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Mögliche Übernahme von Springer-Anteilen durch die WAZ

Ensminger: Der Medienunternehmer Leo Kirch steckt bekanntermaßen in finanziellen Schwierigkeiten, weswegen er zur Zeit einen Käufer für seinen vierzigprozentigen Anteil am Axel Springer-Verlag sucht. Die Essener WAZ-Gruppe hat großes Interesse gezeigt, es wird auch verhandelt, allerdings bislang noch ohne Ergebnis. Trotzdem: Springer wehrt sich gegen einen Einstieg der WAZ-Gruppe und begründet wird dies unter anderem mit den unterschiedlichen Unternehmenskulturen der beiden Verlagshäuser. WAZ-Geschäftsführer Lutz Glandt wirft dem Springer-Vorstand wiederum vor, mit deiner Ablehnung die Interessen der Aktionäre zu ignorieren. Am Telefon ist nun Horst Röper, Geschäftsführer des FORMATT-Institutes in Dortmund, einem Medienforschungsinstitut. Schönen guten Morgen.

    Röper: Ich grüße Sie.

    Ensminger: Herr Röper, sowohl Springer als auch WAZ sind ja recht große Verlage. Was halten Sie denn von einem möglichen Einstieg?

    Röper: Nun, der ist in der Tat sehr fragwürdig, weil damit in Deutschland eine neue Dimension der Medienkonzentration entstünde. Beide Verlage sind insbesondere bei den Tageszeitungen sehr stark engagiert. Springer ist mit großem Abstand der größte deutsche Zeitungsverlag: fast jede vierte Zeitung, die hierzulande verkauft wird, ist eine Springer-Zeitung. Der WAZ-Konzern ist der zweitgrößte Anbieter, kommt freilich nur auf 6 Prozent. Zusammen würden sie dann eben 30 Prozent Marktanteil am deutschen Tageszeitungsmarkt halten. Das ist eine Dimension, die für uns völlig neu ist und deshalb auch sehr fragwürdig.

    Ensminger: Also absolut ein Fall für die Wettbewerbshüter?

    Röper: Ja, auf jeden Fall. Natürlich ist dieser Fall einer, mit dem sich das Kartellamt zu befassen hat. Wahrscheinlich der schwierigste im Printmedienbereich, mit dem es die Kartellrichter je zu tun gehabt haben. Und insbesondere schwierig zu entscheiden im Tageszeitungssektor, weil es hier eben zu Machtballungen kommt, die schon dem Wettbewerb entgegenstehen und das Ziel des Kartellrechts ist es ja, für Wettbewerb zu sorgen. Dieser Wettbewerb wäre allerdings bei einer Verbindung von Springer und WAZ, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, da wo also die WAZ sehr stark ist, und in Thüringen gefährdet, denn die Regionalzeitungen der WAZ müssten ja dann zusammen mit der Teilauflage der Bild-Zeitung gesehen werden und dadurch entstehen zum Beispiel in Tübingen Marktanteile von deutlich über 80 Prozent. Also da ist Wettbewerb wohl nur noch beschränkt machbar.

    Ensminger: Das sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken, aber es gibt ja nun auch die Befürchtung, die Meinungsvielfalt könne beeinträchtigt werden. Was haben wir denn da zu erwarten?

    Röper: Ganz generell heißt solch eine Frage zu stellen ja, darauf zu achten, dass auch potentiell Meinungsfreiheit weiterhin besteht. Es geht also gar nicht so konkret darum, ob einzelne Verlage auf ihre Blätter einwirken, sondern man muss dafür Sorge tragen, dass zum Beispiel auch unter einer anderen Führung eine möglichste Breite für die Bevölkerung an Informationsquellen zur Verfügung steht. Das ist nach meinem Dafürhalten nicht mehr gewährleistet, wenn sich die beiden Verlage verbinden. Aber vom Springer-Verlag geht ja auch der Vorwurf aus, die WAZ stünde für SPD-nahe, für rote, so heißt es dort, Berichterstattung. Das ist hier nicht zu sehen, der WAZ-Konzern ist ein rein profitorientiertes Unternehmen, hat kaum publizistische Ambitionen, verlegt sowohl SPD- als auch CDU-nahe Tageszeitungen. Also diese Gefahr sehe ich nicht. Gleichwohl bleibt es natürlich bei einer erheblichen Gefährdung für die Medienvielfalt.

