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"Mit Köpferollen löst man keine Probleme"

"Wir müssen selber aufpassen, uns nicht schlechter zu reden, als wir von den Menschen wahrgenommen werden," meint Markus Ferber, Chef der CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Der Appell von Horst Seehofer, als Partei wieder geschlossen zu agieren, sei das einzig Richtige.

Markus Ferber im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Selbstbewusst und dynamisch sei die CSU, meint der Vorsitzende. Vor der Klausurtagung der Bundestagslandesgruppe warf Horst Seehofer seiner Partei gleichzeitig Selbstkasteiungen vor. Passt nicht richtig zusammen. Was gilt, Straußsche Präpotenz in Kreuth oder Geißlerzüge am Tegernsee?

    In Wildbad Kreuth erreichen wir auch Markus Ferber, den Chef der CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Guten Morgen!

    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Ferber, Verzwergung. Oh je, haben Sie heute früh schon Maß genommen?

    Ferber: Nein, so schlimm ist es noch nicht. Aber ich kann Peter Gauweiler nur Recht geben: Wir müssen selber aufpassen, uns nicht schlechter zu reden, als wir von den Menschen wahrgenommen werden. Wir haben als CSU einen Regierungsauftrag in München, wir haben einen Regierungsauftrag in Berlin und den sollten wir jetzt kraftvoll nutzen und uns nicht gegenseitig den ganzen Tag erklären, wo wir Probleme haben.

    Heinemann: Was heißt Wahrnehmung?

    Ferber: Das heißt ganz konkret, in Bayern dafür zu sorgen, dass Bayern seine Spitzenstellung im Vergleich der Bundesländer hält. Wenn Sie sich die aktuellen Arbeitslosenzahlen anschauen, dann können wir das durchaus dokumentieren. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote von allen 16 Bundesländern mit deutlichen Abständen. Das heißt aber auch, in Berlin dafür zu sorgen, dass eine Politik gemacht wird, die die Menschen aus der Krise führt, die einen Beitrag dazu leistet, dass Wirtschaftswachstum wieder generiert werden kann, dass der Konsolidierungspfad auf nationaler Ebene beschritten wird, dass die sozialen Sicherungssysteme dauerhaft stabilisiert werden. Das sind schwere Aufgaben, die vor uns liegen, und die CSU ist in der Lage, dafür auch richtige Impulse zu geben.

    Heinemann: Stichwort Koalition. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler fordert, den schwarz-gelben Koalitionsvertrag noch einmal aufzuschnüren. Muss die Koalition nachsitzen?

    Ferber: Ich habe das auch mit großem Interesse gelesen und wir sind natürlich sehr dankbar, wenn sich Personen wie Herr Geißler große Gedanken um die Koalition machen.

    Heinemann: Höre ich da gerade Ironie?

    Ferber: Da hören Sie durchaus Ironie heraus, weil ich es für nicht verständlich halte, einen Koalitionsvertrag, der gerade erst verabschiedet wurde, der von allen drei Parteien mit ganz großen Mehrheiten abgesegnet wurde, jetzt schon wieder in Frage zu stellen. Dass im Laufe der Regierungsarbeit immer wieder Treffen stattfinden müssen, Dinge neu verhandelt oder nachverhandelt werden müssen, ist selbstverständlich, aber deswegen kann man doch nicht den ganzen Koalitionsvertrag, der für alle Politikfelder Arbeitsaufträge formuliert, in Frage stellen. Das halte ich für nicht akzeptabel.

    Heinemann: Aber dieser Koalitionsvertrag hat die Opposition überflüssig gemacht. Die Koalitionäre streiten wie die Kesselflicker oder zanken sich wie die Kesselflicker. Wie löst man zum Beispiel den Steuerstreit?

    Ferber: Der Steuerstreit ist im Koalitionsvertrag klar beschrieben, wie er auflösbar ist. Wir warten im Frühjahr die Steuerschätzung ab - das ist die Richtschnur, woran sich die öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen zu orientieren haben – und entwickeln daraus die Konzepte, wie sowohl ein Konsolidierungsbeitrag als auch ein Steuersenkungsbeitrag generiert werden kann. So steht es im Koalitionsvertrag, da muss nichts neu verhandelt werden. Es sollten sich nur alle Beteiligten daran halten und auch die FDP muss lernen, dass Regieren was anderes ist als Opposition zu sein.

    Heinemann: Wer sagt es den Liberalen?

    Ferber: Die Liberalen haben eine große Botschaft im Wahlkampf formuliert, die ist auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben, aber auch die Liberalen müssen lernen, dass die Realitäten des Jahres 2010 nicht die sind, die man in der Opposition sich herbeisehnt.

    Heinemann: Das heißt, man sollte hinterher nicht das tun, was man vorher versprochen hat?

    Ferber: Nein. Man sollte das tun, was man besprochen hat, und das heißt, im Koalitionsvertrag klar, dass gemäß den Möglichkeiten auch Steuersenkungen gemacht werden können. Die Möglichkeiten ergeben sich aus der Steuerschätzung vom Frühjahr und erst dann kann über weitere Maßnahmen gesprochen werden. Wir haben jetzt mit dem 1. Januar 2010 ja schon ein Steuersenkungspaket in Kraft gesetzt. Es ist also nicht so, dass nichts eingehalten wurde, was vorher versprochen wurde.

