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"Mittelsmann zwischen der anglo-amerikanischen Literatur und der deutschen"

Helmut Frielinghaus war niemand, der apodiktisch auftrat, sagt Literaturkritiker Denis Scheck zum Tod des Autors, Lektors und Übersetzers. Wenn Frielinghaus jedoch "Qualität erkannte, konnte er missionarisch werden und dann auch sehr stark dafür werben".

Denis Scheck im Gespräch mit Mascha Drost |
    Mascha Drost: Und die nächste Frage geht an Denis Scheck, Literaturkritiker und Redakteur beim Deutschlandfunk. Als Übersetzer etwa von John Updike, Raymond Carver und William Faulkner hat nicht nur die deutsche Literatur Frielinghaus viel zu verdanken, sondern ja auch die amerikanische.

    Denis Scheck: Ja. Helmut Frielinghaus lebte ja einige Jahre in New York, in den 90er-Jahren bis zur Jahrtausendwende, und ich ließ es mir nicht entgehen, wann immer ich in New York war, mit diesem ganz wichtigen Mittelsmann zwischen der anglo-amerikanischen Literatur und der deutschen zu sprechen. Und ich erinnere mich heute nach Bekanntwerden seines Todes an eine Episode im Jahre 2001 am stärksten, als ich Anfang September in New York war und er mir die Ohren vollschwärmte. Einen ganzen Abend lang wollte er nur von einem Autor sprechen, und ich wollte doch eigentlich eher so eine Bestandsanalyse. Aber er war voll des Lobes von einem Autor, und ich sagte, "gut, gut, gut, dann werde ich mir das Buch wohl besorgen". Und als ich aus dem Hotel auscheckte am nächsten Morgen, am 10. September, lag es in meinem Brieffach im Hotel, er hatte mir ein Exemplar gekauft. Es war Jonathan Franzens "Die Korrektur" und ich las das dann im Flugzeug. Wenn Helmut Frielinghaus Qualität erkannte, konnte er missionarisch werden und dann auch sehr stark dafür werben.

    Drost: Sie sind ja ein erwiesener Kenner der amerikanischen Literatur. Außer dem spezifischen Updike-Ton oder dem Faulkner-Ton, gab es darin vielleicht auch in seinen Übersetzungen eine Art Frielinghaus-Klang, den man wahrnehmen und erkennen konnte, oder hätte er sich so was gar nicht gestattet?

    Scheck: Ich glaube, dazu war er doch zu sehr Chamäleon. Aber das, was Günter Grass bemerkt hat, dass Helmut Frielinghaus niemand war, der apodiktisch auftrat, sondern der oft einen Vorschlag, eine Frage formulierte, um dort dann den wunden Punkt im Text zu finden. Diese Lektoreneigenschaft, die merke ich ein bisschen an seinen Übersetzungen schon heraus. Ich glaube, Helmut Frielinghaus war in mustergültiger Weise das, was man eben einen mitdenkenden, mitfühlenden Leser – und das ist ja der Übersetzer immer, der genaueste Leser eines Textes -, was man da beim Übersetzen braucht.

    Drost: Denis Scheck über Helmut Frielinghaus – Gestern ist der Autor, Übersetzer und Lektor im Alter von 81 Jahren gestorben.