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Mohammed Mursis Äußerungen "sind hasserfüllt"

Die antisemitischen Äußerungen von Mohammed Mursi in einem Video von 2010 haben Joachim Hörster von der Deutsch-Arabischen Parlamentariergruppe nicht überrascht. Es müsse unterschieden werden zwischen dem, was Mursi als Muslimbruder-Kandidat gesagt habe und als ägyptischer Präsident jetzt praktiziere.

Joachim Hörster im Gespräch mit Christine Heuer |
    Christine Heuer: Mit Husni Mubarak waren Israel und seine Unterstützer im Nahostkonflikt eigentlich ganz gut gefahren. Es herrscht Frieden zwischen Ägypten und Israel – immerhin. Und Ägypten ist eine wichtige diplomatische Größe, um den brüchigen Frieden in der Region halbwegs abzusichern. Als der Muslim-Bruder Mohammed Mursi ägyptischer Präsident wurde, machten sich deshalb viele Sorgen. Doch Mursi bewährte sich. Als der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern im November zuletzt eskalierte, trug er viel dazu bei, die Lage wieder zu beruhigen. Und jetzt das: In einem Video aus dem Jahr 2010 ist Mursi zu sehen und vor allem zu hören, wie er Israelis beleidigt und bedroht. Mursis Auftritt sorgt jetzt weltweit für Empörung.

    Wir wollen dieses Thema jetzt besprechen mit dem CDU-Außenpolitiker Joachim Hörster. Er ist auch Mitglied im Präsidium der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft. Guten Tag, Herr Hörster!

    Joachim Hörster: Guten Tag, Frau Heuer!

    Heuer: Mohammed Mursi, Herr Hörster, hat ja bei der letzten Nahostkrise – wir haben das ja gerade noch mal ausführlich gehört – erfolgreich vermittelt. Sind Sie jetzt überrascht über seine antisemitischen Äußerungen?

    Hörster: Eigentlich nein. Ich bin nur überrascht, zu welchem Zeitpunkt das aufbereitet wird, weil ja im Grunde genommen schon seit Längerem bekannt ist, dass Mursi entsprechende Äußerungen gemacht hat, sie waren nur nie genau belegt und nicht genau definiert. Es ist ja auch immerhin schon drei Jahre her, dass er sie gemacht hat. Also wir wissen schon, dass Mursi eine Vergangenheit hat, die mit den Muslim-Brüdern zusammenhängt, mit dieser hasserfüllten Sprache gegen alles, was mit dem Westen und vor allem Israel zu tun hat, wobei er ja kein Einzelfall ist. Im Iran kennen wir ja eine ähnliche Sprache auch. Also im Grunde genommen ist es nicht gänzlich überraschend, dass darüber diskutiert wird, weil der ganze Sachverhalt schon länger bekannt ist, und ich glaube, ich brauche nicht besonders zu unterstreichen, dass wir diese Sprache und diesen Hass für unsäglich halten und es besser wäre, wenn er solche Äußerungen nie gemacht hätte, weil es natürlich seine Glaubwürdigkeit infrage stellt. Auf der anderen Seite …

    Heuer: Herr Hörster, jetzt muss ich mal eine Frage zwischendurch stellen. Sie haben den Iran erwähnt. Das ist ja schlimm genug, dass jetzt ähnliche, auch in der Vehemenz ähnliche Äußerungen bekannt werden von Präsident Mursi in Ägypten. Wie groß ist denn der Schaden, der dadurch entsteht, dass man das jetzt anhören kann?

    Hörster: Ich glaube, der Schaden ist nicht größer, als es vorher schon Schaden angerichtet hatte, als diese Äußerungen kolportiert worden sind, ohne dass man sie belegt hat. Es ist einfach völlig unverträglich, dass solche Reden gehalten werden und solcher Hass verbreitet wird, und niemand ist dazu berechtigt, etwas Ähnliches zu machen. Das wird von uns abgelehnt, wir halten das für unsäglich und es gibt niemand, der da in irgendeiner Weise auch nur den Funken einer möglichen Rechtfertigung sehen würde in diesen Äußerungen. Diese Äußerungen sind hasserfüllt, sie sind nicht geeignet, den Frieden im Nahen Osten zu befördern. Schon gar nicht sind sie geeignet, den Ausgleich zwischen den vielen Bevölkerungsgruppen, die es im Nahen Osten gibt, herbeizuführen, und sie sind eigentlich eines Präsidenten unwürdig.

    Nun muss ich allerdings sagen: Er hat diese Äußerungen gemacht zu einem Zeitpunkt, wo er noch nicht Präsident war, und Sie haben ja in Ihrem Vorspann, Frau Heuer, auch darauf hingewiesen, dass Mursi, anders als es seine Rede vor drei Jahren hätte vermuten lassen, bei der Lösung des Gaza-Konfliktes ein verlässlicher Partner gewesen ist. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass er sich ändert.

    Heuer: Hat er seine Meinung geändert, glauben Sie das?

    Hörster: Ich glaube, dass das Amt ihm jedenfalls die Erkenntnis gebracht hat, dass seine Konfrontation mit dem Westen und fehlende Unterstützung durch den Westen für Ägypten einen großen Schaden für sein Land hervorrufen würde, und das will er nicht haben und deswegen wird er irgendwelche Wege suchen, um sozusagen akzeptiert zu werden in der Weise, dass er ein in Grenzen zwar, aber doch immerhin verlässlicher Bündnispartner ist.

    Heuer: Gut! Dann schauen wir in die Zukunft. Wenn Mursi sagt, man müsse Israel mit allen, auch mit militärischen Mitteln bekämpfen, wie ist es dann noch möglich, dass Israel mit so jemandem vertrauensvoll in der Zukunft zusammenarbeiten kann?

