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Mögliche Zustimmung Deutschlands zu Irak-Krieg

Ensminger: Nach Bundesaußenminister Joschka Fischer hat nun auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Christa Sager ein deutsches Ja im Sicherheitsrat zu einem Irak-Krieg nicht ausgeschlossen. Selbst wenn man diesen Krieg für falsch halte und selbst wenn man sich an diesem Krieg nicht beteilige, dann könne man trotzdem das eigene Handeln im Sicherheitsrat nicht völlig unabhängig von dem gestalten was unsere Partner möglicherweise machen werden, sagte sie der Berliner Zeitung. Zuvor hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer in einem Interview erklärt, er könne das deutsche Votum nicht vorhersagen, da keiner wüsste wie und unter welchen Begleitumständen sich der Sicherheitsrat hiermit befassen werde. Ähnlich äußerte sich gestern auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose, warnte, ein Ausscheren Deutschlands wäre ein Rückschlag für die deutsche Stellung in der Welt. Am Telefon ist nun der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler, zuständig für internationale Politik und auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Morgen Herr Erler.

    Erler: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Ensminger: Nach Fischer und Klose nun auch Sager. Sind diese Äußerungen der Beginn eines vorsichtigen Umschwenkens der Regierung?

    Erler: Nein, das ist es nicht. Ich darf die Position der Bundesregierung beziehungsweise der Bundestagsfraktion erläutern: Eine Lösung der Irak-Frage sollte aus unserer Sicht in der Verantwortung der Vereinten Nationen bleiben, und wir werden jede Entwicklung, die dazu führt, unterstützen. Aber in dieser Logik kann das nur in einem Verhandlungsprozess passieren, ähnlich dem, der auch in der Vergangenheit zu dieser UNO-Resolution 1441 geführt hat. Einen solchen Verhandlungsprozess kann man nicht machen, wenn man sich auf irgendwelche fiktiven Lösungen am Ende dieses Prozesses vorfestlegt, und insofern ist es klar, dass man ohne Vorfestlegung in einen solchen Verhandlungsprozess hineingehen will, und das ist genau das, was Joschka Fischer zum Ausdruck bringen wollte.

    Ensminger: Das heißt, nicht festlegen, aber auch, dass ein Ja nicht ausgeschlossen ist?

    Erler: Das heißt allerdings auch, dass es bei der eigenen Entscheidung bleiben wird, sich nicht an einer militärischen Aktion, einer militärischen Intervention im Irak zu beteiligen. Das bleibt davon völlig unberührt.

    Ensminger: Nun stellt sich die Frage, warum sich Joschka Fischer ausgerechnet jetzt so geäußert hat. Ist das nicht doch ein Zeichen, dass zumindest vor dem Sitz im UNO-Sicherheitsrat hier Vorbereitungen auch für die Öffentlichkeit getroffen werden sollen?

    Erler: Ich denke, das ist ein Zeichen dafür, dass an Deutschland ein solcher Idealfall, und als solches würde ich es bezeichnen, wenn tatsächlich die Irak-Frage innerhalb der Verantwortung des Sicherheitsrates gelöst würde, dass eine solche Lösung an einer deutschen Haltung nicht scheitern wird.

    Ensminger: Es wird an der deutschen Haltung nicht scheitern bedeutet aber, wenn ich sie richtig verstehe, dass Sie sich auf jeden Fall Ihren Partnern anpassen auch wenn die Ja sagen?

    Erler: Nein, sehen Sie mal: Wir haben bei der Resolution 1441 eine größtmögliche Autorität der Vereinten Nationen dadurch bekommen, dass es nach einem Verhandlungsprozess bei dem alle Seiten, auch die amerikanische, Kompromisse gemacht hat, nachher eine Einmütigkeit in der Beschlussfassung, sogar einschließlich Syriens, gegeben hat. Das hat die größtmögliche Autorität der Vereinten Nationen hervorgebracht und es wird auf keinen Fall an Deutschland scheitern, dass es bei dieser größtmöglichen Autorität auch bei den weiteren Schritten bei einer Lösung der Irak-Frage bleiben wird.

    Ensminger: Das heißt, Sie fahren den Kurs mit, egal wo er hingeht?

    Erler: Nein, es geht nicht darum, irgendeinen Kurs mitzufahren, sondern einen echten Verhandlungsprozess in den Vereinten Nationen nicht zu behindern. Deutschland wird diesen Verhandlungsprozess nicht behindern, sondern wird sich aktiv an ihm beteiligen, und der muss, wenn man ihn ernst nimmt, ergebnisoffen sein.

    Ensminger: Mal andersherum gefragt: Kann sich Deutschland überhaupt ein Nein auch mit Blick auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen leisten?

    Erler: Deutschland wird nur das unterstützen können, was es auch politisch verantworten kann, ohne deswegen die eigene Position aufzugeben, dass es sich bei einer militärischen Intervention nicht beteiligen wird. Aber das gilt für alle Länder, die an einem solchen Verhandlungsprozess teilnehmen.

    Ensminger: Sie sagen es selbst: "was politisch verantwortet werden kann". Nun war immer die Ablehnung von einem Irak-Krieg sehr deutlich gemacht worden. Die Ablehnung beziehungsweise eine Beteiligung, sagen Sie, wird es nach wie vor nicht geben. Wie steht denn die Haltung Deutschlands zu einem möglichen Irak-Krieg? Auch weiterhin Ablehnung?

