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Möglicher US-Ausstieg aus Klimaschutz
"Die neue Rolle nutzen, um wieder nach vorne zu gehen"

Wenn die USA aus den Pariser Klimaabkommen aussteigen, dann habe das sehr wohl Auswirkungen, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms im Deutschlandfunk. Der Rest der Welt müsse damit umgehen lernen. Für Europa bedeute das vor allem, wieder eine Führungsrolle beim internationalen Klimaschutz zu übernehmen.

Rebecca Harms im Gespräch mit Jasper Barenberg | 01.06.2017
    Rebecca Harms spricht auf einer Delegiertenkonferenz, im Hintergrund ist die Europafahne zu sehen
    Rebecca Harms (imago stock&people)
    Jasper Barenberg: Die Entscheidung ist gefallen. Das jedenfalls melden Medien und Agenturen und verweisen auf Quellen im Weißen Haus. Demnach wird US-Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und sich damit in einem wichtigen Punkt von der Weltgemeinschaft abwenden. Schon im Wahlkampf hat Trump den Klimawandel ja als eine Erfindung der Chinesen bezeichnet, um der amerikanischen Wirtschaft zu schaden. Mit dem Ausstieg wären die USA an der Seite etwa von Syrien oder Nicaragua, das einzige Land, das sich nicht darauf verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu verringern. – Am Telefon ist die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms. Einen schönen guten Morgen.
    Rebecca Harms: Guten Morgen.
    Barenberg: Frau Harms, von der Bundesumweltministerin, von Barbara Hendricks von der SPD ist dieser Tage zu hören, ob Trump nun aus dem Vertrag aussteigt oder nicht, das sei fast unerheblich. Sagen Sie auch, das ist eigentlich egal?
    "Egal ist das nicht"
    Harms: Ich würde nicht sagen, dass das egal ist, weil das schon einen großen Unterschied macht, ob sich die Nation Vereinigte Staaten von Amerika auch verbindlich verpflichtet auf die Erreichung der gemeinsam vereinbarten Klimaschutzziele. Und wir haben viele Jahre erlebt, in denen die USA auf Distanz geblieben sind, zusammen auch mit China. Der eigentliche große Durchbruch, der in Paris geglückt ist, war, auch diese Länder zu verbindlichen Akteuren im internationalen Klimaschutz zu machen, und wenn die USA aussteigen, dann muss der Rest der Welt einen Umgang damit finden. Ich glaube auch, dass das möglich ist. Aber egal ist das nicht.
    Barenberg: Barbara Hendricks argumentiert ja so oder so, die USA werden in keinem Fall eine Führungsrolle mehr in der Klimaschutzpolitik übernehmen. Stimmt das denn nicht?
    Harms: Hoffentlich übernehmen die Europäer wieder eine Führungsrolle beim internationalen Klimaschutz. Hoffentlich führt dieses Spiel von Donald Trump, ein gefährliches Spiel, hoffentlich führt das dazu, dass die Europäer ihre Klimaschutzziele und ihre Strategien so aufstellen, dass wir wirklich ernsthaft eine Chance haben, die Ziele der CO2-Reduktion und der Dekarbonisierung bis 2050 zu schaffen. Weil ich glaube, dass die wirkliche Konsequenz ist aus dem Taktieren dort im Weißen Haus, dass die Europäer ernsthafter wieder ihre Führungsrolle finden müssen. Wir haben mal gut angefangen und wir haben mal gesagt, wir sind diejenigen, die das gute Beispiel geben und vorangehen, weil wir auch die Technologien haben und weil wir die wirtschaftliche Stärke haben. Das ist schlechter geworden in den letzten Jahren.
    Barenberg: Jetzt sagt der zuständige EU-Kommissar, Europa sei bereit, die Führung zu übernehmen. Wo stimmen da Worte und Taten nicht überein?
