht es sehr um die Inhalte, weil wir uns von einer schwarz-gelben Mehrheit mehr erhofft hätten.
Liminski: Zu den Inhalten kommen wir gleich. Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. Ihr Kollege Wüst, Landesvorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen kritisiert offen die Unterrepräsentierung des stärksten CDU-Verbands, während die SPD aus Nordrhein-Westfalen im Kabinett überrepräsentiert sei. Finden Sie sich nun damit ab?
Mißfelder: Es bleibt doch nichts anderes übrig, als sich jetzt damit abzufinden, denn die Minister sind nun einmal vorgestellt worden. Aber auf der Ebene der Staatssekretäre beispielsweise muss Nordrhein-Westfalen, was den CDU-Teil angeht, wesentlich besser gestellt werden, als andere Landesverbände. Denn da geht es weniger um das Postengescharre der letzten Tage, sondern wirklich um die Repräsentation Nordrhein-Westfalens. Wir brauchen ja auf der Arbeitsebene auch Ansprechpartner, die sich für Nordrhein-Westfalen einsetzen. Und es ist nicht gut, wenn diese Ansprechpartner nur aus der Sozialdemokratischen Partei kommen. Deswegen gehört in den nächsten Tagen ja auch noch mal der Druck erhöht, dass Nordrhein-Westfalen besser repräsentiert wird.
Liminski: Gleichzeitig zu den Verhandlungen mit der SPD wird die Wahlanalyse in den eigenen Reihen immer weiter nach hinten geschoben. Bitte zwei, drei Stichworte zur Wahlanalyse, Herr Mißfelder. Was wurde falsch gemacht?
Mißfelder: Wir wollen am Wochenende auf dem Deutschlandtag unsere Wahlanalyse betreiben, mit Angela Merkel und Edmund Stoiber zusammen. Das ist wichtig für die Jugendorganisation. Das ist auch wichtig für uns, weil wir uns auch innerlich darstellen wollen, was unsere Positionen als Junge Union sind. Und deswegen glaube ich, dass im Wahlkampf unser Reformkurs zwar richtig war, aber wir stark an der Begründung dieses Reformkurses arbeiten müssen. Es darf nicht eben nur darum gehen, welche Steuersätze Herr Kirchhoff beispielsweise vorschlägt, sondern es geht darum, welche Emotionen weckt man auch damit. Und jeder weiß, dass Paul Kirchhoff ein sehr sozial engagierter Richter gewesen ist in der Vergangenheit. Aber es ist uns nicht gelungen, emotional rüberzubringen, dass die CDU als Volkspartei auch einen sozialen Anspruch hat. Nun sind wir der Reformflügel, aber die Partei braucht auch andere starke Flügel und deswegen hat Karl-Josef Laumann mit seiner Kritik in den letzten Wochen nicht Unrecht gehabt.
Liminski: Auf dem Deutschlandtag, Sie haben es eben genannt, werden Merkel, Stoiber und andere Unionsgrößen auftreten. Werden Sie die künftige Regierung dann auch mit Fragen für die Zukunft konfrontieren, also etwa mit der Rentenfrage oder mit der Gesundheitsreform?
Mißfelder: Wir blicken nicht nur zurück am Wochenende, sondern wir blicken ganz klar auch voraus und sagen, was ist der Jungen Union, der jungen Generation von CDU und CSU wichtig, wenn es um die Zukunft der jungen Generation geht. Und deswegen glaube ich, ist es richtig auch zu diskutieren, welchen Anspruch wir haben für Koalitionsverhandlungen. So ehrgeizige Ziele, wie die Einhaltung der Maastrichtkriterien gehören aus unserer Sicht absolut dazu. Dass wir 2007 es schon schaffen können, die Maastrichtkriterien endlich wieder einzuhalten. Und das Ziel eines ausgeglichenen, schuldenfreien Haushaltes im Jahre 2013 - so wie es im Wahlprogramm steht - ist auch ehrgeizig, aber trotzdem notwendig, um die Zukunft der jungen Generation in irgendeiner Form überhaupt noch zu garantieren.
