Archiv


Mit dem Trabbi nach Leipzig

Die ostdeutschen Universitäten und Fachhochschulen bluten langsam aus: Laut Statistischem Bundesamts nimmt knapp jeder fünfte studierwillige Abiturient aus dem Osten ein Studium in Westdeutschland auf - anders herum ist es dagegen nur jeder 25., wenn man die Berliner Hochschulen außen vor lässt.

Von Armin Himmelrath |
    FH Stralsund. Sonnig dufte. Bikinis ohne Ende.
    Die schönsten Wellen und die längsten Strände.
    Und eine unglaubliche FH. Straaaaalsund!
    FH Stralsund, FH Stralsund.


    Ein alter Rocksong mit neuem Text, leicht ironisch präsentiert. Kann man mit einem solchen Lied junge Leute zum Studium in Deutschlands Nordosten locken? Kann man so Lust auf eine akademische Ausbildung machen in einem Ort, von dem die angesprochenen Abiturienten möglicherweise noch nie gehört haben? Die Verantwortlichen der Fachhochschule Stralsund jedenfalls sind davon überzeugt. Denn unabhängig davon, wie die konkreten Marketing-Maßnahmen aussehen - dass mittlerweile fast jede Hochschule um den studentischen Nachwuchs werben muss, ist allen Beteiligten klar. Denn heutige Studienanfänger sind wählerisch, sagt Leonie Völsgen, 19-jährige Abiturientin aus Köln.

    "Die wollen schon auch gerne in der Nähe bleiben. Also, ich hab jetzt weniger Freunde, die weit wegziehen fürs Studieren. Und natürlich mögen die meisten auch große Städte wie Köln und Münster, wo auch das Studentenleben viel wilder ist, sag ich mal. Und nach Ostdeutschland sind weniger Leute gezogen. Also, ich kenn eigentlich nur ganz, ganz wenige, die das gemacht haben, sondern eher, dass man in die Trendstädte geht und noch so am Wochenende nach Hause kann beziehungsweise erst noch zu Hause wohnen bleibt und dann später in die nächste Stadt zieht, wo man dann auch studiert."

    Wenn diese Einschätzung stimmt und wenn die heutigen Studienanfänger so wählerisch sind, dann tut sich eine regelrechte Zweiklassengesellschaft unter Deutschlands Universitäten und Fachhochschulen auf: ein paar Wenige, die sich wegen ihrer Lage in großen, attraktiven Städten kaum Gedanken um ausreichenden studentischen Nachwuchs machen müssen, und die vielen, die gegen diesen Trend ankämpfen müssen. Mehr als 350 Hochschulen gibt es bundesweit, und sie alle sind auf der Suche nach neuen Studentinnen und Studenten. In dieser Woche haben fast überall die Vorlesungen zum Wintersemester begonnen. Doch wie lassen sich heutzutage angehende Akademiker überzeugen? Welche Argumente sind für sie ausschlaggebend, um eine bestimmte Uni zu wählen? Leonie Völsgen hat sich für die Fachhochschule in Neubrandenburg entschieden. Seit Mitte September studiert sie hier Biotechnologie - weit weg von ihrem Zuhause im Rheinland.

    "Von der Uni her finde ich es einfach super, dass die so klein und nicht überfüllt ist natürlich, von daher, weil die Betreuung durch die Professoren und auch Mentoren einfach total super ist. Und ich hab auch schon mit Freunden aus Köln gesprochen, die dort studieren jetzt auch im ersten Semester. Und die meinen halt, dass sie da untergehen und die sitzen dann auf der Treppe in der Vorlesung, weil's zu voll ist, wenn die zu spät kommen. Und hier ist immer ein Platz frei natürlich. Und man ist immer zu so 50, 60 Leuten oder auch zu 20 anstatt zu 300."

