Sina Fröhndrich: Zwei Länder reißen es also raus, die Wirtschaft in der Eurozone wächst wieder, dank Deutschland und Frankreich. Aber geht diese Gleichung auch auf für die anderen Länder? Darüber haben wir mit Guntram Wolff gesprochen. Der ist seit kurzem Chef des Brüsseler "Bruegel-Instituts", und die Frage an ihn: Die Wirtschaft in der Eurozone wächst wieder. Können sich Kanzlerin Merkel und die anderen Euroretter jetzt auf die Schulter klopfen?
Guntram Wolff: Die Zahlen sind jetzt natürlich sehr positiv. Mit 0,3 Prozent wächst der Euroraum in diesem letzten Quartal doch mehr als gedacht, und so ist das insofern eine positive Nachricht. Allerdings wäre ich doch sehr vorsichtig zu sagen, dass das jetzt die komplette Kehrtwende ist. Im Gegenteil: Es bleiben weiterhin viele Reformen in verschiedenen Ländern, aber auch in der Gesamtarchitektur des Euroraums, die gemacht werden müssen.
Fröhndrich: Das heißt, wenn "Handelsblatt Online" heute schon vom Ende der historischen Rezession schreibt, finden Sie, das ist verfrüht?
Wolff: Ich denke, das ist verfrüht. Man kann aus Daten, die jetzt gerade ein Quartal beschreiben und ein paar Stimmungsindikatoren, eigentlich immer nur sehr schwer eine komplette Kehrtwende herauslesen. Und selbst wenn wir sozusagen technisch aus der Rezession draußen wären, das Wachstum wieder positiv wäre, sind die Zahlen insgesamt doch noch sehr niedrig, sodass insbesondere die Arbeitslosigkeit nicht gelöst wird.
Fröhndrich: Sie haben gerade die Arbeitslosigkeit angesprochen. Wenn wir jetzt auf das Wirtschaftswachstum gucken, insgesamt ist das erst mal eine positive Zahl für sich. Aber wenn ein arbeitsloser Grieche das hört, fragt er sich vielleicht auch, wann habe ich was davon. Wann hat er denn was davon?
Wolff: Gut, in Griechenland bleibt die Situation ja sowieso dramatisch schlecht. Die Wirtschaft schrumpft immer noch um die vier Prozent jährlich. Da kann man wirklich noch nicht von einer Kehrtwende reden. Aber selbst in anderen Ländern wie Spanien und Italien wird es einfach dauern, bis die etwas positiveren Wachstumszahlen sich überhaupt bei der Arbeitslosigkeit bemerkbar machen. Wir werden da nächstes Jahr kaum Verbesserung sehen im Süden Europas, und die Arbeitslosigkeit wird da weiterhin dramatisch hoch bleiben.
Fröhndrich: Das heißt, Ihr Ausblick ist, wir oder eher die südlichen Euroländer müssen da einen längeren Atem beweisen?
Wolff: Ja, die südlichen Euroländer müssen natürlich einerseits ihre Reformen weitertreiben, aber andererseits müssen sie auch die vernünftigen Rahmenbedingungen bekommen, und da ist die Architektur des Euroraums noch nicht fertiggestellt. Wir haben weiterhin die Bankenunion, die unvollständig ist, und diese Arbeit darf jetzt nicht aufhören, sondern die muss weiter geschehen.
Und dann würde ich auch noch betonen wollen, dass sicherlich es auch wichtig ist, dass das Wachstum insgesamt im Euroraum noch höher wird. Mit 0,3 Prozent kann man noch keinen Blumentopf gewinnen, sondern wir müssen da höhere Zahlen bekommen. Das bedeutet auch, dass Deutschland noch mehr eine Wachstumslokomotive für den Euroraum sein muss.
Fröhndrich: Sie haben es gesagt: Deutschland ist schon eine Wachstumslokomotive, und dazu gehört auch Frankreich. Das sind die beiden Länder, die diese Zahlen heute im Prinzip nach oben ziehen. Wenn wir jetzt noch mal genau auf Frankreich gucken, da lahmte die Industrie zuletzt ja doch etwas. Aber die französische Regierung jubelt trotzdem, angesichts dieser Zahl heute. Verkennt sie denn die Realität?
Wolff: Ja. Die französische Regierung muss weiterhin auf dem Reformpfad bleiben. Es gibt da ganz wichtige Langfristreformen, die weiter gemacht werden müssen, unter anderem zum Beispiel die Rentenreform. Sie haben ja erst angefangen. Wir haben da einiges gesehen, und das hat sicherlich auch geholfen dieses Quartal. Einen langfristigen Trend, den wir in Frankreich über zehn Jahre beobachtet haben, nämlich eine abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, den dreht man nicht mit ein, zwei kleinen Reformen um. Das bedarf dann schon eines längeren Atems.
Fröhndrich: Wie Sie es schon gesagt haben, es bleibt eher Deutschland die Wachstumslokomotive in der Eurozone. Aber wie können dann die anderen Länder davon profitieren, dass in Deutschland die Wirtschaft weiter wächst?
Wolff: Mein erster Punkt wäre, dass Deutschland zwar Wachstumslokomotive ist, aber diese Lokomotive ist einfach noch sehr langsam. Die deutsche Lokomotive müsste viel, viel schneller wachsen.
Ich denke, wenn wir diese Quartalszahl, die wir jetzt beobachtet haben, jedes Quartal hätten, dann wäre Deutschland wirklich eine Wachstumslokomotive, und das würde dann den anderen Ländern helfen, durch Importe, durch eine verbesserte Wirtschaftsstimmung, durch verbessertes Wirtschaftsklima und so weiter. Da gibt es dann verschiedene Kanäle. Insbesondere über den Handel würde das eine oder andere gerade an den Nachbarn Frankreich weitergegeben werden, aber auch an die Niederlande.
