Jasper Barenberg: Die Sicherheitsbestimmungen rund um die Wettkampfstätten, heftige Kritik am ökonomischen Größenwahn der Olympischen Spiele, der immer wiederkehrende Verdacht der Korruption, der Vetternwirtschaft, der Selbstgerechtigkeit im Internationalen Olympischen Komitee – über all das wurde im Vorfeld der Olympischen Spiele diskutiert und wird auch weiter gestritten, zu Recht. Heute aber, am Tag der Eröffnung, soll hier im Deutschlandfunk das im Mittelpunkt stehen, worum es vor allem in London gehen soll, jedenfalls gehen sollte: um Sport, um Athleten, um ihren Ehrgeiz, ihren Einsatz.
Aus deutscher Sicht verkörpert der Deutschland-Achter die Hoffnung auf Gold in London, das Flaggschiff des deutschen Ruderverbandes, unter anderem jedenfalls. Über das Ziel, das olympische Finale am 1. August zu erreichen, habe ich vor dieser Sendung mit Martin Sauer sprechen können, dem Steuermann des Achters, ihn aber zunächst gefragt, ob die Ruderer vor Ort denn gut untergebracht sind.
Martin Sauer: Ja. Wir sind erst mal vom Quartier gut untergebracht. Wir sind ja in diesem Dorf etwas außerhalb für die Ruderer und Kanuten und das ist so weit alles in Ordnung, Verpflegung und so weiter. Der Weg zur Strecke ist leider noch ein bisschen weit und wird auch durch die Sicherheitsmaßnahmen noch ein bisschen aufgehalten, aber alles in einem erträglichen Maß. Das sollte den Wettkampf nicht beeinflussen.
Barenberg: Lassen Sie uns über das Sportliche reden. Wie wichtig sind Sie denn als Steuermann für den Erfolg des Bootes in einem Rennen?
Sauer: Ja da fragen Sie mal den richtigen. Ich gehe mal davon aus, dass ich sehr wichtig bin. Ansonsten könnte ich es mir ja auch sparen, hier mitzufahren.
Barenberg: Ihre Team-Kollegen sagen, er trifft im Rennen die Entscheidungen, wir rudern.
Sauer: Ja. Das klingt ein bisschen lapidar, aber es ist im Grunde schon richtig. Die Jungs konzentrieren sich voll auf das Rudern, auch das Boot, das Boot so schnell wie möglich zu bewegen, das ist auch ihr Hauptjob, und ich habe natürlich den Kopf und die Hände frei, um mich einfach darum zu kümmern, was macht gerade der Gegner, wo setzen wir einen Spurt, wo versuchen wir, uns davonzuschieben, oder wo kann man wieder ran und so weiter. So eine Entscheidung, die soll ich natürlich treffen, weil ich auch die Möglichkeit habe, das zu tun, und weil das eigentlich auch die typische Steuermannsaufgabe ist.
Barenberg: Sie treten auch in den Hintern sozusagen, wenn es nötig ist?
Sauer: Wenn es nötig wäre, würde ich das auch tun. Ich muss aber sagen, über die ganzen Jahre jetzt: wir haben wirklich eine tolle Mannschaft, die ist hoch motiviert und die muss man eigentlich nicht noch vorantreiben, sondern eher in ganz starken Momenten auch mal kurz ein bisschen bremsen, damit sie sich nicht total übernehmen.
Barenberg: Was ist denn so eine typische Kampfansage, wenn es darum geht, jetzt noch einen Zahn zuzulegen?
Sauer: Da gibt es keine typischen Ansagen, wenn man bei dem Wort bleiben will. Das kommt auf die Situation an. Man kennt sich ja jetzt über die Jahre, wir kennen uns, wir wissen, was wir im Trainingslager gemacht haben, und da findet man natürlich auch die Worte. Die müssen aber auch der Situation angemessen sein und wir brauchen auch keine spezielle Kampfansage. Wir haben jetzt keine Codewörter oder irgendwas, sondern wenn ich den Jungs sage, jetzt geht's los, jetzt geht's um alles, dann wissen die schon, was gemeint ist.