    Eine hoch spezialisierte Ausbildung, dazu ein exzellentes Betreuungsverhältnis - für Leonie Völsgen waren das die entscheidenden Kriterien. Doch die 19-Jährige ist eine Ausnahme: Denn die Wanderungsbewegungen der Studienanfänger verlaufen mehrheitlich von Ost nach West. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts nimmt knapp jeder fünfte studierwillige Abiturient aus dem Osten ein Studium in Westdeutschland auf - anders herum ist es dagegen nur jeder 25., wenn man den Sonderfall der Berliner Hochschulen außen vor lässt. Mit anderen Worten: Die ostdeutschen Universitäten und Fachhochschulen bluten langsam aus. Mit teils seltsam anmutenden Aktionen versuchen sie deshalb, den akademischen Nachwuchs anzusprechen. So lobte die Universität Leipzig drei Stipendien für Studienanfänger aus. Ein Jahr lang können sie kostenlos in einer Leipziger Wohngemeinschaft leben, per Trabi wurden sie aus ihren Wohnorten im Westen abgeholt, und im Gegenzug sollen sie in einem Internet-Blog regelmäßig über ihre Erfahrungen in Ostdeutschland berichten. Andere Uni-Standorte locken mit 100 Euro Begrüßungsgeld für die Kinder von Studenten, mit einem Dinner beim Rektor oder mit Gutscheinen für Kinos, Restaurants und kommunale Freibäder. Und die Fachhochschule Erfurt hat einen bundesweiten Abi-Preis ausgeschrieben, um kreative Abitur-Abschlussfeiern auszuzeichnen - und um so die Abiturienten en passant auf die tollen Erfurter Studienmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Zusätzlich werben die neuen Länder noch mit einer gemeinsamen Kampagne unter dem Titel "Studieren in Fernost" für ihre Hochschulen. Die Protagonisten dieser Kampagne sind zwei junge Männer asiatischer Herkunft namens Gang und Dong.

    Wilfried Schubarth, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Potsdam, findet diese Kampagne reichlich skurril.

    "Die mag zwar witzig sein, aber von der Art des Machens und von der Wirkung halt ich sie für sehr fraglich. Ich finde sie einmal problematisch, weil sie so den Osten mit Fernost vergleicht, damit das Fremde betont und das Exotische und damit auch die Region ein Stück weit abwertet und die Klischees bedient, die da zum Teil vorhanden sind und die man nicht befördern sollte. Gerade 20 Jahre nach dem Mauerfall ist das für mich kein guter Beitrag, wenn man sagt: Dort ist was zu entdecken, das ist fremd, das ist anders als allgemein. Das finde ich höchst problematisch."

    Genau auf die ironische Brechung des Ost-Klischees aber setzten die Macher der Kampagne. Und das klingt in einem Kino-Werbefilm dann so:

    "Wie weit musst du gehen, um deine wahre Berufung zu finden? Gang & Dong Pictures presents: Studieren in Fernost. Zwei Männer. Fünf neue Bundesländer. 44 Hochschulen. Eine Mission: Die passende Hochschule zu finden - für dich! Mega-Stunts! Special Effects! Der Soundtrack des Jahres! Und ganz viel Gefühl! Nur ab 18."

    So rasant werben also die Ost-Hochschulen um West-Studenten. Und nicht nur das: Im Frühjahr dieses Jahres zogen eigens beauftragte Marketing-Teams über westdeutsche Schulhöfe, um den angehenden Abiturienten das Studium im Osten schmackhaft zu machen. Haben Bildungspolitiker im Westen da nicht das Gefühl, in ihrem Revier werde gewildert? Andreas Pinkwart, Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen.

    "Nein, ganz im Gegenteil. Ich unterstütze die neuen Länder in ihrer Werbetour hier in Nordrhein-Westfalen, weil es auch Teil unserer zwischenstaatlichen Verabredung hier in Deutschland ist, denn in den neuen Ländern werden demografiebedingt in den nächsten Jahren erhebliche Teile der Hochschulkapazitäten nicht mehr benötigt. Gleichzeitig haben wir aber durch die doppelten Abiturjahrgänge in den großen westdeutschen Flächenländern einen erheblichen Bedarf an qualifizierten Studienplätzen. Deswegen ist eine gesamtdeutsche Verabredung, dass die neuen Länder vom Bund und den westdeutschen Ländern Geld dafür erhalten, ihre Kapazitäten jetzt nicht zurückzufahren, sondern weiter aufrecht zu erhalten."

