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Mit Hightech gegen Schmuggler

Am Freitag wird der Schengen-Raum um neun Staaten erweitert, unter anderem Polen tritt dem Abkommen bei. An der polnisch-ukrainischen Grenze sind die Vorboten dieser neuen Freiheit bereits zu erkennen. Nicht all profitieren. Florian Kellermann berichtet.

17.12.2007
    An der polnisch-ukrainischen Grenze werden Lastwagen auf Herz und Nieren überprüft. Im Schritttempo fahren sie durch den großen Stahlbügel - ein riesiges Röntgengerät, das ihr Inneres durchleuchtet. Danach kommen sie in eine Art Garage, wo den Brummis rechts und links Klammern angelegt werden.

    "Dieses Gerät heißt Heart-Beat, es reagiert auf Herzschlag. Wenn sich ein Mensch oder ein Lebewesen im Fahrzeug befindet, dann überträgt sich dessen Herzschlag auf die ganze Karosserie. Und das spürt dieses Gerät. Es sendet ein Signal an ein spezielles Computerprogramm hier in diesem Laptop. Und die Beamten können die Suche nach dem versteckten Passagier beginnen."

    Boguslaw Szlazyg ist stolz auf die Sicherheitsvorkehrungen am polnisch-ukrainischen Grenzübergang Medyka. Er ist hier der Kommandant der polnischen Grenzpolizei und lässt seine Mitarbeiter schon seit Jahren an den neuen Geräten schulen. Als letztes Element in diesem Sicherheitskonzept wurde der Grenzübergang vor Kurzem an das Computersystem der Schengen-Staaten angeschlossen.

    "Dadurch können wir auf die Polizeidaten aller Schengen-Staaten zurückgreifen. Wenn wir hier einen Pass überprüfen, sehen wir sofort, ob die Person irgendwo in Frankreich, Belgien oder Deutschland gesucht wird. Auf dieser Grundlage stellen wir zum Beispiel täglich gestohlene Autos sicher, die in die Ukraine gebracht werden sollen. Das war früher unmöglich."

    Der Grenzübergang Medyka liegt zwischen dem polnischen Przemysl und dem ukrainischen Lemberg. Er ist der älteste Übergang zwischen den beiden Staaten und wird seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ständig ausgebaut. Gerade sind vier neue Spuren für Last- und Personenwagen im Bau.

    Die Hochtechnologie ist aber nur die eine Seite von Medyka. Die andere ist die menschliche Seite. Man kann sie am Grenzübergang für Fußgänger beobachten. Dicht gepfercht steht da eine Menschenschlange und fordert lautstark, endlich kontrolliert und durchgelassen zu werden. Es sind Ukrainer, die sich mit dem Grenzhandel ein Zubrot verdienen. Genau eine Stange Zigaretten und eine Flasche Wodka nehmen sie mit - so viel dürfen sie bei einem Grenzübertritt.

    Drüben in Polen verkaufen sie diese Waren. Eine Rentnerin, die im Nieselregen eine Stange Zigaretten hochhält, ist erbost.

    ""Fünf Stunden habe ich heute am Grenzübergang gewartet, bis die Polen mich reingelassen haben. Ich glaube, sie machen das extra, damit wir nicht mehr kommen. In der Schlange bin ich so gequetscht worden, dass meine Hände voller blauer Flecken sind. Das geht jetzt seit ein paar Monaten so, früher war der Grenzübertritt kein Problem. Aber was soll ich machen, von meiner Rente kann ich nicht leben."

    Noch schlimmer werde ihre Lage nach dem polnischen Schengen-Beitritt, so die Rentnerin.

    "Dann müssen wir 35 Euro für ein Visum bezahlen. Unser kleiner Grenzhandel wird sich kaum mehr lohnen. Den übernehmen dann die Polen, die sich ja weiterhin frei zwischen beiden Staaten bewegen können."

    Auch auf dem Rückweg in die Ukraine nehmen diese sogenannten Ameisen etwas mit: Bettwäsche zum Beispiel, die es auf einem kleinen Basar direkt an der Grenze zu kaufen gibt und die in der Ukraine viel teurer ist. Der Hit der Saison sind aber künstliche Christbäume aus Polen.

    Zurück bei Kommandant Boguslaw Szlazyg: Das Schicksal der Grenzhändler ist ihm nicht egal, er halte sich nur an die Bestimmungen, sagt er. Szlazyg deutet auf ein Plakat, das am Grenzübergang hängt: Die Zollbeamten protestieren für mehr Lohn. Auch er habe es nicht einfach, will der Kommandant mit der Geste sagen. Die Grenzpolizisten dürfen zwar als Uniformierte nicht protestieren. Aber für sie gibt es einen einfacheren Weg. Gut ausgebildet finden sie leicht lukrative Jobs bei privaten Sicherheitsdiensten. Aber auch gegen die niedrigen Löhne werde bald etwas unternommen, verspricht Szlazyg.