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"Mitt Romney hat versucht sich zu positionieren als der Anti-Obama"

Der Republikaner Mitt Romney wolle sich von den Versprechungen Obamas abgrenzen, sagt Michael Werz vom Center for American Progress. Romney befinde sich mit dem Fokus auf wirtschaftliche Besserung der USA in einer schwierigen Position, da er alle Kritik auf Obama richten müsse.

Michael Werz im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 01.09.2012
    Jürgen Zurheide: Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf läuft jetzt auf vollen Touren. Mitt Romney hat die Kandidatur hinter sich gebracht und Obama selbst, der Präsident, wird in den nächsten Wochen nominiert. Also wie läuft es denn in Amerika? Über all das wollen wir reden, und dazu begrüße ich am Telefon Michael Werz vom Center for American Progress. Guten Morgen!

    Michael Werz: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Zunächst einmal müssen wir auch natürlich nicht über Mitt Romney reden, sondern über den Auftritt von Clint Eastwood. Da kann man ja fragen, dieser Auftritt wird sehr kritisch bewertet – erstens, er hat vielleicht seine Rolle nicht richtig gelernt, die Performance hat viel Stirnrunzeln hervorgerufen, aber zweitens, auch wir tun es jetzt und viele in den Vereinigten Staaten reden über Eastwood, nicht über Romney. Ist diese Beobachtung richtig?

    Werz: Das ist vollkommen richtig. Die Zeitungen heute in Washington und New York und Los Angeles sind voll von Berichten über den merkwürdigen Auftritt von Clint Eastwood, der offensichtlich nicht abgesprochen war mit dem Wahlkampfteam von Mitt Romney. Es war eine Vorstellung, die stark improvisiert war und Reaktionen hervorgerufen hat in den Vereinigten Staaten, die bis hin zur bitteren Ironie und zum Sarkasmus reichten. Ann Romney, Mitt Romneys Frau, war am Tag danach in verschiedenen Talkshows, und sie hat dann nur dazu sagen können, Clint Eastwood sei eben ein außergewöhnlicher Mann und er habe etwas Außergewöhnliches geleistet an diesem Abend, aber es war deutlich, dass niemand richtig zufrieden war mit der Vorstellung von Clint Eastwood.

    Zurheide: Jetzt kommen wir mal zu dem, worum es hier eigentlich geht: Zumindest für Mitt Romney ging es darum, die Umfragen, in denen er immer so ein kleines Stück hinter Obama lag, zu drehen. Gibt es da schon etwas, gibt es was Belastbares?

    Werz: Nein, dazu ist es noch zu früh. Die Umfragen werden jetzt in diesen Tagen gemacht, aber es ist eindeutig die Stimmung, dass diese Rede zwar rhetorisch solide gewesen ist, aber nicht mitreißend. Mitt Romney hat versucht sich zu positionieren als der Anti-Obama, das ist ihm in gewisser Weise auch gelungen. Einer der interessantesten Kommentare oder einer der originellsten, wenn man so will, in seiner Rede war, als er sagte, Barack Obama hat euch versprochen, das Ansteigen des Meeresspiegels zu stoppen und den Planeten zu heilen, ich verspreche, dir und deiner Familie zu helfen. Das sind die Unterschiede, auf die Mitt Romney setzen will, weg von dem, was er als überzogene Versprechungen und Rhetorik von Barack Obama sieht, hin zu einer realistischeren Position der Republikaner.

    Zurheide: Damit geht er natürlich genau auf die Schwäche von Obama, da kommen wir gleich noch drauf. Er wollte ja vor allen Dingen auch etwas menschlicher rüberkommen, wärmer werden. Wenn ich die Analysen, die ich hier so sehe von Leuten, die seine Körpersprache etwas genauer unter die Lupe nehmen, wenn ich das so auf mich wirken lasse, dann heißt es da überall, na ja, er ist besser geworden, aber immer noch stark verbesserungsfähig. Ist das auch eine Beobachtung, die Sie dort machen?

