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Mit Spaß gegen Rechts

Die NPD sei in Mecklenburg-Vorpommern sehr präsent an den Schulen, sagt Eberhard Seidel, Geschäftsführer der Initiative "Schule ohne Rassismus". Deshalb gebe es aber auch eine starke Gegenbewegung. Fantasievolle Aktionen wie die das Modelabel "Storch Heinar" seien ein gutes Mittel im Umgang mit Rechten.

Eberhard Seidel im Gespräch mit Manfred Götzke | 02.09.2011
    Manfred Götzke: Am Sonntag wählt Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Landtag. Sehr wahrscheinlich wird eine Partei wieder ins Parlament kommen, die aus manchen Regionen dort No-Go-Areas gemacht hat: die NPD. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Partei in den vergangenen Jahren gezielt junge Leute geworben, sie hat in kleinen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern Jugendclubs eröffnet, wo es bisher kein Jugendzentrum gab, sie hat junge Leute auf Feriencamps geködert, auf Schulhöfen CDs mit rechtsextremer Musik verteilt. Wie können Schulen, Lehrer, Schüler gegensteuern? Darüber möchte ich jetzt mit Eberhard Seidel von der Initiative Schule ohne Rassismus sprechen. Herr Seidel, wie präsent ist die NPD an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern?

    Eberhard Seidel: Die NPD ist direkt in den Schulen insofern präsent, dass natürlich die Themen, die die NPD propagiert, also Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit, von aktiven Schülern, die im Umfeld von Kameradschaften und so weiter aktiv sind, auch in die Schulen hineingetragen werden.

    Götzke: Gibt es viele NPD-Mitglieder unter den Schülern in Mecklenburg-Vorpommern?

    Seidel: Nein, das wird überschätzt. Die NPD ist in Mecklenburg-Vorpommern natürlich wie gesagt sehr präsent, also wahrscheinlich von allen Bundesländern in Deutschland am präsentesten. Deshalb gibt es auch eine starke Gegenbewegung bei jugendlichen Schülern, gegen Aktivitäten der NPD im Umfeld von Schulen.

    Götzke: In der Vergangenheit ist die NPD immer wieder durch das Verteilen von sogenannten Schulhof-CDs mit rechtsextremen Bands aufgefallen. War das in diesem Wahlkampf wieder der Fall?

    Seidel: Soweit ich informiert bin nicht. Ich habe also da von keinen Vorfällen gehört, dass direkt die Schulhof-CDs verteilt wurden vor den Schulen. Das sind hier immer ganz spektakuläre, größere Aktionen gewesen, die die NPD vor allem auch gestartet hat, um medial in die Öffentlichkeit zu kommen. Davon ist mir nichts bekannt.

    Götzke: Ihre Initiative "Schule ohne Rassismus" versucht ja gegenzusteuern gegen Rassismus, Rechtsextremismus - was kann denn eine Schule überhaupt machen, wenn eine Mehrheit der Schüler nachmittags in rechte Jugendclubs geht und zuhause rechte Musik hört.

    Seidel: Natürlich kann eine Schule das Thema auf die Agenda setzen, also nicht wegschauen, das ist das Prinzip von "Schule ohne Rassismus". Dort, wo fremdenfeindliche, rassistische oder überhaupt diskriminierende Verhaltensweisen auftreten, sich dem Ganzen bewusst zu stellen und mit der Schulmehrheit klarzumachen, dass diese Ideologien und Verhaltensweisen keinen Platz an der Schule haben. Das können ganz fantasievolle Aktionen sein, die die Schüler ergreifen. Beispielsweise sind einige Schulen jetzt in Mecklenburg-Vorpommern, die sich der Aktion Storch Heinar angeschlossen haben. Das ist mehr ein kabarettistischer Umgang mit der Lieblingsmode von rechtsextremen Jugendlichen, Thor Steinar. Das heißt, man gibt auch ein bisschen so diese ganze rechtsextreme Szene der Lächerlichkeit preis. Da gibt es also fantasievolle Umgangsformen, und natürlich wird in "Schulen ohne Rassismus" auch über die Ideologie und die Strategien, wie rechtsextreme Parteien vorgehen, informiert.

