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Mit dem Erasmus-Programm grenzüberschreitend studieren

Seit 1987 gibt es in der EU das "Erasmus-Programm". Das Ziel: Die Zusammenarbeit der europäischen Hochschulen über Grenzen hinweg zu fördern, und den Austausch von Studierenden. Einer der Aha-Effekte der Teilnehmer: Lernen weit weg von Zuhause geht oft ganz schön anders.

Von Thomas Wagner | 12.07.2011
    "Erasmus hat vor zirka 500 Jahren gelebt, würde ich mal schätzen ..."

    "Der war, glaub, ich, ein Humanist und kommt aus den Niederlanden."

    Test bestanden! Niclas Vogt studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften; ebenso wie die Slowenin Katarina Lauric. Beiden ist eines gemeinsam: Von Erasmus von Rotterdam haben sie schon gehört – und sie sind Nutznießer des Erasmus-Programms der Europäischen Union, das den studentischen Austausch über Grenzen hinweg fördert. Niclas Vogt studierte neun Monate lang an der französischen Universität Grenoble.

    "Schon im ersten Semester gibt es dazu viele Informationsveranstaltungen, die einen auf die verschiedenen Angebote aufmerksam machen. Die Erasmus-Kooperationen sind eigentlich so gut mit dem Fachbereich hier so gut verzahnt, dass einem da die ganzen Hürden auch sehr niedrig angesetzt werden, sodass es sehr einfach ist, sich für ein Erasmus-Studium zu entscheiden. Und dann muss man nur noch entscheiden, wohin man gehen möchte. Ich glaube, ich musste insgesamt zehn Formulare ausfüllen, was wirklich wenig ist."

    Die Vermittlung erfolgte unbürokratisch. Erasmus-Koordinatoren vor Ort halfen Niclas Vogt bei der Belegung der Vorlesungen und Seminare, aber auch bei der Organisation einer Wohnmöglichkeit. Und dazu gab's auch noch ein Stipendium von knapp über 200 Euro pro Monat.
    "Das Erasmus-Geld ist dann nochmals ein Bonbon obendrauf, das einem hilft, das Land kennenzulernen."

    Für Katrina Lauric von der Universität Ljubljana, die über das Erasmus-Programm an die Uni Konstanz kam, sind die 200 Euro Förderung pro Monat eine bedeutende Säule zur Finanzierung ihres Auslandaufenthaltes. Allerdings sieht die Slowenin, die ein Hochbegabten-Stipendium ihres Heimatlandes bezieht, in diesen Schecks nicht den wichtigsten Baustein des Erasmus-Programms.

    "Auf dem ersten Platz, alle Organisationsarbeiten und so. Dann: Wenn man das selber machen muss, ist das sehr schwer. Und so ist es leichter. Alles läuft über die Unis. Die Uni Konstanz hat mir sofort eine Antwort geschickt, eine Informationsmappe. Und dann wusste ich schon sofort, was ich machen muss."

    Der Deutsche, der nach Frankreich geht; die Slowenin, die über Erasmus nach Deutschland kommt – diese Situation ist typisch dafür, wie das Erasmus-Programm in der Praxis abläuft. Verena Wagner, Erasmus-Beauftragte beim Auslandsreferat der Universität Konstanz:

    "Also da gibt es den eindeutigen Ost-West-Trend. Das heißt: Wir bekommen sehr viele Studierende aus Osteuropa, also Mittel- und Südosteuropa. Und unsere Studenten wollen eher nach Spanien, Frankreich und Großbritannien."

    Allerdings zeichne sich eine kleine Trendwende ab: Studierende aus Konstanz entdecken allmählich auch Partnerunis in Prag, Tartu in Estland oder Istanbul für sich. Dabei steigt die Zahl der Erasmus-Stipendiaten ständig an: Im Studienjahr 2008/2009 beteiligten sich europaweit knapp 200.000 Studierende daran, ein Jahr später waren es bereits 213.000. Seit dem Programmstart im September 1987 nutzten alleine in Deutschland über drei Millionen Studierende die Möglichkeit, über Erasmus eine Hochschule in einem anderen europäischen Land kennenzulernen. Die meisten wollen dabei die Sprache verbessern – sowie Land und Leute im Gastland besser kennenlernen. Daneben geht es aber auch darum, in andere 'Lernwelten' hinein zu schnuppern. Das hat Niclas Vogt während seines Aufenthaltes in Grenoble besonders beeindruckt. Dort wurde er über zwei Semester hinweg nahezu ausschließlich mit Frontalunterricht wie in der Schule konfrontiert – kaum Gruppenarbeit, kaum selbstständiges Arbeiten. Zurückgekehrt nach Konstanz, findet Niclas Vogt dort plötzlich alles viel 'lockerer' als in Grenoble.

    "Ich würd' ja nicht sagen, dass lockerer unbedingt schlechter heißt, sondern dass man in Deutschland einfach viel selbstständiger ist, viel selbstständiger sein muss und zum Beispiel mehr Hausarbeiten schreiben muss als jetzt in Frankreich, wo nur dieses Wiedergeben von Wissen, das man sich angeeignet hat, im Vordergrund steht."

    Der Slowenin Karina Lavric ist es gelungen, während ihres Aufenthaltes in Konstanz die Weichen für ein Vollzeit-Studium am Bodensee zu stellen. Für sie geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung.

    "Das klappt, das geht, ja. Jetzt musste ich zunächst die Fächer, die ich in Slowenien gehabt habe, hier anerkennen lassen. Ohne Erasmus wäre ich wahrscheinlich nie auf eine solche Idee gekommen."

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