    Werz: Das ist die Einschätzung, die auch in den Vereinigten Staaten diejenige ist, die die Mehrheit teilen würde. Mitt Romney hat sich Mühe gegeben, die Kommentare sagen zum Teil, die Rede war sehr gut betont, er hat an den richtigen Stellen Pausen gemacht, um den Applaus zuzulassen, aber es war keine rhetorische Glanzleistung. Für Mitt Romney ist etwas das Problem, dass Paul Ryan, der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, den er vor einigen Wochen ausgewählt hat, am Tag vor Mitt Romney eine Rede gehalten hat, die wirklich diesen Saal elektrisierte und gemeinhin als die bessere Rede angesehen wird. Das ist natürlich für jemanden, der als Präsident letztlich die Entscheidung trifft und der durch den Vizepräsidenten ja nur unterstützt werden soll, eine schwierige Situation. Mitt Romney ist eben nicht derjenige, der es versteht, größere Veranstaltungen wirklich mit Energie zu versorgen, die Leute mitzureißen, sie von den Stühlen zu bringen, sondern er ist jemand, der im Prinzip in fast einer Stunde bester Fernsehzeit eine lange Liste von politischen Optionen versucht hat den Leuten näherzubringen und sich selbst auch immer noch einführen muss. Er ist nach wie vor eine unbekannte Größe in den Vereinigten Staaten, obwohl er ja – wie seine politischen Gegner häufig ironisch sagen – schon seit sechs Jahren versucht, Präsident zu werden, weil er ja schon im letzten Wahlzyklus auch versucht hat zu kandidieren.

    Zurheide: Das war die Person, kommen wir dann zu den Inhalten. Mir ist ein Satz eingefallen, ich weiß nicht, ob der vielleicht passt oder auch nicht, Sie mögen es bewerten: "It’s the economy, stupid" von Bill Clinton. Ist das so ein Stück weit, was er ja versucht, um auch sich von Obama abzusetzen?

    Werz: Das versucht er, ganz genau zu tun. Mitt Romney hat in seiner Rede gesagt, er würde versprechen, zwölf Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen in der ersten Legislaturperiode als neu gewählter Präsident der Vereinigten Staaten. Er hat allerdings nicht gesagt, wie er das tun wird.

    Zurheide: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche: Glaubt das eigentlich irgendjemand, wenn ein Politiker heute so was noch so sagt und dann auch nicht liefert, wie er es denn machen will, und wir beide wissen, es geht nicht?

    Werz: Das ist natürlich eine Versprechung oder eine Position, die sich der Kritik aussetzt, zumal er das nicht mit einem soliden ökonomischen Plan unterfüttert hat. Man muss auch sagen, zwölf Millionen Arbeitsplätze über vier Jahre gerechnet sind für die USA keine astronomisch hohen Zahlen. Mitt Romney selbst hat diese Zahlen schon nach unten revidiert, zu Beginn seiner Wahlkampagne war von viel mehr Arbeitsplätzen die Rede, das heißt, dort ist man vorsichtiger geworden. Es ist allerdings auch generell das Problem, dass sich die Wirtschaft hier in den USA ja auf niedrigem Niveau, aber doch stabilisiert hat, und dieses Argument für Mitt Romney nicht mehr ohne Weiteres so forcierbar ist. Interessant war auch zu beobachten, dass innerhalb der Convention, also des republikanischen Parteitages, die Tradition von George W. Bush vollkommen in den Hintergrund getreten ist, weil die Partei sich natürlich nicht daran erinnern will, dass das Land zu dem Zeitpunkt, als Barack Obama das Weiße Haus bezogen hat, 800.000 Arbeitsplätze pro Monat verloren hat. Und es war interessant zu sehen, dass nicht nur der vergangene republikanische Präsident, nämlich George Bush, aber auch sein Vizepräsident Dick Cheney und bis auf Condoleezza Rice, die ehemalige Außenministerin, fast keine Kabinettsmitglieder aus der Bush-Administration zu sehen waren. Also hier ist deutlich, dass Mitt Romney sich mit seinem Fokus auf die wirtschaftliche Besserung des Landes in einer sehr schwierigen Position befindet, er muss nämlich alle Kritik auf Barack Obama richten und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Leute sich nicht daran erinnern, was noch vor drei Jahren der Fall gewesen ist, als die Republikaner an der Macht waren.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal zu einem anderen Punkt. Sie haben ja angesprochen, dass der Vizepräsident am Tag zuvor den Saal elektrisiert hat, da geht’s dann um das Programm, das ist ja grobschlächtig so zu beschreiben: Steuern senken, die Militärkürzungen doch zurücknehmen, was ja im Umkehrschluss heißt, dass man bei den Sozialausgaben dann richtig heftig, nämlich bis zu 30 Prozent kürzen muss – so hat mir das mal jemand ausgerechnet. Das alles ist ja extrem schwierig – aber das elektrisiert die Republikaner, oder?

