Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Montenegro
Proteste gegen den Dauerherrscher

Montenegro gehört zu den Staaten, die künftig als sichere Herkunftsländer gelten sollen. Schon seit 2008 verhandelt das Land mit der EU, gerade erst votierte das Parlament für den Beitritt zur NATO. Die Opposition protestiert zwar, aber Ministerpräsident Milo Djukanovic scheint fest im Sattel zu sitzen - was nicht nur an seiner eigenen Stärke liegt.

Von Stephan Ozsváth | 07.10.2015
    Der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic wird in Brüssel von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker empfangen.
    Der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. (picture alliance / dpa / EPA / Julien Warnand)
    "Milo, du Dieb", skandieren die Protestierer in Podgorica. Seit Ende September ziehen immer wieder Tausende durch die Hauptstadt Montenegros und schmähen den starken Mann des Adria-Staates, Ministerpräsident Milo Djukanovic. Einige Hundert besonders hartnäckige Protestierer haben ein Zeltlager im Regierungsviertel errichtet.

    "Dies ist das freie Territorium Montenegros", erklärt Nebojsa Medojevic. "Wir haben es erkämpft und werden hier bleiben - friedlich und mit Würde, aber hartnäckig und entschlossen. Wir werden nicht mehr zulassen, dass wir bei den Wahlen bestohlen werden, so wie sie das bis jetzt gemacht haben."

    Zu den Protesten hat die Demokratische Front aufgerufen – ein Zusammenschluss mehrerer Oppositionsparteien. Hintergrund der Proteste: Mitte September hatte das Parlament in Podgorica für den NATO-Beitritt des Landes gestimmt. Die Opposition ist aber für ein Referendum in dieser Frage. Montenegro hat auch die Sanktionen gegen Russland mitgetragen. Die Folge waren erhebliche Einbußen in Landwirtschaft und Tourismus. Premier Milo Djukanovic sagt zur Kritik.

    "Jene, die heute im Namen der Opposition zu den Protesten aufrufen, sagen, dass die Regierung schlecht regiert. Darüber kann man ja diskutieren. Aber es geht eigentlich um etwas anderes: Das Ziel der Opposition ist, den NATO-Beitritt Montenegros zu verhindern. Denn sie glauben, so können sie leichter unsere Unabhängigkeit torpedieren."
    Opposition ist zu zerstritten
    Ein Seitenhieb auf eine kleine serbische Splitterpartei im Oppositionsbündnis. Djukanovic hatte 2006 Montenegro in die Unabhängigkeit geführt – ohne Krieg. Aus dem einstigen Waffenbruder Belgrads war ein Gegner geworden. Seit 24 Jahren sitzt Milo Djukanovic fest im Sattel: Mal als Parteichef der Nachwende-Sozialisten, mal als Präsident, mal als Premier – wie jetzt. Sein Clan beherrscht den 620.000 Einwohner zählenden Adria-Staat. Am kommenden Montag will das Oppositionsbündnis in 15 Städten gleichzeitig gegen Dauerherrscher Djukanovic protestieren, Der Premier soll nun abtreten, fordert Andrija Mandic vom Oppositionsbündnis.

    "Unser Ziel ist der Sturz der aktuellen und die Wahl einer Übergangsregierung, die die ersten fairen und demokratischen Wahlen in Montenegro vorbereiten und organisieren soll. Wir wollen keine Macht von der Straße aus erkämpfen. Wir wollen die Macht bei den Wahlen erringen, akzeptieren aber nicht, dass wir bei den Wahlen von irgendjemand bestohlen werden. Seit über zwanzig Jahren sind die Wahlen manipuliert."

    Doch dass Djukanovic die Macht abgibt – das ist sehr unwahrscheinlich. Zu zerstritten ist die Opposition. Vor zwei Jahren hatte das Verfassungsgericht Einwände abgeschmettert, die regierenden Sozialisten hätten Wahllisten manipuliert. Der letzte Fortschrittsbericht aus Brüssel attestierte dem EU-Beitrittskandidaten Montenegro erhebliche Mängel – etwa in Sachen Pressefreiheit oder in der Korruptionsbekämpfung.