    Ensminger: Sie haben gesagt, es bestünde keine Gefahr, dass da eine SPD-Nähe sei. Auch nicht, wenn man bedenkt, dass der früher Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder, Bodo Hombach, in das Essener Verlagshaus gewechselt hat?

    Röper: Nein, auch dann nicht. Denn noch zumindest ist Hombach ja ein Neuling in dieser Branche, wenn man so will Lehrling, und er ist einer von vier Geschäftsführern im WAZ-Verlag. Entscheiden tun im WAZ-Verlag immer noch die beiden Eignerfamilien, die Familien Brost und Funke und die in der Tat weisen sehr unterschiedliche politische Präferenzen auf: die eine ist sehr konservativ, die andere ist eher SPD-nah, aber das wird austariert zwischen diesen beiden Familien, denn sie sind gleich stark.

    Ensminger: Gibt es das Gegenargument, dass ja gesagt wird, Springer und WAZ sind eben sehr unterschiedliche Konzerne, das könnte ja auch eine gute Ergänzung sein, das heißt, ab von Bedenken wie der Meinungsvielfalt eben tatsächlich eine erhöhte Vielfalt. Ist dieses Argument nachvollziehbar für Sie?

    Röper: Nein, eben nicht, weil ich davon ausgehen, dass die Springer-Familie, die ja 50 Prozent plus einzelne Aktien am Konzern hält, also die deutliche Mehrheit hat, auch weiterhin die publizistische Linie dieser Zeitungen bestimmen würde, wenn die WAZ einstiege. Der WAZ geht es vielmehr darum, nun Einfluss auf betriebswirtschaftliche Abläufe bei Springer zu nehmen, und da die beiden Unternehmen in benachbarten Märkten sehr dicht nebeneinander arbeiten, gibt es in der Tat hier die sogenannten Synergieeffekte, also Möglichkeiten, Kosten in erheblichem Umfang einzusparen und das macht diesen Deal aus WAZ-Sicht so interessant. Er verspricht schlicht Rendite. Aber ich gehe nicht davon aus, dass etwa die politische Meinung der Springer-Zeitungen sich ändern würde.

    Ensminger: Nun steht Kirch ja unter Zeitdruck, was glauben Sie, könnte es eine Einigung geben und wenn ja, kommt die schnell?

    Röper: Ich glaube, wenn, dann kann sie nur schnell kommen. Kirch hat Zeitdruck, er verfügt nicht mehr lange über die Aktien, sonst fallen sie an die Deutsche Bank, wo sie als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt worden sind. Und der WAZ-Konzern weiß auf der anderen Seite, dass für ihn jetzt die einmalige Chance besteht, sich in dieser Höhe am Springer-Konzern zu beteiligen. Diese Möglichkeit hätte er wohl nicht mehr, wenn die Aktien erst bei der Deutschen Bank sind. Insofern gibt es für beide Vertragspartner gute Gründe, hier zu einem Abschluss zu kommen und auch auf einen Kaufpreis, der ja noch umstritten ist, aber bei etwa einer Milliarde Euro liegen soll, einigen. Ich denke, die beiden Parteien werden sich einigen, aber danach fangen die Schwierigkeiten erst an.

    Ensminger: Die Belegschaft spricht von einer feindlichen Übernahme. Würden Sie das auch so krass formulieren?

    Röper: Nein, eine Übernahme ist es ja insofern nicht, dass die Mehrheit bei der Springer-Familie bleibt. Dass sie feindlich ist, ist in dem Sinne ungewollt, das ist richtig. Sowohl der Vorstand von Springer als auch die Haupteignerin, die Witwe des Verlegers Friede Springer, haben sich gegen die WAZ als Teilhaber ausgesprochen. Insofern feindlich ist schon richtig.

    Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch. Das war der Geschäftsführer des FORMATT-Instituts in Dortmund, Horst Röper. Danke.

    Link: Interview als RealAudio