    Denn das ist wohl die größte Herausforderung, vor der die Bildungs- und Hochschulpolitiker in den kommenden Jahren stehen: Um 2012/2013 herum werden die durch die Einführung der achtjährigen Gymnasialzeit entstandenen doppelten Abiturjahrgang die Hochschulen erreichen. Hinzu kommt generell die Bugwelle der geburtenstarken Jahrgänge in Westdeutschland - und eine zunehmende Studierneigung. Das alles, schätzt die Kultusministerkonferenz, könnte die Zahl der Studenten von heute rund zwei Millionen auf 2,7 Millionen ansteigen lassen. Mit dem zwischen Bund und Ländern verabredeten Hochschulpakt sollen deshalb in den kommenden Jahren 275 000 neue Studienplätze entstehen. Das Problem: Viele Ost-Hochschulen sind schon heute nur gut zur Hälfte ausgelastet und haben viel zu viele Studienplätze, etliche West-Unis dagegen sind seit Jahren dramatisch überfüllt. Und ausgerechnet da, wo die Unis zu viele Studienplätze haben, fehlt der akademische Nachwuchs, während im Westen mehr und mehr junge Leute an die Hochschulen drängen. So sank in Sachsen die Zahl der Erstsemester im vergangenen Jahr um zwei Prozent, in Nordrhein-Westfalen dagegen stieg sie um zehn Prozent. Die Erstsemester müssen also umverteilt werden: von den vollen westlichen Hochschulen in Studiengänge in Ostdeutschland. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart:

    "Das setzt aber auch dann voraus, dass diese tollen Möglichkeiten, Ausbildungsmöglichkeiten bekannt sind und dass es eine hinreichende Akzeptanz für ein Studium in den neuen Ländern gibt. Insofern werbe ich dafür auch bei den jungen Menschen in Nordrhein-Westfalen, dass sie sich auch mit den Studienbedingungen in den neuen Ländern auseinandersetzen, mindestens einen fairen Vergleich vornehmen. Und wenn es ihnen dort gut gefällt, auch einen Studienplatz anstreben."

    Allen Beteiligten ist klar: Mit Zwang lässt sich die akademische Völkerwanderung nicht initiieren - hier muss echte Überzeugungsarbeit geleistet werden. Und wenn dann die Umverteilung gelingt, hat das für Pinkwart durchaus auch einen ganz praktischen Nutzen: Zwar sollen an den mehr als 30 NRW-Hochschulen möglichst schnell 90 000 neue Studienplätze entstehen, doch die Zunahme der Erstsemester wird der Minister damit trotzdem nicht abfedern können. Er ist schlicht darauf angewiesen, dass die gigantische Verschickungsaktion für die angehenden Studenten der kommenden Jahre gelingt - sonst droht seinen Hochschulen der Kollaps. Die Bundesländer in Ostdeutschland wiederum hoffen darauf, ihre negative demografische Bilanz durch die Anwerbung gut qualifizierter Nachwuchsakademiker aufpeppen zu können. Der Potsdamer Erziehungswissenschaftler Wilfried Schubarth:

    "Sicher brauchen die Hochschulen erstmal Studierendenzahlen, davon sind ja auch Finanzen abhängig. Das ist ökonomisch alles nachvollziehbar. Ob die Studierenden kommen - und bis jetzt sind ja noch nicht so viele gekommen - und dann auch bleiben, das ist ne ganz andere Frage."

    Schubarth hat starke Zweifel, dass der demografische Aderlass des Ostens mithilfe der westdeutschen Studienanfänger gestoppt werden kann. Denn dass in ostdeutschen Städten die Menschen abwandern, liege an der fehlenden Perspektive für Beruf und Leben; und an diesem Mangel ändere auch die Werbeaktion "Studieren in Fernost" nichts. Trotzdem verteidigen Kultusminister wie Henry Tesch aus Mecklenburg-Vorpommern das Hochschul-Werbeprojekt. Sie verweisen darauf, dass diese Form der Zielgruppenansprache für Hochschulen neu, innovativ und preiswürdig sei.

    "Was ich wichtig finde, ist, dass es ne Kampagne ist, die die jungen Leute anspricht. Ich kenne ja auch Stimmen, die sagen: Muss das so konzipiert sein oder nicht? Die Ergebnisse sprechen für diese Kampagnen. Wir sehen, dass sich in den neuen Ländern Universitäten mit Bewerbungen von Studierenden auf einmal sehen lassen können in Größenordnungen, die sie vorher nicht hatten."

