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Mit der Band erwachsen werden

Nach zehn Jahren Tourleben hat sich die Band Grizzly Bear drei Jahre Zeit gelassen für das neue Album "Shields". Sie waren sich einfach auf die Nerven gegangen und hatten ein Teil der Bodenhaftung verloren.

Von Andreas Zimmer |
    Daniel Rossen weiß nach ungefähr zehnjährigem Tourleben aus eigener Erfahrung, dass die allabendliche Euphorie, die seiner Band Grizzly Bear auf der Bühne entgegenschlägt, ihn und seine Kollegen in ganz andere Sphären versetzen kann. Realitätsbezug? Bodenhaftung? Keine Spur mehr davon! Daher musste nach der letzten Tournee eine Pause her. Nicht zuletzt auch, weil man sich gegenseitig ganz schön auf die Nerven ging.

    "Wir mussten einfach zurück in unsere normalen Leben gehen und fühlen, was es bedeutet, nicht in einer Band, sondern nur ganz normale Menschen zu sein. - Als wir im Vorfeld des Albums dann wieder zusammenkamen, mussten wir uns erst wieder aneinander gewöhnen und uns darüber klar werden, was genau wir wollen. Es war fast wie ein Neubeginn. Ein bisschen beängstigend. Für eine Weile."

    Niemand, der nicht selbst in einer Band sei, könne sich vorstellen, wie unbeschreiblich diese ständige Verehrung sei, fährt der eben 30 gewordene New Yorker fort. Doch irgendwann sei der Punkt des Innehaltens gekommen.

    "Unsere Karriere ist so bizarr, chaotisch und gleichzeitig fantastisch. Als ob man für immer Teenager ist. Ich glaube, wenn man in seinen frühen 20ern ist, genießt man das 'ich bin in einer Band und toure durch die Welt'-Gefühl einfach nur. Aber später muss jeder für sich rausfinden, inwieweit er bodenständig werden will und als Erwachsener in einer Band sein kann."

    Diesen vermeintlichen Widerspruch zwischen Erwachsenendasein und Band mussten Grizzly Bear zunächst einmal lösen, um weiterhin Musik machen zu können. Die Aufnahmesessions zum neuen Album "Shields" sind der hörbare Teil dieser Eigentherapie. Geht es denn darin tatsächlich um das Älter- und Erwachsen-werden? Das weiß Daniel Rossen auch nicht so genau.

    "Ich finde, es ist ein kühleres Album als der Vorgänger. Das war wesentlich offener. Das neue fühlt sich dunkler an. Es ist emotional nicht ganz so erfüllend. Aber ich sollte das nicht sagen. Das ist Ihre Aufgabe."

    Also dann: Grizzly Bears viertes Album ist alles andere als "kühl", "verschlossen" und "leer". Punkt. "Shields" erinnert dabei ein wenig an die frühen Supertramp und klingt ohnehin recht britisch. Dafür sorgen schon die Anleihen bei John Lennon und den Beatles. Doch anders als andere Artrockbands verzichten Grizzly Bear auf extreme Musikbrüche und größtenteils auch auf experimentelle oder expressionistische Phrasen. Das Album klingt so, als sei die Band zwanghaft auf der Suche nach Harmonie. In der Musik wie auch im Umgang miteinander. Tiefe hat das auf jeden Fall. - Rossen gibt sich einsichtig:

    "Vielleicht ist es roher und zeigt mehr von uns, in diesem Sinne ist es sicher offener. Es gibt eben so ein Stressgefühl auf dem Album, eine Art Kälte. Es sind sicher keine Liebeslieder."

    Man zerbricht sich allerdings den Kopf darüber, warum ein Album, das so viele Einblicke in das Bandinnenleben zulässt, dann auf den eher abwehrenden Titel "Shields" - also: Schutzschilde hört. Auch da hält sich Daniel Rossen bedeckt. Auf jeden Fall ist er diesmal nicht mehr Grizzly Bears Hauptsongschreiber.

    "Wir waren mit dem Album im Prinzip schon fertig, bevor wir den Titel hatten. Die CD ist erstmalig ein echtes Gemeinschaftsprodukt. Das war für uns ein ganz neues Gefühl. Ich glaube, niemand wusste zunächst, was 'Shields' für ein Album war und was es bedeutete. Und weil die Songs so offene Enden haben, mögen wir die Idee, dass die Leute da rein interpretieren, was immer sie wollen."

    Wer Grizzly Bears "Shields" hört, könnte irrtümlicherweise an vergeistigte, langhaarige Vollbartträger denken, typische Nerds eben. Dabei gibt das Quartett optisch die netten Schwiegersöhne von nebenan, die trotzdem ganz lässig eine Klangreise in die 70er unternommen haben und mit einem Meisterwerk zurückgekommen sind.