    Götzke: Sie haben Storch Heinar gerade angesprochen, das ist ja so ein Modelabel, das wie gesagt Thor Steinar, diese Lieblingsmarke der Rechten, auf die Schippe nimmt. Das ist ziemlich lustig, aber hilft das eigentlich tatsächlich in der direkten Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen, Rechtsextremen vor Ort?

    Seidel: Ja, es hilft. Insofern hilft es, weil die Auseinandersetzungen mit rechtsextremen Ideologien und Parteien sehr, zum Teil, ernst geführt wird in Deutschland, man fühlt sich sehr stark bedroht. Es ist auch bedrohlich auf der einen Seite, auf der anderen Seite lähmt das dann auch die Aktivitäten und ich sage mal die Gegenkräfte. Und wir sind bei "Schule ohne Rassismus" überzeugt, dass die besten und wirksamsten Strategien gegen Rechtsextremismus Entwicklungen innerhalb der Jugendszene sind, die die Gegenkräfte, die bunten Szenerien, die sich für Vielfalt, für Demokratie und für Toleranz einsetzen, stärken. Und dazu gehört natürlich auch ein bestimmter, ich sage mal, Spaßfaktor.

    Götzke: Was sollte denn zum Beispiel ein Lehrer machen, wenn Schüler im Politikunterricht rechtsextreme Argumente oder Pseudo-Argumente vorbringen?

    Seidel: Also, das schlechteste wäre, das zu tabuisieren und den Schüler beispielsweise der Schule zu verweisen oder zu drakonischen Strafen zu greifen. Sondern es müssen natürlich dann Prozesse in Gang gesetzt werden, zu gucken, was steckt dahinter? Was ist das für ein Schüler? Hat er wirklich offene Fragen beispielsweise? Handelt es sich bei ihm möglicherweise um einen geschulten Kader, der also in der Schule versucht, rechtsextremistische Zellen aufzubauen? Dann ist natürlich da unterschiedlich drauf zu reagieren.

    Götzke: Das klingt ja ziemlich dramatisch, also geschulte Kader, die in Schulen versuchen, Leute zu ködern. Wie präsent ist das denn?

    Seidel: Also, das ist hier eine Entwicklung in den letzten, ich sage mal, zehn Jahren, dass der dumpfe rechtsextreme Aktivist, der also nichts weiß über die Geschichte, zwar auch existiert, aber dass es immer mehr, also auch in Gymnasien beispielsweise, also auch Abiturienten, in rechtsextremen Gruppen oder rechtsextremen Ideologien anhängen, und wir mit einer neuen Generation von gebildeteren, von vielleicht auch ein bisschen klügeren Schülern zu tun haben, die durchaus rechtsextreme Ideologien verbreiten. Und da muss man ja dann auch noch auf eine andere Ebene schauen. Wir schauen in Mecklenburg-Vorpommern im Moment auf die NPD, weil sie sich um den Einzug im Landtag bewirbt. Wir haben natürlich viel stärker mit dem Problem in ganz Deutschland zu kämpfen, mit dem Rechtspopulismus. Die größere Gefahr für die Demokratie und für den Zusammenhalt der Gesellschaft droht tatsächlich von diesen anderen Diskussionen, die ganze Bevölkerungsgruppen, beispielsweise Muslime oder Einwanderer als minder intelligent und als nicht integrierbar in diese Gesellschaft bezeichnet werden, oder als Gruppe, die Deutschland abschafft, so wie das Sarrazin formuliert.

    Götzke: Eberhard Seidel von der Initiative "Schule gegen Rassismus", vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.