    So meldet etwa die Universität Rostock für das jetzt begonnene Wintersemester knapp 2800 Studieninteressenten - ein Drittel davon stammt aus Westdeutschland. Zahlen, die in dieser Größenordnung auch für die meisten anderen ostdeutschen Hochschulen gelten. Henry Tesch wertet diese Zahlen als Erfolgsbeweis.

    "Also, ne ganz, ganz wichtige Geschichte, zumal wir ja in den neuen Bundesländern Studienplätze vorhalten, die an anderer Stelle ja gar nicht aufgebaut werden müssen, zum Beispiel in Bereichen Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, aber auch in anderen Bereichen, sodass das insgesamt für Deutschland auch ein guter Weg ist."

    Doch Erziehungswissenschaftler Wilfried Schubarth bleibt skeptisch. Die Idee, mit hochwertigen Studienangeboten Abiturienten in strukturschwache Regionen Ostdeutschlands zu locken, ist für ihn kein vorrangiges Projekt. Wichtiger, sagt Schubert, ist es, dass lokale Bildungsprojekte unterstützt werden und dass damit der Druck von ostdeutschen Schulabsolventen genommen wird, für eine gute Ausbildung oder ein Studium ihre Region zu verlassen.

    "Sicher muss man vor Ort beginnen, muss nicht große Werbekampagnen starten, sondern die Leute eben gezielt ansprechen, vor Ort in den Schulen, in den Berufsschulen, zusammen mit der Wirtschaft, die eine große Verantwortung hat. Wir stellen immer wieder fest, gerade auch in den Analysen, was wird dort diskutiert in den Regionen: Dass da ein negatives Image nämlich in den Regionen gerade des Ostens verbreitet ist, dass ne Stigmatisierung von Jugendlichen da ist, und dass die Jugendlichen eigentlich gezwungen sind, abzuwandern, obwohl sie häufig es gar nicht wollen."

    Und noch etwas fehlt für eine gute gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, sagt der Potsdamer Professor: die Begegnung zwischen Ost und West. Das Verhältnis, sagt Wilfried Schubarth, sei immer noch von gegenseitiger Fremdheit geprägt.

    "Es ist so, dass 20 Jahre nach dem Mauerfall die Kontakte immer noch nicht so sind, wie man sich das vorgestellt hat, dass die wechselseitigen Beziehungen ausbaufähig sind. Und da ist einmal die öffentliche Debatte, auch die Medienberichterstattung, sehr einseitig, klischeehaft: Im Osten, braunen Osten, mit groben Bilder - dass man da differenziert berichtet, auch über positive Entwicklungen berichtet, und die Klischees nicht mehr verstärkt dadurch."

    Denn tatsächlich gibt es auch für westdeutsche Abiturienten viel zu entdecken jenseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Die Kölnerin Leonie Völsgen jedenfalls wundert sich immer noch über die Vorbehalte, die sie von vielen ihrer Freunde zu hören bekam, als sie sich für ein Studium in Neubrandenburg entschied.

    "Ja, wenn die mich Fragen gefragt haben hier über die Stadt, konnte ich nicht so wirklich Auskunft geben. Und dann haben die gefragt, ob ich da schon mal war, wie es da ist, und ich konnte das natürlich nicht beantworten. Und dadurch waren die schon eher - na ja, haben das so bewundert mit so einem Kopfschütteln, dass ich so was einfach mache, obwohl ich nicht weiß, was da ist. Deshalb muss ich denen jetzt auch noch viel öfter sagen, dass es hier wirklich gut ist, dass es keine Schnapsidee war - und bei denen eher so: Ja, wow, aber ich würde es nicht machen."

    Studieren in Fernost. Heute geht's zu Deutschlands Dynamo - an die Elektrotechnik-Hochburg Hochschule Lausitz.

    Werben, werben, werben - und irgendwann wird diese Überzeugungsarbeit dann schon Früchte tragen. Eine andere Chance haben die ostdeutschen Hochschulen gar nicht, ist sich Bildungsminister Henry Tesch aus Mecklenburg-Vorpommern sicher. Bewusstseinswandel sei ein langsamer Prozess. Und dass Abiturienten aus dem Westen Vorbehalte gegenüber Greifswald, Chemnitz oder Brandenburg haben, will er ihnen gar nicht zum Vorwurf machen.

