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Mit dem Sonnenwind im Rücken

Raumfahrt. - 6000 Jahre nachdem die Mesopotamier erstmals Segel setzten, hisst auch "Cosmos 1" am Dienstag ihre Hightech-Tücher. Allerdings lässt sich die kommerzielle Raumsonde nicht von den Lüften, sondern vom Sonnenwind durch das All schieben.

21.06.2005
    Am Dienstag, sofern alles nach Plan läuft, wird ein russisches U-Boot eine umgebaute Interkontinentalrakete in den Himmel schießen. An Bord befindet sich "Cosmos 1", eine kommerzielle Sonde der Planetary Society. Nachdem sie ihren Orbit erreicht haben wird, offenbart sie schließlich, was sie von anderen Raumschiffen unterscheidet: Denn wenn sie ihre Sonnensegel entfaltet, ähnelt sie beträchtlich einer Windmühle, gegen die dereinst Don Quichotte da la Mancha angetreten sein könnte. Nicht ohne Grund, denn die fächerartig angeordneten Segel dienen ihrem ungewöhnlichen Antrieb.

    "Unser Ziel ist simpel: Wir wollen den ersten Flug eines Sonnensegels erfolgreich durchführen. Dazu muss Cosmos 1 zunächst so hoch fliegen, dass keine Luftmoleküle ihre Bahn kreuzen. Alle anderen Ziele, wie etwa die Flugdauer und die gewonnenen Erkenntnisse und Daten, sind zweitrangig."

    Louis Friedman, Geschäftsführer der Planetary Society und Projektleiter von Cosmos 1, gibt sich optimistisch, dass der Teilchenstrom der Sonne sein Vehikel vor sich her treiben wird. Zwar besitzen die Photonen, die sich in den etwa 15 Meter langen Segeln des leichtgewichtigen Weltraumboliden verfangen, an sich keine Ruhemasse. Dennoch üben sie im offenen Weltall und ungebremst durch eine Atmosphäre einen Druck auf die gerade einmal fünf Mikrometer dünnen Sonnensegel aus. Eines Tages, so hoffen die Ingenieure, könnten so ohne kostspieligen Treibstoff Lasten durch das All befördert werden.

    "Da wir in der Erdumlaufbahn arbeiten, müssen wir den Segelrücken stets neu und exakt auf die Sonne ausrichten. Schließlich wollen wir den Vortrieb von Cosmos 1 ständig weiter erhöhen, und nicht drosseln. Unsere Absicht ist ein kontrollierter, photonengetriebener Flug der Sonde."

    Mit an der Entwicklung von Cosmos 1 beteiligt war das russische Weltraumforschungsinstitut in Moskau. Dort wurden die Systeme des innovativen Gefährts getestet und die Segel für den Transport ins All zusammengefaltet, bevor es in seinen Träger verfrachtet wurde. Der Abschuss selbst ist vergleichsweise ungewöhnlich, erfolgt er doch von einem U-Boot, das früher Nuklearwaffen trug, schildert Ann Druyan von der Planetary Society:

    "Das Sonnensegel ist eine kommerzielle Fracht, die mit einer russischen Interkontinentalrakete von einem russischen U-Boot in der Barentsee befördert wird. Der Abschuss erfolgt unter Wasser. Nach dem Entfalten wird dann das Segel selbst mehr als doppelt so groß sein wie alle bisherigen."

    Auch von der Erde aus ist Cosmos 1 zu bewundern: Ihr leuchtendes Segel wird die Sonde, die den Planeten jeden Tag mehrfach umkreisen wird, von anderen Satelliten deutlich unterscheiden. Dazu der Projektdirektor Bruce Betts:

    "Für einen Beobachter am richtigen Ort und an der richtigen Zeit wird Cosmos 1 so hell erscheinen wie der Vollmond, wenn auch kleiner. Zu anderen Zeiten werden die Segel aber von der Erde weg zeigen und daher kaum Licht zu uns reflektieren. Meistens wird die Sichtbarkeit irgendwo dazwischen liegen - etwa so hell wie ein heller Stern."

    Cosmos 1 ist jedoch nicht der erste Versuch mit Sonnensegeln. Bereits im vergangenen Jahr hatte die japanische Weltraumagentur JAXA ein ähnliches Experiment in die Umlaufbahn gebracht, das aber nach nur etwa sechs Minuten in der Atmosphäre verglühte. Ebenso scheiterten Ansätze der russischen Raumfahrt. Die US-Raumfahrtadministration NASA blieb indes am sicheren Boden: Ihr fast 20 Meter messendes Segel an einem speziellen Graphitmast bewährte sich lediglich in einer Testkammer in Ohio. Sollte das Vorhaben der Planetary Society gelingen, wäre es nach dem erfolgreichen Flug von Spaceship One das zweite kommerzielle Projekt, das sich gegen die übermächtigen staatlichen Organisationen durchsetzen kann.

    [Quelle: Guido Meyer]