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Mit Ecken und Kanten ins All

Raumfahrt. - Alle Raumschiffe, die bislang für den Transport von Menschen ins All erfunden worden sind, haben eines gemeinsam: Sie hatten stets abgerundete Formen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) jedoch geht neue Wege: Das Fluggerät SHEFEX-II, ist alles andere als rund.

Von Guido Meyer |
    """Wir sind hier in der Abteilung für Überschall- und Hyperschalltechnologie beim DLR in Köln. Wir durchströmen zur Zeit ein Raketenmodell, das innen mit Druckluft durchströmt wird. Das soll letztendlich später den Antrieb einer Rakete simulieren.”"

    Patrick Gruhn vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik bedient einen der Windkanäle beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In ihm hängt das Modell eines neuartigen Raumschiffs. Es trägt die Abkürzung SHEFEX. Das steht für SHarp Edge Flight EXperiment, ein Flugexperiment mit scharfen Kanten also. Die Außenhülle von SHEFEX besteht aus einzelnen Platten, die wie Ziegel auf einem Hausdach nebeneinander auf der Spitze der Rakete angebracht sind. Im Windtunnel soll sich zeigen, wie sich eine derart geformte Rakete im Flug verhalten würde. Das Modell misst etwas weniger als einen Meter. Es ist im Maßstab eins zu acht gebaut, verglichen mit der endgültigen Flugversion. Dominik Neeb, ebenfalls aus der Abteilung Über- und Hyperschalltechnologien, holt das Modell aus dem Windkanal.

    l""Es ist nicht so, wie die üblichen Wiedereintrittskörper, mit stumpfer Nase und stumpfen Vorderkanten ausgelegt, sondern hat gerade dieses gegenteilige Konzept: spitze Nase, viele Kanten. Das stellt normalerweise ein Problem auf der thermischen Seite dar. Da können sehr hohe Temperaturen entstehen. Bei diesem Konzept kommen aber neuartige Materialien zum Einsatz, sodass Wärme wirklich auch in das Material einfließt und gar nicht diese Temperaturspitzen an diesen Ecken und Kanten auftauchen.”"

    2005 hatte das DLR SHEFEX-I ins All geschickt. Während dieser ersten Mission hat sich gezeigt, dass die bislang gültige Annahme von Ingenieuren falsch war, dass ein Raumschiff vorne am Bug rund sein muss so wie ein Flugzeug. SHEFEX-II soll elffache Schallgeschwindigkeit erreichen und damit fast doppelt so schnell fliegen wie sein Vorgänger. Da die Rakete außerdem in eine größere Höhe aufsteigen wird - nämlich rund 200 Kilometer hoch – wird auch die Rückkehr zur Erde mehr Zeit in Anspruch nehmen. Ungefähr eine Minute lang wird die Raketenspitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre aufgeheizt werden, dann langsam am Fallschirm zu Boden gleiten.

    Entsprechend mehr Daten werden die Sensoren auf den Panelen an der Spitze der Rakete sammeln. Sie sollen Erkenntnisse für den Bau künftiger Raumfahrzeuge liefern, so Frank Siebe, ebenfalls vom DLR in Köln.

    ""Sie werden sich anders verhalten, und wir wollen genau rausfinden, wie sie sich verhalten, um zu wissen - wenn man eine größere Rakete als nächsten Schritt bauen würde -, wie dort die Temperaturen sind. So ist das erst mal ein kleiner Vortest, bei dem man alles mal misst. Und dann kann man, wenn eine Großrakete gebaut wird, die Daten übertragen von unseren Messungen.”"

    Ein unbemannter Raumtransporter könnte der nächste Schritt sein. Er würde automatisch ablaufende Experimente in eine Erdumlaufbahn schießen, wo sie dann unter den Bedingungen der Mikrogravitation – schwerelos also – ablaufen sollen. Ali Gülhan, der Leiter des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik.

    ""Wir hoffen, dass wir SHEFEX-II erfolgreich fliegen. Dann gibt es ein SHEFEX-III. Und bei SHEFEX-III wollen wir ein bisschen in Richtung Fahrzeug denken und einfach fahrzeugrelevante Konfigurationen erproben. Fernziel, vielleicht eine Vision ist, dass man langfristig ein Raumfahrzeug baut, was fliegt.”"

    "Fliegen" könnte beispielsweise ein sogenannter SpaceLiner. Dieses Weltraumflugzeug schlägt das DLR vor, um Passagiere von einem Ort der Welt zum nächsten durch den Weltraum zu transportieren. Es könnte das erste "kantige” Raumschiff werden, das sich die Erkenntnisse der SHEFEX-Experimente zu Nutze macht.
    Das SHEFEX-Team vor einem Modell der SHEFEX-II im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln
    Das SHEFEX-Team vor einem Modell des SHEFEX-II im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. (Deutschlandradio - Guido Meyer)