    "Ich glaube noch nicht mal so, dass das so ne Frage Ost-West ist. Wenn Sie in einem Bundesland sind, wo sie auf geringe Kilometerentfernung ein großes Angebot an Hochschulen haben, ist es kein Vorwurf an die jungen Leute: Da schaut man zuerst. Und bei aller Internationalisierung: Junge Leute gehen auch dort hin, wo andere junge Leute hingegangen sind. Und dieses ist natürlich ein etwas zäherer Prozess. Und Sie sehen natürlich an Bereichen - wenn Sie zum Beispiel in Greifswald in den ganz hohen Norden gucken, bei Medizin - die brauchen ja schon fast gar nicht werben, da bewirbt sich die ganze Bundesrepublik."

    Absolventen werden so zu den wichtigsten Botschaftern eines neuen akademischen Selbstbewusstseins im Osten, sagt Henry Tesch. Deshalb dürfe eine solche Werbekampagne wie "Studieren in Fernost" auch keine einmalige Aktion bleiben. Noch wichtiger sind bei dieser forcierten Mund-zu-Mund-Propanda-Kampagne aber jene Studenten, die absolut überzeugt von ihrer Fächer- und Ortswahl sind. Sie sorgen dafür, dass sich der Imagewandel verselbstständigt. So wie die angehende Bioprodukttechnologin Leonie Völsgen.

    "Das gibt es nur in Neubrandenburg, mit diesem hohen Praxisanteil, deshalb hat mich das total überzeugt. Und dann hab ich mir angeguckt, wie man hier wohnen kann und wie die Uni aussieht, und es hat mir eigentlich von Minute zu Minute besser gefallen. Und dann hab ich mich dafür entschieden und bereu es auch nicht."

    Wenn Hochschulen so überzeugte Studentinnen und Studenten haben, dann können von ihnen auch positive Impulse für das regionale Umfeld ausgehen, ist der Erziehungswissenschaftler Wilfried Schubarth überzeugt. Er plädiert in diesem Zusammenhang für eine enge Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen aus dem Umfeld. Für die Zukunft der Unis und Fachhochschulen sei das enorm wichtig.

    "Einerseits sind sie sicher ganz feste Anker, die als Sondierungspunkte auch Jugendliche anziehen und Ausstrahlung haben. Und es gibt auch Ansätze, wo man eben über Kontakt zur Wirtschaft schon neue Existenzen gründet. Das sind sicher gute Ansätze. Davon kann eine Region gut sich entwickeln und aufbauen."

    Dafür aber, sagt Wilfried Schubarth, braucht es Gesamtkonzepte und nicht nur punktuelle Lösungen, mit denen kurzfristige Erfolge erzielt werden. Solche Strohfeuer sieht der Erziehungswissenschaftler etwa in den Zahlen westdeutscher Studienanfänger, die die Ost-Hochschulen regelmäßig bekannt geben - ganz so, als seien West-Studenten im Osten immer noch bewunderungswürdige Exoten. Als Exotin allerdings fühlt sich die Kölnerin Leonie Völsgen in Neubrandenburg nicht - eher als Entdeckerin mit Mut zu Neuem.

    "Dann habe ich mich eigentlich eher auf das Risiko eingelassen und mich gar nicht mehr so informiert. Ich habe nur mal geguckt, wie viele Einwohner in Neubrandenburg wohnen, und habe mir die Seite der Stadt im Internet angeguckt. Aber eigentlich war das eher so ein Risiko und ich wusste nicht so genau, wo ich hingekommen bin."

    Leonie Völsgens Mut jedenfalls wurde belohnt. Und ein bisschen seltsam ist es schon, dass sich die junge Kölnerin letztlich allein aus fachlichen Kriterien für den akademischen Wechsel von West nach Ost entschieden hat und dass sie trotzdem als eine derjenigen gilt, die den Erfolg der ostdeutschen Hochschul-Werbekampagne bei der Zielgruppe der West-Abiturienten belegen. Dabei kannte Leonie Völsgen die "Studieren in Fernost"-Filme vor ihrer Studienwahl gar nicht.

    Vielleicht kommt es darauf aber auch gar nicht an. Sondern auf die mutigen Schulabgänger, die ihren eigenen Weg gehen, weil sie sich für ein bestimmtes Ziel entschieden haben. Und es ist egal, ob das in Tokio, Hanoi oder auch nur in Ostdeutschland liegt.