Barenberg: Beobachter sagen über das deutsche Team, über den Deutschland-Achter, kein anderes Team rudert mit so viel Gefühl und mit so viel Kraft. Würden Sie das unterschreiben, dass das zu den Stärken des Deutschland-Achters gehört, oder ist das zu hoch gehängt?
Sauer: Ja, es gehört schon zu unseren Stärken. Aber es wäre in dem Sinne zu hoch gehängt, dass wir das viel besser machen würden als alle anderen. Wir sind kein Obergefühlsteam und kein Oberkraftteam, wir liegen so in der Mitte irgendwo. Wir haben inzwischen eine physisch sehr gute Crew, aber wir haben auch nicht die Superfeinfühligen, die aber trotzdem immer noch mit sehr gutem Gefühl rudern, und momentan stimmt einfach die Mischung. Mit dem Einsatz, zusammen mit dem Willen, den die Mannschaft hat, das gepaart macht uns sicherlich stark zurzeit.
Barenberg: Sie haben 34 Rennen in Folge gewonnen zuletzt. Sie sind gewiss einer der Favoriten für olympisches Gold im Finale am 1. August. Ich gehe auch davon aus, dass das Ihr Ziel ist. Sind Kanada, England und Australien die großen Rivalen?
Sauer: Ja vor allem Großbritannien und Kanada sind sicherlich die Hauptrivalen. Die waren ja auch direkt hinter uns in Luzern. Wir haben gerade die Losungen gekriegt: wir treffen auf beide auch direkt im Vorlauf. Ich denke mal, die Australier sind eher so ein Außenseiterfavorit, so ein Geheimfavorit, Geheimtipp, die ganz großen Chancen haben die nicht, aber sind eher noch Medaillenkandidaten als andere.
Barenberg: Wie kann man denn als Zuschauer von außen sehen, dass es gerade besonders gut läuft?
Sauer: Wie kann man das von außen sehen? – Im optimalen Fall sieht das der Zuschauer daran, dass sich unser grünes Boot so langsam von den anderen entfernt. Dann können wir davon ausgehen, dass es bei uns ganz gut läuft.
Barenberg: Und wie sieht es aus, wenn es besonders schlecht läuft, außer dass Sie zurückfallen vielleicht?
Sauer: Ja. Rudern ist ja ein Sport, da bewegen sich alle doch ziemlich am Limit. Alle Mannschaften sind in der Lage, ein Boot doch ziemlich gut geschlossen zu bewegen. Und die Feinheiten sind doch sehr schwer vom Kern hin zu erkennen, wenn nicht gerade einer zurückfällt. Und wenn es sehr schlecht aussieht von außen, also nicht gut zusammen, sehr unrhythmisch wirkt, dann läuft es wirklich schon so verdammt schlecht, dass für die Mannschaft auch nichts mehr zu holen ist.
Barenberg: Was entscheidet am Ende darüber, wer die Nase vorn hat?
Sauer: Wir haben eine sehr komplexe Sportart. Ich denke mal, am Ende alles. Die Kraft, die Technik, die muss optimal passen an dem Tag, der Fitnessstand auf einem optimalen Niveau sein und ich denke mal auch der Wille, sich am Ende richtig kaputt zu machen, um das Ding möglichst nach hause zu fahren. Das wird die Entscheidung bringen.
Barenberg: Es heißt ja immer, dass die letzten 200 Meter die reine Hölle sind, jeder Schlag eine Qual, kann man lesen. Wie sieht das denn von Ihrem Platz als Steuermann aus?
Sauer: Bei mir hängt es auch davon ab, wie das Boot insgesamt läuft. Wenn es schlecht läuft, ist das für den Steuermann auch die Hölle, weil man natürlich dann versucht, alles zu tun, damit es irgendwie besser wird, und das ist in der Kürze des Rennens eine sehr anstrengende Aufgabe. Man muss auch sagen, die letzten 200 Meter sind meistens nicht das schlimmste, sondern die 500 Meter, die vor den letzten 200 Metern kommen, weil auf den letzten 200, da weiß immer jeder Ruderer, alles klar, jetzt ist es gleich vorbei, jetzt tut's zwar weh, aber jetzt ziehe ich einfach durch. Aber meistens tut es schon ab der 1000-Meter-Marke verdammt toll weh und die 800 Meter, die dazwischen liegen, die bringen auch deswegen häufig die Entscheidung, weil das eigentlich die pure Hölle ist, weil es einfach nicht enden will. Und auf den letzten 200 weiß eigentlich jeder, Mensch, jetzt haben wir es gleich geschafft.
