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Mit Hilfe des Mediators

Ein klassischer Fall: Geschwister erben gemeinsam das Elternhaus. Eigentlich fast immer eine klare Sache und dennoch in der Realität oft Anlass zu erbitterten Auseinandersetzungen und teuren Gerichtsprozessen. In solchen Fällen könnte ein neutraler Vermittler helfen.

Von Susanne Schrammar | 11.03.2010
    Detlev Bernings Büro im hannoverschen Stadtteil Eilenriede ist vor allem eines: gemütlich. Das rote Ledersofa ist bequem, im Kamin prasselt leise ein Feuer und auf dem großen runden Holztisch steht ein Strauß Frühlingsblumen. Eine Atmosphäre, die dazu einlädt, sich zu öffnen - und genau die braucht Detlev Berning. Denn zu ihm kommen Menschen, die sich über eine Erbschaft so sehr zerstritten haben, dass eine normale Kommunikation nicht mehr möglich erscheint. Der Rechtsanwalt arbeitet als Mediator in Erbschaftsangelegenheiten.

    "Ein Mediator versucht, die Konfliktparteien wieder ins Gespräch zu bringen, er ist also kein Schiedsrichter, er hat keinerlei Entscheidungsfunktion, sondern er ist nur derjenige, der den abgebrochenen kommunikativen Kontakt wieder zustande bringt. Bei Nachlassstreitigkeiten ist halt der Aufhänger, weshalb die miteinander nicht reden können, kein Ergebnis finden, ein vordergründiger Konflikt. Das heißt, was den eigentlichen Konflikt ausmacht, liegt viel, viel länger zurück."

    Aufgrund der besonderen Beziehung, die Familienmitglieder zueinander haben, sagt Detlev Berning, sind Erbschaftsangelegenheiten besonders konfliktträchtig. Geschwister oder Angehörige fühlten sich oft deshalb im Testament benachteiligt, weil emotionale Spannungen, Erlebnisse aus der Kindheit oder unbewältigte Probleme das Verhältnis zwischen den Erben belasten. In einem Mediationsverfahren sitzen alle Beteiligte an einem Tisch.

    "Und dann gibt es einen idealtypischen Ablauf einer Mediation, der damit beginnt, dass die Konfliktlage in einem ersten Schritt dargestellt wird. Das heißt, da sagt jeder – und zwar dem Mediator – wie sie den Konflikt sehen. Und im zweiten Schritt, das ist eigentlich die entscheidende Arbeit, werden die Konflikthintergründe versucht transparent zu machen."

    Durch spezielle Kommunikations- und Fragetechniken versucht der Mediator gemeinsam mit den Erben, den Kern des Konfliktes herauszuarbeiten. Dieser Teil der Mediation ist für die Beteiligten nicht immer angenehm, gibt Detlev Berning zu, denn oft treten dabei Gefühle auf, die lange verdrängt wurden. Doch diese Nabelschau kann sich lohnen: Dadurch werden die Streitenden dazu gebracht, nicht nur auf eigenen Positionen zu verharren, sondern die Interessen der Gegenseite zu verstehen. So kann der Weg frei werden für eine Lösung, bei der sich niemand als Verlierer fühlt.

    "Dann wird in einer vierten Phase diese Lösung dann auch schriftlich fixiert und das sollen die auch selbst machen, weil – nur dann, wenn sie es selbst geschrieben haben und alle auch unterschrieben haben, identifizieren sie sich auch mit dem Ergebnis. Das Ergebnis ist nie logisch und nie voraussehbar, sondern sie sind dann auch großzügig miteinander. Die sagen, nimm das doch und das wolltest Du doch immer schon haben – da sind alle Lösungen denkbar."

    Ein solcher Erbschaftsvertrag kann Grundlage für eine notarielle Vereinbarung sein, etwa bei einer Immobilie. Um Nachlassauseinandersetzungen von vorneherein zu vermeiden, empfiehlt der Mediator, bereits zu Lebzeiten einen solchen Erbschaftsvertrag aufzusetzen. Anders als beim Testament werden dabei in einer Art Familienkonferenz die potentiellen Erben aktiv mit eingebunden.

    "Das Konfliktgespräch findet dann eben vorher statt in Anwesenheit der Erblasser. Durch den Erbvertrag sind alle Beteiligten gebunden an eine Regelung, an der auch alle mitgewirkt haben. Das heißt, es ist freiwillig, transparent für alle Beteiligten. Diesen typischen Nachlasskonflikt, den gibt es dann so nicht mehr."

    Mediatoren im Erbrecht sind in der Regel Fachanwälte. Sie sind zur Vertraulichkeit verpflichtet und dürfen in einem eventuellen Rechtsstreit nicht als Zeugen benannt werden. Im Schnitt sind in einem Mediationsverfahren drei bis vier Sitzungen nötig, dies ist jedoch abhängig von der Größe der Erbengemeinschaft und der Höhe des Vermögens. In manchen Fällen, sagt Detlev Berning, macht es Sinn, einen zweiten Mediator mit einzubinden. Eine Sitzung kostet zwischen 50 und 200 Euro. Im Vergleich zu einem kostspieligen Gerichtsverfahren, das sich gerade in Erbschaftsangelegenheiten über Jahre hinziehen kann, bietet die Mediation eine Alternative, bei der sich die Beteiligten auch nachher noch in die Augen sehen könnten, sagt Berning. Zwar habe auch dieses Verfahren seine Grenzen, doch die bisherigen Erfahrungen können sich sehen lassen.

    "Also, die Erfolgsquote ist unglaublich hoch. Wenn ich das jetzt mal so vergleiche mit den gerichtlichen Verfahren und das, was da so an Verhandlungen stattfindet, sagen wir mal 80 Prozent führen zu einem guten Ergebnis."