    Werz: Das ist richtig, und es hängt damit zusammen, dass die republikanische Partei sich in einer großen politischen Krise befindet, weil sie wird im Prinzip vom rechten Flügel der Partei, von der sogenannten Tea Party, vor sich her getrieben. Innerhalb der Kampagne von Mitt Romney ist man sehr darauf bedacht, das sehr, sehr konservative Parteiprogramm, das von rechts außen gefeiert wurde wie ein Erfolg, der seit der Zeit Ronald Reagans in der republikanischen Partei nicht mehr zu realisieren war, wo es sehr stark gegen Minderheiten, gegen Schwule, gegen Sozialgesetzgebung, gegen jede Diskussion über Klimawandel geht, dass man versucht, dieses Parteiprogramm doch im Hintergrund zu halten. Und da ist natürlich die Möglichkeit, die Delegierten und auch die Wählerinnen und Wähler der republikanischen Partei zu einigen, vor allem die einer strikten Fiskal- und Finanzpolitik. Das heißt, man sagt, das Land steht vor wirklich schwierigen, großen Herausforderungen, wir müssen harte Entscheidungen treffen – das war der Tenor von Paul Ryans Rede. Aber das Interessante oder vielleicht auch Überraschende ist gewesen, dass Mitt Romney dieses Thema nicht wirklich übernommen hat in seiner Rede, sondern sehr viel konzilianter vorgegangen ist. Und es ist natürlich auch für ihn wichtig, die Wählerinnen und Wähler der Mitte, die noch unentschieden sind, anzusprechen. Ob dieser Spagat gelingt zwischen einer Partei in der Krise, die von rechts außen unter Druck steht, hin zur politischen Mitte, gleichzeitig Mitt Romney als passablen Kandidaten erscheinen zu lassen, das wird sich in der ersten Novemberwoche zeigen.

    Zurheide: Und zum Jahresende gibt es diese automatischen Kürzungen, wenn im Haushalt das passiert, wenn man sich vorher nicht einigt. Redet eigentlich irgendjemand darüber oder verdrängt man das völlig?

    Werz: Das ist natürlich in einer inszenierten Wahlkampagne, wie das jetzt in den letzten Tagen in Florida der Fall gewesen ist, und auch bei den Demokraten in North Carolina, in Charlotte, wird das in der kommenden Woche nicht anders sein. Das ist keine Zeit für sehr komplizierte finanzpolitische Fragestellungen und Diskussionen, aber es ist schon deutlich, dass die USA sich mit diesen automatischen Kürzungen, die zustande kommen werden Ende des Jahres, weil es kein Einvernehmen gegeben hat im Kongress über das neue Haushaltsjahr, dass diese Kürzungen die USA ökonomisch in schwerste Gewässer führen werden. Es gibt wahrscheinlich einen Kompromiss, dieses andauernde Spiel um den Haushalt und die Verabschiedung des Haushaltes noch einmal sechs Monate hinauszuschieben, weil allen Beteiligten klar ist, dass wenn hier kein Kompromiss gefunden wird, es für die USA, aber auch für die globale Wirtschaft relativ schwierig werden würde. Es gibt einen unausgesprochenen Konsens unter beiden Kandidaten, dass man diese Probleme eigentlich lösen können muss, aber das geht nur, wenn man gemeinsam eine überparteiliche Lösung findet, und dafür ist natürlich ein hart geführter Wahlkampf die denkbar schlechteste Zeit.

    Zurheide: Und glauben Sie denn, dass nach diesem harten Wahlkampf diese Lösung, egal wer dann gewinnen wird, überhaupt möglich ist, denn die beiden Lager stehen sich ja – so zumindest unsere Sicht hier von Europa in die USA – unversöhnlicher gegenüber, als es je der Fall gewesen ist?

    Werz: Das ist richtig und wird auch von den meisten Beobachtern hier in den USA beklagt und beschrieben, dass die parteipolitische Polarisierung stärker ist, als das in der Geschichte des Landes in den vergangenen Jahrzehnten der Fall gewesen ist. Auf der anderen Seite ist allen klar, es muss finanz- und haushaltspolitisch wieder zu überparteilichen Lösungen kommen. Das Problem ist ja für die Vereinigten Staaten in gewisser Weise, dass der Kongress und der Senat nach dem Konsensprinzip organisiert sind, das heißt, man kann auch mit relativ kleinen Sperrminderheiten viele Gesetzgebungsverfahren verlangsamen oder ganz blockieren. Das haben die Republikaner sehr erfolgreich getan in den letzten beiden Jahren, hauptsächlich um Barack Obama schlecht aussehen zu lassen. Und dass diese Strategie – unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzen wird und wer am 20. Januar kommenden Jahres als Präsident eingesetzt wird –, dass diese Mentalität und diese politischen Strategien unproduktiv sind für das Land und letztlich auch die Parteien einer Kritik aussetzen, die sie auf Dauer nicht überleben können, ist deutlich. Insofern ist die Hoffnung und die Erwartung schon da, dass im Februar und März nächsten Jahres sich die Dinge ein wenig beruhigen.

    Zurheide: Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf zum Auftakt. Das war ein Gespräch mit Michael Werz vom Center for American Progress. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!

    Werz: Auf Wiederhören, Herr Zurheide!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.