Liminski: Aber sind das nicht nur sozusagen fromme Wünsche. Wie wollen Sie - das heißt die Junge Union - Druck ausüben auf die Koalitionsverhandlungen?
Mißfelder: Wir haben ja schon konkrete Vorschläge gemacht. Wir sind der Meinung, dass man offen und ehrlich auch an das Thema der sozialen Versicherungssysteme gehen muss. Es wird in Zukunft sicherlich keine Rentenerhöhungen mehr geben können, so wie wir das gewohnt waren. Das ist ein sehr, sehr schmerzhafter Einschnitt für die ältere Generation, und dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Weil eine nichtvorhandene Rentenerhöhung ist faktisch eine Rentenkürzung, denn die Mieten, die Preise für Strom steigen ja trotzdem. Aber die junge Generation muss in Zukunft auch eine Chance zur Teilhabe haben. Und das funktioniert nur, wenn wir unseren Sozialstaat umbauen, so schmerzhaft und schwierig das auch in den nächsten Jahren sein wird.
Liminski: Heißt das mit anderen Worten, dass Sie Ihre Forderungen auch in der Koalitionsvereinbarung wiederfinden möchten?
Mißfelder: Das ist unser Wunsch. Wir wollen so viel, wie möglich von dem, was wir in Leipzig beschlossen haben auf dem Parteitag, was die Junge Union zu 100 Prozent unterstützt hat, wo wir uns sehr stark engagiert haben, selbst wenn uns auch vieles schwer gefallen ist, wollen wir auch in der Koalitionsvereinbarung wiedersehen. Deswegen unterstützen wir Frau Merkel. Deswegen kämpfen wir darum, dass Ihr Reformkurs weitergeht. Da kann sie sich zu 100 Prozent auch auf uns verlassen.
Liminski: Vielleicht gehen wir auf einige Details dieser Reformagenda ein. Was ist denn mit dem Kinderbonus? Er sollte laut CDU-Programm durch die Streichung der Eigenheimzulage finanziert werden. Nun soll die Eigenheimzulage, die übrigens auch eine Altersvorsorge ist, gestrichen werden und der Kinderbonus auch. So fordert es zum Beispiel der SPD-Finanzexperte Spiller. Damit wird wieder ein Stück Zukunft geopfert. Können Sie, das heißt die Junge Union, das mit tragen?
Mißfelder: Herr Spiller ist ein anerkannter Finanzfachmann der SPD, gar keine Frage. Aber ich glaube nicht, dass das jetzt die abschließende Haltung der Koalitionsvereinbarungen dann sein muss. Ich denke, dass wir da auch die unterschiedlichen Gewichtungen sehen. Ich glaube, dass sich der Staat auch in Zukunft fragen muss, wo er Schwerpunkte setzt. Und da glaube ich, ist Eigentumsbildung nach wie vor gerade für die jungen Familien ein ganz wichtiger Punkt. Deswegen kann man so einfach nicht die Eigenheimzulage zur Disposition stellen. Das haben wir im Wahlkampf auch immer wieder gesagt. Und wir werden auch sehen, wie das mit dem Kinderbonus weitergeht. Natürlich muss alles finanziert werden. Und insofern müssen auch Dinge, die im Wahlprogramm teilweise noch sehr unkonkret gefasst worden sind, jetzt auch in der konkreten Umsetzung von Politik dargestellt werden. Aber das wird ein hartes Ringen, das wird ein zähes Ringen um die Frage von Zukunftsinvestitionen oder Investitionen in die Vergangenheit oder konsumtive Ausgaben. Das heißt, dort wird in den Koalitionsverhandlungen noch ein harter Streit uns bevor stehen.
Liminski: Also wird die Rechnung Eigenheimzulage gegen Kinderbonus oder vielleicht beides eine Forderung des Deutschlandtages bleiben?