Barenberg: Martin Sauer, Steuermann des Deutschland-Achter, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen dafür!
Sauer: Ja gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aus deutscher Sicht verkörpert der Deutschland-Achter die Hoffnung auf Gold in London, das Flaggschiff des deutschen Ruderverbandes, unter anderem jedenfalls. Über das Ziel, das olympische Finale am 1. August zu erreichen, habe ich vor dieser Sendung mit Martin Sauer sprechen können, dem Steuermann des Achters, ihn aber zunächst gefragt, ob die Ruderer vor Ort denn gut untergebracht sind.
Martin Sauer: Ja. Wir sind erst mal vom Quartier gut untergebracht. Wir sind ja in diesem Dorf etwas außerhalb für die Ruderer und Kanuten und das ist so weit alles in Ordnung, Verpflegung und so weiter. Der Weg zur Strecke ist leider noch ein bisschen weit und wird auch durch die Sicherheitsmaßnahmen noch ein bisschen aufgehalten, aber alles in einem erträglichen Maß. Das sollte den Wettkampf nicht beeinflussen.
Barenberg: Lassen Sie uns über das Sportliche reden. Wie wichtig sind Sie denn als Steuermann für den Erfolg des Bootes in einem Rennen?
Sauer: Ja da fragen Sie mal den richtigen. Ich gehe mal davon aus, dass ich sehr wichtig bin. Ansonsten könnte ich es mir ja auch sparen, hier mitzufahren.
Barenberg: Ihre Team-Kollegen sagen, er trifft im Rennen die Entscheidungen, wir rudern.
Sauer: Ja. Das klingt ein bisschen lapidar, aber es ist im Grunde schon richtig. Die Jungs konzentrieren sich voll auf das Rudern, auch das Boot, das Boot so schnell wie möglich zu bewegen, das ist auch ihr Hauptjob, und ich habe natürlich den Kopf und die Hände frei, um mich einfach darum zu kümmern, was macht gerade der Gegner, wo setzen wir einen Spurt, wo versuchen wir, uns davonzuschieben, oder wo kann man wieder ran und so weiter. So eine Entscheidung, die soll ich natürlich treffen, weil ich auch die Möglichkeit habe, das zu tun, und weil das eigentlich auch die typische Steuermannsaufgabe ist.
Barenberg: Sie treten auch in den Hintern sozusagen, wenn es nötig ist?
Sauer: Wenn es nötig wäre, würde ich das auch tun. Ich muss aber sagen, über die ganzen Jahre jetzt: wir haben wirklich eine tolle Mannschaft, die ist hoch motiviert und die muss man eigentlich nicht noch vorantreiben, sondern eher in ganz starken Momenten auch mal kurz ein bisschen bremsen, damit sie sich nicht total übernehmen.
Barenberg: Was ist denn so eine typische Kampfansage, wenn es darum geht, jetzt noch einen Zahn zuzulegen?
Sauer: Da gibt es keine typischen Ansagen, wenn man bei dem Wort bleiben will. Das kommt auf die Situation an. Man kennt sich ja jetzt über die Jahre, wir kennen uns, wir wissen, was wir im Trainingslager gemacht haben, und da findet man natürlich auch die Worte. Die müssen aber auch der Situation angemessen sein und wir brauchen auch keine spezielle Kampfansage. Wir haben jetzt keine Codewörter oder irgendwas, sondern wenn ich den Jungs sage, jetzt geht's los, jetzt geht's um alles, dann wissen die schon, was gemeint ist.
Barenberg: Beobachter sagen über das deutsche Team, über den Deutschland-Achter, kein anderes Team rudert mit so viel Gefühl und mit so viel Kraft. Würden Sie das unterschreiben, dass das zu den Stärken des Deutschland-Achters gehört, oder ist das zu hoch gehängt?