    Harms: Es ist immer wieder so, wenn wir die Zielvereinbarungen in Brüssel zwischen Europaparlament, Kommission und den Mitgliedsstaaten diskutieren, dass dann die Ziele, die in den einzelnen Sektoren, wie soll die Energieeffizienz gesteigert werden, wie soll der Ausbau der klimafreundlichen erneuerbaren Energien vorangetrieben werden, dass man dann doch merkt, dass Ziele unterstützt werden aus den Mitgliedsstaaten, die garantieren, dass wir die großen Ziele für 2050 nicht schaffen. Und ich finde das deshalb so bedauerlich, weil wenn die Europäische Union ein Zukunftsprojekt sozusagen griffbereit hat, mit dem wir wirtschaftliche Erholung, Innovation und auch Beschäftigung vorantreiben können, dann ist es das, was ich immer die Klimaunion nenne, und ich finde, Barbara Hendricks und alle sollten diese Situation, diesen Moment, in dem sie ja auch mit China über Klima verhandeln und die neue Rolle, nutzen, um wirklich wieder nach vorne zu gehen.
    "Beim Kohleausstieg nicht zögerlich vorangehen"
    Barenberg: Was bedeutet das denn zum Beispiel für die Bundesregierung? Deutschland steht ja im Moment so da, dass die eigenen Klimaziele, die selbstgesteckten Klimaziele hier in Deutschland gar nicht erreicht werden.
    Harms: Die Deutschen haben so wie andere sich neue Probleme gemacht mit der Kohle und der Kohleausstieg muss auch systematisch und nicht zögerlich vorangebracht werden. Das ist das ganz große Thema auch gegenüber Deutschland aus anderen EU-Ländern und man kann nicht irgendwie von den Polen immer mehr Ehrgeiz fordern, wenn man da selber zuhause schludert.
    Barenberg: Lassen Sie uns noch mal über Donald Trump sprechen und die Entscheidung in Washington. Jetzt sagen ja einige, der Schaden würde größer sein, wenn er im Pariser Abkommen bliebe, als wenn er austreten würde mit einem klaren Schnitt. Denn blieben die USA drin, dann könnten sie die Fortentwicklung, die Umsetzung, die Weiterentwicklung unterminieren. Was halten Sie von diesem Argument?
    Harms: Es gibt langjährige Erfahrungen in den internationalen Verhandlungen, dass diejenigen, die in der Rahmenkonvention drin sind und dann nicht wollen, dass die wirklich Sand im Getriebe sein können. Es gab lange die Situation, dass die Amerikaner immer gesagt haben, wir springen nur, wenn die Chinesen mitmachen, die Chinesen haben gesagt, wir aber nur, wenn die Amerikaner weitergehen. Aus dieser Situation sind wir aber eigentlich mit der Vereinbarung von Paris raus.
    "Wann kommt endlich wieder die Zeit nach Donald Trump?"
    Barenberg: Das Argument lautet ja, für den Augenblick ist es gar nicht so schlimm, wenn es jemanden im Weißen Haus gibt, der aussteigt, das kann die Klimapolitik wegstecken. Richtig gefährlich würde es erst, wenn das auf Dauer so bliebe.
    Harms: Na ja. Ich glaube, nicht nur ich denke öfter mal, wann kommt endlich wieder die Zeit in Washington nach Donald Trump. Allerdings gibt es auch unter seinen Parteifreunden richtig starke Klimaskeptiker und Gegner des internationalen Klimaschutzes. Die Zeit nach Trump, die irgendwann anbricht, die garantiert noch nicht offensive und innovative Klimapolitik in den USA. Aber ich weiß einfach, dass wir nach dem Durchbruch in Paris angefangen haben, global glaubwürdiger zu agieren, weil wir diese Verpflichtungen auch aus den USA und aus China hatten, und wir dürfen diesen Prozess nicht durch Spekulationen über Entwicklungen in den USA belasten. Wir wollten vielmehr auch darauf achten, was in den Staaten in den USA passiert. Auch in der Zögerlichkeit von Regierungen vor Donald Trump gegenüber Klima haben viele Kontakte stattgefunden zu Kalifornien und anderen Staaten. Und in den USA gibt es seit langem auch mehr klimafreundliche wirtschaftliche Entwicklungen, als wahrgenommen wird, wenn man nur über die nationale Ebene diskutiert, und ich glaube, das ist eine Strategie, zu der wir auf jeden Fall zurückkehren sollten.
    Barenberg: Die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms heute Morgen hier live im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für Ihre Zeit, Frau Harms.
    Harms: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.