    Heinemann: Wir sprechen im Deutschlandfunk mit Markus Ferber, dem CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament. – In einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks, die in der kommenden Woche veröffentlicht werden soll, erreicht die CSU in Bayern gegenwärtig Werte um 40 Prozent. Noch mal: 40, 40 Prozent. Tendenz: 40 Minus sogar. Wer ist für diesen freien Fall verantwortlich?

    Ferber: Wir sind nicht in einem freien Fall. Wir haben im Jahr 2008 bei der Landtagswahl ein Ergebnis von 43 Prozent, bei der Bundestagswahl jetzt von 42 Prozent. Deswegen würde ich den freien Fall hier nicht aufgreifen. Wir haben aber insgesamt schon die Frage zu beantworten, ob wir als CSU den Anspruch, den wir in der Vergangenheit erhoben haben, auch im 21. Jahrhundert erfolgreich umsetzen können, nämlich die gestaltende Kraft für die Menschen in Bayern zu sein, und da gibt es eine Reihe von Hausaufgaben zu machen. Denen stellen wir uns, dafür hat Horst Seehofer die richtigen Impulse gesetzt, nach innen in der Reform der Partei, aber auch nach außen durch beherztes Regierungshandeln. Wir haben natürlich aktuell auch ein paar Probleme, die uns nicht sehr gut tun. Ich will das Thema Bayerische Landesbank ansprechen. Aber das sind Dinge, die wir jetzt aufarbeiten werden. Es werden in der nächsten Woche die Grundzüge für einen Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag gesetzt werden, sodass die Aufarbeitung stattfinden kann. Wir stehlen uns nicht davon, wir stellen uns der Verantwortung und wir wollen die Zeit nutzen bis 2013, wenn in Bayern und im Bund wieder Wahlen sind, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

    Heinemann: Wie können Seehofers Impulse richtig sein, wenn das Ergebnis 42,5 lautet?

    Ferber: Die Impulse sind richtig, weil wir als CSU natürlich in den letzten sieben Jahren von einem Wahlkampf zum nächsten gegangen sind und viele wichtige inhaltliche Fragen, organisatorische Fragen nicht beantwortet wurden, weil man sich von Wahlkampf zu Wahlkampf schleppen durfte. Jetzt müssen wir die Zeit – wir haben vier Jahre ohne Wahlen – in Bayern so nutzen, dass wir wieder die Kraft schöpfen, um bei den Wahlen erfolgreich abschneiden zu können. Ich halte den Kurs für absolut richtig.

    Heinemann: Herr Ferber, können Sie garantieren, dass Georg Schmid Ende Januar noch CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag sein wird?

    Ferber: Ich kann da keine Garantien abgeben, aber dass Sie mich nicht falsch verstehen: der Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion ist auf fünf Jahre gewählt, davon ist jetzt erst ein Jahr vorbei und ich sehe keine Veranlassung, dass an dieser Stelle jetzt ein Wechsel stattfinden soll. Die Frage ist doch, die wir auch aus den letzten Jahren her betrachtet sehen müssen: Macht es Sinn, jedes Jahr in Kreuth irgendeinen Kopf rollen zu lassen, um dann wieder neue Kraft zu schöpfen. Die Erfahrung zeigt, mit Köpferollen löst man keine Probleme, sondern man löst Probleme dann, wenn man geschlossen dasteht, wenn man zusammenarbeitet, wenn man sich aufeinander verlassen kann, und das ist der Kurs, der gestern auch von Horst Seehofer formuliert wurde, und ich halte ihn für den einzig richtigen.

    Heinemann: Für einen CSU-Politiker war das eine sehr vorsichtige Antwort.

    Ferber: Ich bin nicht Mitglied der Landtagsfraktion. Ich bitte da auch um Verständnis. Ich bin der Vorsitzende der Europagruppe. Aber noch mal: Ich gehe nicht davon aus, dass Köpferollen die Lösung unserer Probleme ist, sondern die Lösung unserer Probleme ist Zusammenhalt, Wir-Gefühl, gemeinsames Handeln auf allen politischen Ebenen im Interesse der Menschen, um das Vertrauen zurückzugewinnen.

    Heinemann: Herr Ferber, Angst vor Rauchern, Klientelpolitik für Hotelbesitzer, Subventionierung fürs Autofahren durch die Pendlerpauschale, ist die Kleinteiligkeit der CSU-Politik Teil des Problems der Partei?

    Ferber: Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Wenn Sie sich das Grundsatzprogramm der CSU anschauen, dann sind wir eine moderne Volkspartei. Wir sind besser aufgestellt als alle anderen Parteien in Deutschland, was unsere Programmatik betrifft. Wir müssen das aber wieder zur Geltung bringen, dass es eine Politik aus einem Guss gibt, und das ist sicherlich eines der Probleme, die wir jetzt in der wahlfreien Zeit auch aufarbeiten wollen, dass wir nicht zur Klientelpartei heruntergezwergt werden - ich darf da noch mal Dr. Gauweiler aufgreifen -, sondern dass wir als moderne Volkspartei diesen Anspruch auch im 21. Jahrhundert erfolgreich leben. Die Programmatik dazu stimmt auf alle Fälle, wir müssen es nur wieder miteinander leben.

    Heinemann: Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Europaabgeordneten, direkt aus Wildbad Kreuth. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Ferber: Gerne. Auf Wiederhören!