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Mit dem Rad im Iran

Das Bild, das in Westeuropa und den USA vom Iran gezeichnet wird, ist oft eindimensional: Die Politik und Präsident Ahmadinedschad bestimmen die Schlagzeilen. Tobias Erler wollte das Land kennenlernen, wie es wirklich ist. Der deutsche Radrennfahrer fährt deshalb in diesem Jahr für die iranische Continental-Profimannschaft Tabriz Petrochemical.

Von Daniel Drepper |
    Vom bayrischen Regensburg bis Tabriz im Nordiran ist es ein weiter Weg. Und Tobias Erler hat sogar noch einen Umweg über Asien genommen. 2006 fuhr Erler für das chinesische Giant Asia Team. Zwei seiner Teamkollegen und sein Masseur waren Iraner. Erler freundete sich mit den drei Iranern an und schon damals machten sie Werbung für ihr Land.

    ""Ja, mein Masseur hat zu mir immer gesagt: 'Tobi, if you go to Iran, you don't need money, everybody is your friend.' Und das Ganze hat mich einfach fasziniert und so wusste ich eigentlich, dass ich irgendwann mal in den Iran will, um einfach diese Freunde, die ich da gewonnen hab zu besuchen. Dann musste ich mein Studium aber noch fertig machen und für 2010 habe ich dann gesagt: So, jetzt will ich mit meinen Freunden noch mal Radfahren und so bin ich dann in die iranische Mannschaft gekommen.”"

    Eigentlich wollte Erler in diesem Jahr bereits sein Referendariat absolvieren als Sportlehrer am Gymnasium. Doch das Abenteuer lockte in den Iran und so brach Erler im Februar ins dreiwöchige Trainingslager auf. Angst hatte er dabei keine, obwohl grade zur Zeit des Trainingslagers die politische Lage unruhig war. All die schlechten Dinge, die über den Iran berichtet werden, wollte Erler aber nicht ohne weiteres glauben. Er wollte sich selbst ein Bild machen:

    ""Wenn ich wiederkomme aus dem Land, dann will ich sagen wie das Land wirklich ist. Weil ich kann mir nicht vorstellen, dass es so ist wie es in den Medien dargestellt wird. Ich mein, man muss immer zwischen Politik und den Menschen einen Unterschied machen und ich bin da rüber gefahren um Menschen zu treffen, Menschen kennenzulernen. Und nicht um Politik zu betreiben. Und da bin ich einfach froh, dass ich den Schritt gemacht hab.”"

    Mittlerweile hat Erler ein differenziertes Bild vom Iran. Während langer Trainingsfahrten hat er die Landschaft genossen und seine durchweg iranischen Teamkollegen ausgefragt. Ein bisschen persisch spricht Erler nun auch, wenn auch nicht viel. Neben Landschaft und Gastfreundschaft hat Erler vor allem überrascht, dass der Iran nicht so arm ist, wie er im Westen dargestellt wird. Erler ist aber auch klar, dass er als radfahrender Tourist nicht alle Seiten des Iran kennenlernen kann:

    ""Allerdings bin ich mir sicher, dass ich jetzt zum Großteil nur die schönen Seiten des Iran gesehen habe. Wenn es jetzt bezüglich politischer Meinungsfreiheit oder solche Sachen geht: Da hab ich natürlich weniger Einblick in das ganze gesellschaftliche Leben. Da denkt man gar nicht oder denkt weniger, was da politisch abläuft. Ich glaube das kriegt man sehr schwer mit. Ich hab nichts schlechtes gesehen, aber ich weiß, dass es nicht so gut ist, wie ich es gesehen habe.”"

    Als Deutscher war Erler im Iran hoch angesehen. Viele Iraner hätten ihn sogar auf deutsch angesprochen, berichtet der Regensburger. Besonders groß war die Freude, als Erler Anfang Mai bei zwei iranischen Rundfahrten einige Vereinskameraden vom RSV Irschenberg mitbrachte. Erler selbst gewann bei der International Presidency Tour of Iran dann sogar zwei Etappen und fuhr in der Gesamtwertung auf Platz zwei. Das Niveau seines Tabriz Petrochemical Teams vergleicht Erler mit dem eines gut organisierten Kontinental-Teams, also irgendwo zwischen zweiter und dritter Profiklasse. Insgesamt hat der Iran nur drei Profiteams, von denen Erlers Team aus Tabriz das Erfolgreichste ist. Die Begeisterung für den Radsport ist aber besonders im Nordiran trotzdem relativ groß:

    ""So mit die besten asiatischen Fahrer kommen aus dem Iran. Wobei im Nachwuchsbereich, im U23-Bereich schon eine große Lücke ist. Es gibt so vier Leute, die allerdings schon alle über 33 sind, die diese Asien-Wertung der UCI schon mehrmals gewonnen haben. Also das Niveau ist da schon richtig hoch. Im Nachwuchsbereich, im U23-Bereich ist das Niveau gut, aber jetzt nicht so dicht wie in Europa.”"

    Falls er nicht doch noch eine Saison dranhängt, will Erler nun im September sein Referendariat beginnen. Schließlich ist er mittlerweile 31 Jahre alt. Und dass er Lehrer werden will, das weiß Erler ganz sicher. Bevor es soweit ist, steht aber noch eine Reise an: Im Herbst will Tobias Erler noch einmal privat in den Iran. Zum Urlaub machen - gemeinsam mit Freundin Katharina.