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Modernität mit Haken

Kommunikation. - Medien wie Facebook oder Twitter haben bei den Veränderungen im Nahen Osten eine große Rolle gespielt. Auch in unseren Gesellschaften spielen sie eine immer größere Rolle. Welche das in Forschung und Lehre sein könnte, erklärt der Wissenschaftsjournalist Michael Gessat im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Seynsche: Herr Gessat, für die Politik spielen sie eine große Rolle. Welche Rolle spielen Social Media für die Forschung und für die Lehre?

    Gessat: Ja, man muss erst einmal sagen: Social Media das ist wesentlich mehr als Facebook und Twitter. Manche Leute gebrauchen es ja synonym zu Web 2.0, Alles, was dazu gehört. Natürlich, erst einmal, klar, in Abgrenzung zu den klassischen Massenmedien, was wir machen, gehört natürlich digitale Verbreitung, digitale Distribution und eben die Möglichkeit, sofort zum feedback mit dem, der eben diese Sachen herstellt, Kommentare abzugeben, auch die Leute untereinander können sich über das, was da geboten wird, unterhalten und werden dadurch auch wieder zum Produzenten von Information. Das sind vielleicht so die ganz großen Schlagworte. Und man muss vielleicht sagen, mittlerweile gehört zumindest in der Lehre, an Universitäten gehört so etwas, Social-Media-Aspekte gehören einfach integral dazu. Da gibt es also überall so genannte Lernplattformen, das sind also Softwarelösungen, die Social-Media-mäßig funktionieren, wo also Termine vereinbart werden können, wo Absprachen getroffen werden können, wo Skripte verteilt werden können, wo auch je nach Kompetenz der Dozenten Audios und Videos verteilt werden. Man muss eigentlich sagen: Heutzutage ein Studium ohne Computer ist gar nicht mehr möglich, also da hat das auf jeden Fall Einzug gehalten, das kann man ganz klar sagen.

    Seynsche: Ihre Beschreibung klingt sehr divers. Es gibt sehr, sehr viele Lernplattformen. Wäre es nicht sinnvoll und praktikabel, da sowieso schon sehr viele Schüler und Studenten, sehr viele Wissenschaftler auf Facebook versammelt sind, das quasi als den Standard auszugeben, so dass ich mich nicht auf fünf verschiedenen Lernplattform einloggen muss, sondern auf einem Account bin, und da dann alle meine Informationen geben kann, meine Kommunikation betreiben kann?

    Gessat: Ja, das ist die Idee, die wird auch tatsächlich so diskutiert. Das hab ich auch so erfahren an den Hochschulen, in Köln beispielsweise. Da gibt es allerdings auch ein ganz großes Gegenargument: A), hat mir einer gesagt, die Leute sollen lernen und sollen nicht rumquatschen. Also klar das Thema Ablenkung. Da wird ja auch einfach geflirtet und Freunde melden sich da, und so weiter. Da kommt man also nicht mehr zum richtigen Studieren. Das ist das eine Argument, ganz klar. Ein zweites Argument ist vielleicht noch ein bisschen ernster und wichtiger, das ist das Stichwort Urheberrechte. Es ist ja so, in Deutschland gibt es ein so genanntes Dozentenprivileg: das besteht darin, dass also Wissenschaftler und Lehrende bestimmte kleine Teile, also kleine Ausschnitte aus Materialien, aus Büchern, aus eigenen Büchern und aus Büchern von Kollegen eben einem genau abgegrenzten Kreis, also den Leuten, die an ihrer Veranstaltung teilnehmen, im Intranet, wohlgemerkt, also nicht im Internet, sondern im Intranet, zur Verfügung stellen dürfen, kostenfrei. Und das ist auf der einen Seite hart umkämpft, muss ganz genau beachtet werden. Und dann wissen wir alle: Facebook hat die Tendenz, praktisch alles abzugreifen und das nach ganz intransparenten Kriterien zu speichern und auch von anderen Firmen wieder abgreifen zu lassen. Das passt also nicht zusammen. Und insofern würde ich mal sagen, das lässt sich nicht, aus diesem Grund urheberrechtlich lässt sich das nicht alles auf Facebook übertragen.

    Seynsche: Gerade in der Forschung ist aber doch die Kommunikation und der Austausch über Ergebnisse sehr wichtig. Ganz großes Beispiel dabei: peer-review, also die Begutachtung von Artikeln durch Experten. Könnte ein solches Verfahren der Begutachtung in Social-Media-Angeboten funktionieren, bei denen dann die Netzgemeinde die Relevanz und Plausibilität einer Veröffentlichung einschätzt?

    Gessat: Ja, das ist eine tolle Idee. Das ist auch ein bisschen das Wikipedia-Prinzip. Und man hatte in der Vergangenheit gesehen: peer review in klassischen Zeitungen garantiert auch nicht die Richtigkeit. Also da wäre die Möglichkeit, dass eine richtige Diskussion von kompetenten Leuten über den Inhalt zustandekommt. Man muss allerdings sagen: das klassische Prinzip bei Social Media, das ist, mal ganz böse gesagt, sehr simpel: Nämlich, die Mehrheit hat recht, und was ganz viele Leute mögen: man kann bei Facebook einen Knopf anklicken und das ist dann auch relevant. Ich würde mal sagen, dass dieses Prinzip, das passt eben auf wissenschaftliche Inhalte nicht ganz supergut, und es passt eigentlich auch nicht auf Lerninhalte. Weil auch da muss ich die ja auch begreifen, um sie dann beurteilen zu können. Also, dieser einfache Mechanismus, der funktioniert, glaube ich, in diesen wissenschaftlichen Bereich, bei Social Medien nicht so gut, aber vielleicht wird sich das noch in diese Richtung entwickeln, ein bisschen.

    Hinweis: Zum Thema Social Media und E-Learning können Sie am Sonntag, 13.02., ab 16.30 Uhr, in der Sendung Wissenschaft im Brennpunkt das Feature e-Learning hören.