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Mit dem Flugzeug zu den Sternen

Astronomie.- In der vergangenen Woche berichtete "Forschung aktuell" über einen Flug von "SOFIA": ein Forschungsflugzeug, das ein großes Teleskop an Bord hat und die Sterne beobachtet. Nun flog SOFIA zurück in seine Heimat USA. Zur Beobachtung von Himmelskörpern hatte die Crew dabei allerdings wenig Gelegenheit.

Von Guido Meyer | 27.09.2011
    Auf dem Stuttgarter Flughafen steht eine Boeing 747, die etwas zu kurz geraten ausschaut. Dafür hat sie im hinteren Teil einen Buckel. So etwas kann man auch schön finden.

    "Naja, erstmal sieht es natürlich sehr ästhetisch aus. Das ist ja ein deutsch-amerikanisches Projekt, und deshalb sind die Logos der NASA und des DLR dadrauf."

    Dietmar Lilienthal ist beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Projektleiter für SOFIA, dem Stratosphären-Observatorium Für Infrarot-Astronomie. Und SOFIA fliegt an Bord eines Flugzeuges.

    "Das war eine normale Passagiermaschine. Die ist modifiziert worden, indem man im Heckbereich den Rumpf verstärkt hat und dort das Teleskop eingebaut hat."

    Während des Fluges, des Nachts, öffnet sich die Luke, und das Observatorium hat freie Sicht auf den nächtlichen Sternenhimmel.

    "Nachdem wir uns den Flieger jetzt von außen angeschaut haben, schlage ich vor, wir gehen jetzt nach innen..."

    Auch wenn es sich bei dieser Boeing um eine ausrangierte Passagiermaschine handelt, bietet sich im Innern des Flugzeugs ein für Flugtouristen ungewohnter Anblick. Die Sitze sind fast alle ausgeräumt. Stattdessen bestimmen Computerpulte den Raum, an denen per Laptops das Teleskop im Heck überwacht wird.

    "Man hat bei SOFIA immer den Eindruck, dass es so aussieht, wie als würde man einen menschlichen Körper aufschneiden. Man sieht all die Dinge, die man eigentlich gar nicht unbedingt wissen will."

    Fliegende Körperwelten sozusagen. Der hier so anschaulich formuliert, ist Hans Zinnecker, der für Deutschland, aber bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Kalifornien das Projekt SOFIA überwacht. Einer der Wissenschaftler an Bord ist bei diesem Flug Jürgen Stutzki von der Universität Köln.

    "Das ist so, als wenn Sie mit dem Auto nachts in einer klaren Vollmondnacht auf der Autobahn fahren. Der Mond ist so weit weg, dass er immer in der gleichen Richtung ist. Deshalb haben Kinder ja auch den Eindruck, dass der Mond mit dem Auto mitfährt. Das liegt ja nur daran, dass er weit weg ist. Der Baum, der nah dabei ist, an dem fährt man vorbei; der ändert schnell die Richtung. Der Mond, der ganz weit weg ist, ist praktisch immer in der gleichen Richtung. Das heißt. das Teleskop muss immer praktisch in die gleiche Richtung gucken."

    Es ist soweit: SOFIA hebt ab, den Sternen entgegen. Aufgabe des Teleskops: die Zentren von Galaxien im Infraroten zu untersuchen. Und um dort etwas zu sehen, muss man hoch hinaus. Denn der Wasserdampf der irdischen Atmosphäre absorbiert das infrarote Licht aus dem All. SOFIA jedoch fliegt in 14 Kilometer Höhe, über dem Wasserdampf, und sieht so wesentlich mehr, als Teleskope auf dem Boden es können.

    "Wir sind jetzt ungefähr auf halbem Weg zwischen der Biscaya und den Kanarischen Inseln. Wie Sie sehen, fliegen wir einen Südwestkurs. Der führt uns natürlich nicht direkt nach Washington, aber wir müssen diesen Umweg machen, um das Flugzeug in eine Startposition zu bringen, die es gleich erlauben, die Quellen in Richtung des galaktischen Zentrums zu beobachten."

    Helmut Wiesemeyer vom Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn, das mit seinen Experimenten ebenfalls auf diesem Flug vertreten ist. Nach vier Stunden ist der südlichste Punkt des Fluges erreicht.

    Die Luke des Teleskops in der Außenwand der Boeing wird geöffnet.

    "Es hat sich bewegt. Unsealed."

    Kein Krach, keine Vibrationen. Nur die Computeranzeige gibt an, dass sich etwas tut. Sobald die Luke vollständig geöffnet ist, wird es eine halbe Stunde dauern, ehe das Teleskop auf die Außentemperatur von minus 50 Grad Celsius runtergekühlt ist.

    "Jetzt steht das Teleskop schon zentriert zur Öffnung, mit freiem Blick nach außen, freie Apparatur nach außen."

    Fünf Stunden Beobachtungszeit haben die Astronomen an Bord nun um nachzuweisen, welche Moleküle in den Gas- und Staubwolken im Zentrum der Milchstraße vorkommen. Doch bereits nach etwa einer halben Stunde ist die Mission beendet: Das Teleskop fällt aus. Frust an Bord. Auch bei Rolf Güsten, ebenfalls vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

    "Das war ein miserabler Flug. Wir haben vielleicht 35 Minuten Beobachtungszeit aus den fünf Stunden herausgeholt. Deshalb fliegt man nicht. Da sind ja Wochen von Arbeiten nur für den einen Flug investiert worden."

    "Als ich gerade hörte, dass die Kontrolleinheit auf 80 Grad heiß geworden ist – das ist kurz vor'm Abbrennen. Das ist schon erschreckend."

    "Also de facto ist dieser Flug ein Totalausfall gewesen für uns."

    Und so landet die weiß-blaue Boeing auf dem US-Militärstützpunkt Andrews Air Force Base in der Nähe von Washington, D.C. Zwei Tage lang haben die Techniker auf dem Boden nun Zeit, das Teleskop wieder einsatzfähig zu machen. Derzeit fliegt SOFIA eben noch im Experimentierstadium. Sind die Kinderkrankheiten ausgemerzt, soll das Teleskop die nächsten 20 Jahre lang im Einsatz sein, mit bis zu drei Flügen pro Woche.