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"Möglichst früh mit Treibhausgasminderung beginnen"

Angesichts der aktuellen Klima-Diskussion hat Claudia Kemfert, Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, auf die hohen Folgekosten des Klimawandels hingewiesen. Diese könnten weltweit bis zu 20 Prozent des Bruttossozialprodukts betragen. Die möglichst frühzeitige Umstellung auf erneuerbare Energien wäre auf jeden Fall lohnend, sagte Kemfert.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Von einem historischen Ereignis sprach gestern UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beim Abschluss der UN-Klimakonferenz in New York. Als Beleg dafür verwies er auf die hochkarätige Besetzung. 80 Staats- und Regierungschefs berieten über den Kampf gegen den Klimawandel. Nicht dabei war allerdings ein Vertreter des weltgrößten CO2-Emittenten: der USA. Denn Präsident George W. Bush hat seinerseits die 16 größten Produzenten von Treibhausgasen und die EU zu einer weltweiten Klimakonferenz nach Washington eingeladen, die Ende der Woche stattfinden soll. Trotzdem sehen sich die Staatschefs auf dem richtigen Weg, wenn auch noch nicht mit dem richtigen Fahrzeug.

    Schon vor einigen Wochen hatte Bundeskanzlerin Merkel einen neuen Vorschlag zur Begrenzung der CO2-Emissionen in die internationale Debatte eingebracht, die Obergrenzen nicht pro Staat festzulegen, sondern pro Kopf. Damit kommt sie vor allem den Schwellenländern entgegen und berührt ein Thema, das der ehemalige Leiter des UN-Klimaprogramms Klaus Töpfer für entscheidend hält in der Debatte um den Klimaschutz. Im Deutschlandfunk sagte er heute Morgen:

    Töpfer: " Es kann nicht sein, dass diejenigen, die bisher kostenlos CO2 in die Atmosphäre geschickt haben und damit diesen Belastungsprozess ja verantworten, der bisher entstanden ist, jetzt sagen, aber die anderen, die Habenichtse, dürfen deswegen überhaupt nicht anfangen, sich auch wirtschaftlich zu entwickeln und auch Energie dieser Art zu nutzen. Dies wird ein Knackpunkt auch in Bali sein."

    Schulz: Klaus Töpfer, ehemaliger Leiter des UN-Klimaprogramms, heute Morgen im Deutschlandfunk. Und über die möglichen Folgen des Klimawandels möchte ich jetzt sprechen mit Claudia Kemfert, Ökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Guten Tag!

    Claudia Kemfert: Guten Tag Frau Schulz!

    Schulz: Frau Kemfert, wenn die Durchschnittstemperaturen weiter steigen, worauf müssen wir uns einstellen?

    Kemfert: Wir müssen uns darauf einstellen, dass extreme Klimaereignisse weltweit immer mehr zunehmen werden. In Europa beispielsweise wird es im Frühjahr und im Herbst zu vermehrten Niederschlägen kommen, was Überflutungen auslösen kann. Dann wird es extrem heiße Sommer geben, auch mit Wasserknappheiten. Das haben wir teilweise schon mal ansatzweise gemerkt. Aber diese extrem heißen Sommer werden zunehmen und treffen natürlich auf solche Regionen wie Afrika besonders schwer, die eh schon von ihrer Ausgangslage benachteiligt sind. Oder Überflutungen im asiatischen Raum; auch das ist eine mögliche Folge.

    Schulz: Gibt es Schätzungen über die wirtschaftlichen Folgen?

    Kemfert: Ja. Wir haben es für Deutschland bewertet und es gibt die Studie von der britischen Regierung, die das für die Welt vorgenommen hat. Sir Nicolas Stern hat hier im vergangenen Jahr bewertet, dass Schäden weltweit von bis zu 20 Prozent des Bruttosozialprodukts auftreten können. Für Deutschland gerechnet - das haben wir gemacht - können das 3 Prozent des Bruttosozialprodukts sein, bis zu 800 Milliarden Euro für die nächsten 50 Jahre.

    Schulz: Das heißt also, auf den Stern-Bericht hat Bundeskanzlerin Merkel ja auch gestern in New York Bezug genommen, dass es volkswirtschaftlich günstiger ist, den Klimawandel jetzt zu bekämpfen als später die Folgen. Stimmt diese Formel so?

    Kemfert: Ja, das ist absolut richtig. Das bestätigen auch unsere Berechnungen, denn je früher wir beginnen mit der Treibhausgasminderung, desto kostengünstiger wird es im Zeitablauf, denn es wird immer schwieriger werden, so ganz plötzlich auf neue Techniken umzustellen. Beispielsweise das ganze Energiesystem in einer sehr kurzen Zeit auf erneuerbare Energien umzustellen, ist erst mal kaum möglich und auch volkswirtschaftlich sehr kostenintensiv. Auf der anderen Seite nehmen die Schäden durch die extremen Klimaereignisse auch immer mehr zu in der Zukunft, so dass es auf jeden Fall lohnend ist, möglichst früh mit Treibhausgasminderung zu beginnen.