Fröhndrich: Der Chef des Brüsseler Thinktanks "Bruegel-Institut", Guntram Wolff, ist also verhalten, was die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone und auch in Deutschland angeht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Guntram Wolff: Die Zahlen sind jetzt natürlich sehr positiv. Mit 0,3 Prozent wächst der Euroraum in diesem letzten Quartal doch mehr als gedacht, und so ist das insofern eine positive Nachricht. Allerdings wäre ich doch sehr vorsichtig zu sagen, dass das jetzt die komplette Kehrtwende ist. Im Gegenteil: Es bleiben weiterhin viele Reformen in verschiedenen Ländern, aber auch in der Gesamtarchitektur des Euroraums, die gemacht werden müssen.
Fröhndrich: Das heißt, wenn "Handelsblatt Online" heute schon vom Ende der historischen Rezession schreibt, finden Sie, das ist verfrüht?
Wolff: Ich denke, das ist verfrüht. Man kann aus Daten, die jetzt gerade ein Quartal beschreiben und ein paar Stimmungsindikatoren, eigentlich immer nur sehr schwer eine komplette Kehrtwende herauslesen. Und selbst wenn wir sozusagen technisch aus der Rezession draußen wären, das Wachstum wieder positiv wäre, sind die Zahlen insgesamt doch noch sehr niedrig, sodass insbesondere die Arbeitslosigkeit nicht gelöst wird.
Fröhndrich: Sie haben gerade die Arbeitslosigkeit angesprochen. Wenn wir jetzt auf das Wirtschaftswachstum gucken, insgesamt ist das erst mal eine positive Zahl für sich. Aber wenn ein arbeitsloser Grieche das hört, fragt er sich vielleicht auch, wann habe ich was davon. Wann hat er denn was davon?
Wolff: Gut, in Griechenland bleibt die Situation ja sowieso dramatisch schlecht. Die Wirtschaft schrumpft immer noch um die vier Prozent jährlich. Da kann man wirklich noch nicht von einer Kehrtwende reden. Aber selbst in anderen Ländern wie Spanien und Italien wird es einfach dauern, bis die etwas positiveren Wachstumszahlen sich überhaupt bei der Arbeitslosigkeit bemerkbar machen. Wir werden da nächstes Jahr kaum Verbesserung sehen im Süden Europas, und die Arbeitslosigkeit wird da weiterhin dramatisch hoch bleiben.
Fröhndrich: Das heißt, Ihr Ausblick ist, wir oder eher die südlichen Euroländer müssen da einen längeren Atem beweisen?
Wolff: Ja, die südlichen Euroländer müssen natürlich einerseits ihre Reformen weitertreiben, aber andererseits müssen sie auch die vernünftigen Rahmenbedingungen bekommen, und da ist die Architektur des Euroraums noch nicht fertiggestellt. Wir haben weiterhin die Bankenunion, die unvollständig ist, und diese Arbeit darf jetzt nicht aufhören, sondern die muss weiter geschehen.
Und dann würde ich auch noch betonen wollen, dass sicherlich es auch wichtig ist, dass das Wachstum insgesamt im Euroraum noch höher wird. Mit 0,3 Prozent kann man noch keinen Blumentopf gewinnen, sondern wir müssen da höhere Zahlen bekommen. Das bedeutet auch, dass Deutschland noch mehr eine Wachstumslokomotive für den Euroraum sein muss.
Fröhndrich: Sie haben es gesagt: Deutschland ist schon eine Wachstumslokomotive, und dazu gehört auch Frankreich. Das sind die beiden Länder, die diese Zahlen heute im Prinzip nach oben ziehen. Wenn wir jetzt noch mal genau auf Frankreich gucken, da lahmte die Industrie zuletzt ja doch etwas. Aber die französische Regierung jubelt trotzdem, angesichts dieser Zahl heute. Verkennt sie denn die Realität?
Wolff: Ja. Die französische Regierung muss weiterhin auf dem Reformpfad bleiben. Es gibt da ganz wichtige Langfristreformen, die weiter gemacht werden müssen, unter anderem zum Beispiel die Rentenreform. Sie haben ja erst angefangen. Wir haben da einiges gesehen, und das hat sicherlich auch geholfen dieses Quartal. Einen langfristigen Trend, den wir in Frankreich über zehn Jahre beobachtet haben, nämlich eine abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, den dreht man nicht mit ein, zwei kleinen Reformen um. Das bedarf dann schon eines längeren Atems.
Fröhndrich: Wie Sie es schon gesagt haben, es bleibt eher Deutschland die Wachstumslokomotive in der Eurozone. Aber wie können dann die anderen Länder davon profitieren, dass in Deutschland die Wirtschaft weiter wächst?
Wolff: Mein erster Punkt wäre, dass Deutschland zwar Wachstumslokomotive ist, aber diese Lokomotive ist einfach noch sehr langsam. Die deutsche Lokomotive müsste viel, viel schneller wachsen.
Ich denke, wenn wir diese Quartalszahl, die wir jetzt beobachtet haben, jedes Quartal hätten, dann wäre Deutschland wirklich eine Wachstumslokomotive, und das würde dann den anderen Ländern helfen, durch Importe, durch eine verbesserte Wirtschaftsstimmung, durch verbessertes Wirtschaftsklima und so weiter. Da gibt es dann verschiedene Kanäle. Insbesondere über den Handel würde das eine oder andere gerade an den Nachbarn Frankreich weitergegeben werden, aber auch an die Niederlande.
Fröhndrich: Der Chef des Brüsseler Thinktanks "Bruegel-Institut", Guntram Wolff, ist also verhalten, was die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone und auch in Deutschland angeht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.