Sauer: Ja, es gehört schon zu unseren Stärken. Aber es wäre in dem Sinne zu hoch gehängt, dass wir das viel besser machen würden als alle anderen. Wir sind kein Obergefühlsteam und kein Oberkraftteam, wir liegen so in der Mitte irgendwo. Wir haben inzwischen eine physisch sehr gute Crew, aber wir haben auch nicht die Superfeinfühligen, die aber trotzdem immer noch mit sehr gutem Gefühl rudern, und momentan stimmt einfach die Mischung. Mit dem Einsatz, zusammen mit dem Willen, den die Mannschaft hat, das gepaart macht uns sicherlich stark zurzeit.
Barenberg: Sie haben 34 Rennen in Folge gewonnen zuletzt. Sie sind gewiss einer der Favoriten für olympisches Gold im Finale am 1. August. Ich gehe auch davon aus, dass das Ihr Ziel ist. Sind Kanada, England und Australien die großen Rivalen?
Sauer: Ja vor allem Großbritannien und Kanada sind sicherlich die Hauptrivalen. Die waren ja auch direkt hinter uns in Luzern. Wir haben gerade die Losungen gekriegt: wir treffen auf beide auch direkt im Vorlauf. Ich denke mal, die Australier sind eher so ein Außenseiterfavorit, so ein Geheimfavorit, Geheimtipp, die ganz großen Chancen haben die nicht, aber sind eher noch Medaillenkandidaten als andere.
Barenberg: Wie kann man denn als Zuschauer von außen sehen, dass es gerade besonders gut läuft?
Sauer: Wie kann man das von außen sehen? – Im optimalen Fall sieht das der Zuschauer daran, dass sich unser grünes Boot so langsam von den anderen entfernt. Dann können wir davon ausgehen, dass es bei uns ganz gut läuft.
Barenberg: Und wie sieht es aus, wenn es besonders schlecht läuft, außer dass Sie zurückfallen vielleicht?
Sauer: Ja. Rudern ist ja ein Sport, da bewegen sich alle doch ziemlich am Limit. Alle Mannschaften sind in der Lage, ein Boot doch ziemlich gut geschlossen zu bewegen. Und die Feinheiten sind doch sehr schwer vom Kern hin zu erkennen, wenn nicht gerade einer zurückfällt. Und wenn es sehr schlecht aussieht von außen, also nicht gut zusammen, sehr unrhythmisch wirkt, dann läuft es wirklich schon so verdammt schlecht, dass für die Mannschaft auch nichts mehr zu holen ist.
Barenberg: Was entscheidet am Ende darüber, wer die Nase vorn hat?
Sauer: Wir haben eine sehr komplexe Sportart. Ich denke mal, am Ende alles. Die Kraft, die Technik, die muss optimal passen an dem Tag, der Fitnessstand auf einem optimalen Niveau sein und ich denke mal auch der Wille, sich am Ende richtig kaputt zu machen, um das Ding möglichst nach hause zu fahren. Das wird die Entscheidung bringen.
Barenberg: Es heißt ja immer, dass die letzten 200 Meter die reine Hölle sind, jeder Schlag eine Qual, kann man lesen. Wie sieht das denn von Ihrem Platz als Steuermann aus?
Sauer: Bei mir hängt es auch davon ab, wie das Boot insgesamt läuft. Wenn es schlecht läuft, ist das für den Steuermann auch die Hölle, weil man natürlich dann versucht, alles zu tun, damit es irgendwie besser wird, und das ist in der Kürze des Rennens eine sehr anstrengende Aufgabe. Man muss auch sagen, die letzten 200 Meter sind meistens nicht das schlimmste, sondern die 500 Meter, die vor den letzten 200 Metern kommen, weil auf den letzten 200, da weiß immer jeder Ruderer, alles klar, jetzt ist es gleich vorbei, jetzt tut's zwar weh, aber jetzt ziehe ich einfach durch. Aber meistens tut es schon ab der 1000-Meter-Marke verdammt toll weh und die 800 Meter, die dazwischen liegen, die bringen auch deswegen häufig die Entscheidung, weil das eigentlich die pure Hölle ist, weil es einfach nicht enden will. Und auf den letzten 200 weiß eigentlich jeder, Mensch, jetzt haben wir es gleich geschafft.
Barenberg: Martin Sauer, Steuermann des Deutschland-Achter, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen dafür!
Sauer: Ja gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.