    Erler: Es ist ja so, dass hinter dem Nein und dem Ja von verschiedenen Nationen etwa im Unterschied der Amerikaner zu mehreren europäischen Nationen auch eine unterschiedliche Einschätzung der Wirkungen entsteht, und insofern beruht ja auch unsere Ablehnung, selbst an einem Irak-Krieg teilzunehmen, darauf, dass wir eine Analyse haben, dass das zu einer völligen Destabilisierung der Region führen wird und dass es wahrscheinlich auch das Thema Irak gar nicht lösen wird. Darauf hat Joschka Fischer auch noch einmal hingewiesen. Diese Einschätzung werden wir natürlich in einem solchen Verhandlungsprozess einbringen. Das ist völlig klar. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass unter Umständen andere Nationen zu einem anderen Ergebnis kommen, und deswegen kann man nicht mit irgendwelchen Vorfestlegungen in solche Gespräche hineingehen.

    Ensminger: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es nach wie vor erhebliche Bedenken gegen einen möglichen Angriff, gegen militärische Intervention?

    Erler: Ja, selbstverständlich, denn diese Bedenken sind ja der Grund, und der einzige Grund, dass wir gesagt haben: Deutschland wird sich auf keinen Fall mit Soldaten oder mit Geld an einem Irak-Krieg beteiligen.

    Ensminger: Warum aber kann man sich dann nicht zu einem Nein durchringen?

    Erler: Wieso? Wir haben ja das Nein für eine eigene Beteiligung erklärt.

    Ensminger: Im UNO-Sicherheitsrat geht es aber um etwas anderes.

    Erler: Aber es macht keine Sinn, die Autorität der Vereinten Nationen in Frage zu stellen, indem man von vornherein sagt: Wir wissen schon, dass wir einem bestimmten Ergebnis dieses Verhandlungsprozesses innerhalb des Sicherheitsrates nicht zustimmen werden. Damit fördern wir nicht diesen Verhandlungsprozess, den wir wollen und den wir begrüßen, sondern damit würden wir ihn behindern, und deswegen kann man das nicht tun.

    Ensminger: Ich merke schon, Sie wollen und können sich wahrscheinlich auch noch gar nicht festlegen, aber nun hat es ja erhebliche Kritik seitens der Grünen gegeben, zum Beispiel vom grünen Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann, der kritisierte, wer von der Sinnlosigkeit und Gefährlichkeit eines Irak-Krieges überzeugt sei, der müsse auch im Sicherheitsrat dafür votieren und dürfe nicht sein Fähnchen nach der Mehrheit richten. Also, genau das Gegenteil von dem was Sie gerade sagen: sie müssen sich auch nach der Mehrheit richten. Wenn die Bundesregierung also klar zum Nein steht beziehungsweise wenn noch nicht klar ist, wie entschieden wird, wie gefährdet ist dann die Koalition?

    Erler: Ich glaube nicht, dass es die Koalition gefährdet, denn auch die Grünen haben mehrheitlich die Position, dass das Wichtigste ist, die Autorität der Vereinten Nationen aufrecht zu erhalten und nach Möglichkeit eine Irak-Krise auf der Basis der Verantwortung der Vereinten Nationen zu erreichen. Das ist wirklich eine große gemeinsame Position, und wer das will, der muss in der Logik auch sagen, dass es keine Vorfestlegungen geben darf.

    Ensminger: Vorfestlegung ist die eine Sache. Die wird allerdings, zumindest was das Nein angeht, gefordert. Die Grünen zumindest könnten Sie mit ihrer momentanen Haltung auch gegenüber der Öffentlichkeit in die Bredouille bringen. Nehmen Sie das in Kauf?

    Erler: Also, erstens mal ist der Außenminister ja selber Mitglied der Grünen Fraktion und der Grünen Partei und hat auch da eine große Autorität, und deswegen ist seine Position vielleicht noch wichtiger als die Winfried Hermanns, der kein Außenpolitiker ist, aber ich bin davon überzeugt, dass ich auch ihn davon überzeugen kann, wie wichtig es ist, dass wir diesen multilateralen Prozess zur Lösung der Irak-Krise und der Irak-Frage befördern und nicht behindern, das heißt, dass ich unser Argument gegen einen Irak-Krieg, gegen eine militärische Intervention und das Festhalten an den Chancen, die es immer noch gibt, einen solchen Krieg zu vermeiden und trotzdem das Ziel einer Entwaffnung des Regimes in Bagdad zu erreichen, ihm und auch anderen klarmachen kann und dass trotzdem daran festgehalten werden muss, dass wir natürlich unsere Argumente in diesen Verhandlungsprozess innerhalb der Vereinten Nationen einbringen müssen.

    Ensminger: Das heißt aber, dass es da noch eines Überzeugungsprozesses bedarf?

    Erler: Ja, das ist aber auch ganz normal, denn das ist eine global wichtige Frage, in der jedes Land seiner eigenen Verantwortung folgen muss. Deutschland hat keine leichte Position, weil es für sein eigenes Verhalten eine Entscheidung getroffen hat, sich nicht an einer militärischen Intervention zu beteiligen. Es wird seine Gründe dafür in diesen Diskussionsprozess einbringen, aber es wird alles tun, damit am Ende die Verantwortung der Vereinten Nationen für diese große Krise, vor der wir stehen, unangetastet bleibt.

    Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch. Gernot Erler war das, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und zuständig für die internationale Politik.

    Link: Interview als RealAudio