    Schulz: Aber auf wen kommen die Kosten zu?

    Kemfert: Es ist natürlich so, dass wir gerade in den Industrieländern wie zum Beispiel Europa oder auch den USA mit solchen Schäden recht gut umgehen können, denn sie haben eine Größenordnung, die wir auch aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus bewerkstelligen können, auch wenn es irgendwann schwieriger werden wird. Aber die Kosten gerade in Afrika oder Asien sind natürlich immens höher. Dort gibt es sehr arme Regionen, die entsprechend hier auch sehr anfällig sind und erhebliche Schäden erleiden müssen. Da wird es zu Migrationen kommen und diese müssen dann entsprechend geleistet werden. Im Grunde genommen müssten die Industrieländer den Entwicklungsländern einen Geldfonds zur Verfügung stellen, damit sie die Klimaschäden beseitigen können, aber sich auch besser anpassen können, denn das ist der nächste Schritt.

    Schulz: Wenn wir auf Europa blicken, da scheint es ja auch eine Diskrepanz zu geben zwischen denjenigen, die die Kosten tragen müssen, und den Kostenverursachern. Es kommt ja vor allem aus der Industrie Widerstand gegen die CO2-Obergrenzen. Warum greift dieses wirtschaftliche Argument da nicht?

    Kemfert: Es trifft natürlich nicht die ganze Industrie. Wir müssen ja auch sehen, dass es durchaus Gewinner gibt durch den Klimaschutz, insbesondere solche Sektoren wie beispielsweise erneuerbare Energien oder auch Techniken, die in der Zukunft immer weiter eingesetzt werden, Energieeffizienztechniken, Gebäudeisolierung, intelligente Energiesysteme. All das ist natürlich ein Industriefaktor, der auch "made in Germany" bedeuten kann, dass hier auch Industriezweige durchaus positive Effekte haben werden. Aber gerade energieintensive Branchen wie zum Beispiel die Metallverarbeitung, die haben natürlich wenig Möglichkeiten, jetzt Klimaschutz zu betreiben. Von denen kommt natürlich auch erheblicher Widerstand.

    Schulz: Heute Vormittag hat in Berlin der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Thumann gesagt, bis 2020 sei eine Minderung der CO2-Emissionen um 30 Prozent das äußerste. Bundeskanzlerin Merkel strebt ja 40 Prozent an. Jeder Prozentpunkt über die 30 Prozent hinaus koste sehr viel Geld. Das heißt also der alte Gegensatz zwischen Wirtschaft und Umweltschutz gilt weiter?

    Kemfert: Ich würde es auch einmal positiv sehen, wenn man sieht, wie sich der BDI in der Vergangenheit positioniert hat. Hier hat der BDI zum ersten Mal eine Studie vorgelegt die bestätigt, dass 30 Prozent Emissionsminderung in Deutschland ohne großen volkswirtschaftlichen Aufwand möglich sind. Das ist mal etwas völlig Neues und die Studie ist auch sehr gelungen. Das sollten wir auch zum Anlass nehmen zu sehen, dass wir tatsächlich viele Potenziale haben.

    Die 40 Prozent sind in der Tat dann teuer. Das bestätigen auch unsere Berechnungen. Allerdings sind sie auch möglich. Nur denke ich sind die 30 Prozent als Zielmarke ja auch erst mal sehr positiv und man wird dann sehen, was man weiterhin darüber hinaus tatsächlich leisten kann und vor allen Dingen in welchem Zeitraum.

    Schulz: Wo liegen die Potenziale?

    Kemfert: Die Potenziale liegen natürlich in erster Linie bei den Energieeffizienzmaßnahmen, gerade im Gebäudeisolierungsbereich, auch im Fahrzeugbereich. Das sind sehr kostenminimierende Möglichkeiten. Da kann man regelrecht Kosten sparen. Auf der anderen Seite gibt es dann sehr teuere Techniken, die heute auch noch erforscht werden müssen, wie zum Beispiel die saubere Kohletechnik. Der Atomausstieg, wenn er denn so stattfindet, wird auch hier teuerer werden, als wenn man die Laufzeiten verlängern würde und in dieser Zeit neue Techniken entwickelt, die man dann auch zum Einsatz bringen kann.

    Schulz: Sagt Claudia Kemfert, Ökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Vielen Dank für diese Einschätzungen.

    Kemfert: Ich danke Ihnen!