Mißfelder: So detailliert werden wir auf dem Deutschlandtag nicht in jeden Einzelpunkt einsteigen, weil wir jetzt schon gar nicht wissen, was bis zum Wochenende vielleicht noch Verhandlungsstand sein wird und in den Tagen danach. Klar ist nur, dass wir uns natürlich einmischen in die Debatten, auch im tagtäglichen. Und das sieht man ja momentan, dass jeden Tag neue Vorschläge kommen. Am Wochenende geht es um die großen Linien, dass die Union auch weiterhin bereit ist, ihren Reformkurs fortzusetzen, und nicht auf die Idee kommt, in Sozialromantik zurückzuverfallen und sozusagen damit die Parteibeschlüsse von Leipzig obsolet macht.
Liminski: Viele Reformprojekte sind aber nun in der Hand von SPD-Ministerien, für die die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nur eingeschränkt gilt. Wie sollen diese Projekte verwirklicht werden?
Mißfelder: Die Richtlinienkompetenz von Frau Merkel ist vorhanden. Sie steht im Grundgesetz. Und ich glaube, Frau Merkel hat schon in den letzten Tagen gezeigt, wir stark sie ist, dass dort auch vieles durchsetzbar ist und vieles auch trotz der großen Koalition möglich sein wird. Mir macht Hoffnung, dass die SPD mit einem guten Personalangebot in diese große Koalition geht. Herr Steinmeier, Herr Steinbrück wirken doch dafür, dass auch ein Reformkurs in Deutschland fortgesetzt wird und sind auch für die SPD-Fraktion nicht ganz einfache Kantonisten gewesen. Und insofern glaube ich, dass wir an der Stelle gute Verbündete auch in der SPD haben. Aber es ist ganz klar, wir haben unser Wahlziel nicht erreicht, eine schwarz-gelbe Veränderungsmehrheit herzustellen in Deutschland. Deswegen müssen wir jetzt die eine oder andere Kröte schlucken, so bitter das auch ist.
Liminski: Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk, meinte gestern - ich bleibe jetzt mal bei der Kröte -, wenn es bis 2007 nicht gelungen sei, die Zahl der versicherungspflichtigen Stellen deutlich zu erhöhen und die Maastrichtkriterien zu erfüllen, müsse die große Koalition - also diese Kröte - beendet werden. Was sind für Sie unverzichtbare Positionen? Wo sind die Sollbruchstellen der künftigen Koalition?
Mißfelder: Also ich halte nichts davon, jetzt solche Vorfestlegungen zu vollziehen. Ich kann den Druck, den der Wirtschaftsrat da aufbaut, trotzdem sehr gut nachvollziehen, weil ich natürlich sehe, wie schlimm die Stimmung der Wirtschaft ist, weil gerade auch die Wirtschaft sehr große Hoffnungen in eine schwarz-gelbe Mehrheit gelegt hat. Aber wir dürfen die große Koalition nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilen, denn die Wählerinnen und Wähler haben nun mal gewählt. Ich sage das gar nicht aus Parteitaktik heraus. Es ist entschieden worden, dass die große Koalition so kommen soll. Das ist der Wille der Bürgerinnen und Bürger. Und deswegen muss man mit diesem Wahlergebnis und mit dieser Koalition respektvoll umgehen und sich am Riemen reißen und nicht von vorneherein sagen, wann diese Koalition auseinander fällt und wann nicht. Ich glaube, wir können nur Erfolg haben, wenn wir jetzt uns anstrengen, das Beste daraus zu machen aus der Situation. Und dann haben wir tatsächlich die Chance, das dann auf einen vernünftigen Kurs zu führen.
Liminski: Also kein Ultimatum und auch keine Frist für den Erfolg?
Mißfelder: Ich kann jetzt kein Ultimatum für so etwas stellen. Ich schließe nicht aus, dass wir während der Zeit der großen Koalition noch große Debatten auch bekommen werden. Aber ich glaube, dass diese Debatten auch ausgehalten werden müsse. Die Jusos werden das auf ihre Art und Weise tun und wir auf unsere als Junge Union. Und insofern wird das sicherlich nicht einfach. Aber ich glaube, die Wählerinnen und Wähler haben Anspruch darauf, dass wir das ganz ernst nehmen und nicht leichtfertig mit dem Ergebnis umgehen.
Liminski: Wahlanalyse und unverzichtbare Positionen. Das war der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mißfelder.