    Hörster: Na ja, das muss sich jetzt ja zeigen, ob dieser Satz, dass Israel mit allen Mitteln bekämpft werden müsse, ob der Satz jetzt auch für den Präsidenten Mursi gilt, denn der steht ja unter anderen Bedingungen – ganz davon abgesehen, dass kein Militär in Ägypten auch nur im Traum daran glaubt, etwa gegen Israel obsiegen zu können, wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung käme. Also wir müssen ganz klar unterscheiden zwischen dem, was Mursi als Kandidat bei den Muslim-Brüdern, als einer von mehreren, die um Führungsaufgaben gekämpft haben, gesagt hat und dem, was er jetzt als Präsident praktiziert. Ich glaube, da müssen wir unser Augenmerk drauf richten, und das wird auch das Hauptthema sein, wenn Mursi nach Deutschland kommt, um um Unterstützung zu bitten für eine Reform des ägyptischen Staates, und dann muss ihm klar gemacht werden, dass das nur auf einer Basis geht, die von wechselseitigem Respekt getragen ist.

    Heuer: Müssen wir, Herr Hörster, Mursi vertrauen, weil wir niemand Besseren haben in der Region?

    Hörster: Vertrauen müssen, das ist so eine Angelegenheit. Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass wir keinen anderen haben. Wir haben ja freie und allgemeine Wahlen in Ägypten verlangt. Nun sind die einigermaßen ordentlich abgelaufen und Mursi ist der erste Präsident in der Geschichte Ägyptens, der sich auf eine Abstimmung stützen kann. Und nun ist er da und andere haben wir nicht, um zu verhandeln, und deswegen müssen wir mit diesem gewählten Präsidenten ins Gespräch kommen und müssen ihn auf den Weg der Tugend führen. Das ist unsere Aufgabe, die wir haben. Diejenigen, die das nicht wollen, die möchten dann bitte darlegen, wie die Alternative aussehen soll und ob es etwa zu einem Abriss sämtlicher Gesprächsfäden führen soll, oder wie die Geschichte künftig gestaltet werden soll.

    Heuer: Sie haben den Besuch von Mohammed Mursi Ende Januar in Deutschland bereits erwähnt, Herr Hörster. Wenn Sie jetzt sagen, es müsse darauf ankommen, Mursi auf den Weg der Tugend zu führen, stellt sich natürlich die Frage: Was konkret soll die deutsche Bundeskanzlerin Mursi sagen bei der Gelegenheit?

    Hörster: Na ja, es ist für die Ägypter ganz besonders wichtig zu wissen, wie sich das gesellschaftliche Umfeld in Ägypten entwickeln muss, wenn man auf Investitionen aus dem Ausland – und da kommt ja im Wesentlichen nur der Westen infrage -, wenn man auf Investitionen aus dem Ausland hofft. Da brauchen wir Rechtssicherheit, da brauchen wir die Achtung der Menschenwürde, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, und alle diese Punkte müssen erreicht werden, damit Vertrauen entstehen kann zwischen den Gesellschaften. Und das wird man Mursi sehr deutlich bedeuten, da bin ich ganz sicher.

    Heuer: Also Geld gegen Wohlverhalten?

    Hörster: Geld gegen Wohlverhalten – ich würde mal so sagen: Hilfe gegen konstruktives Verhalten.

    Heuer: Kann man denn den Schaden heilen, der durch Mursis Hassreden entstanden ist, auch in den Bevölkerungen in der Region?

    Hörster: Ich glaube nicht, dass wir in der Lage sind, diesen Schaden zu heilen. Dieser Schaden kann nur dadurch geheilt werden, dass die praktische Politik in Ägypten so stattfindet, dass dieser Hass keinen Platz mehr findet. Das wird einige Zeit dauern, weil es ist ja in der arabischen Bevölkerung nicht nur in Ägypten, sondern auch in anderen Ländern durchaus verbreitet, solche Äußerungen zu machen, und das kann nur durch praktische Politik wieder ausgeglichen werden.

    Heuer: Und vielleicht auch dadurch, dass Mursi seine Äußerungen zurücknimmt und sich erklärt in dem Sinne, den Sie gerade insinuieren?

    Hörster: Das Präsidialamt in Kairo versucht ja schon, die Geschichte abzuschwächen, indem sie sagen, das sei aus dem Zusammenhang gerissen und das sei nicht richtig zitiert und vieles andere mehr. Ich glaube, dass es vergeblich ist zu erwarten, dass eine formelle Entschuldigung wegen dieser Äußerungen von Mursi erreicht werden kann. Er würde ja sein ganzes Gesicht in der arabischen Welt verlieren. Also ich glaube nicht, dass das erreichbar ist. Man muss realistisch bleiben und muss unter Hinweis auf die Äußerungen, die er gemacht hat, von ihm nun eine doppelte Anstrengung verlangen, dass man im Westen Vertrauen zu ihm fassen kann, und das muss er halt durch tätiges Handeln belegen.

    Heuer: Und jeder verdient eine zweite Chance?

    Hörster: Ja so würde ich das nicht sagen. Die Äußerungen sind ja schon so grässlich, dass man allergrößte Zweifel haben muss. Aber gleichwohl bin ich der Meinung, wir haben ja, wenn wir eine friedliche Lösung anstreben für diese Region, keine anderen Möglichkeiten, als darauf hinzuwirken, dass im praktischen Bereich der Politik halt eben vernünftig gehandelt wird und Vernunft einkehrt.

    Heuer: Der CDU-Außenpolitiker Joachim Hörster im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen, Herr Hörster.

    Hörster: Bitte sehr!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.