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"Monty Python's Flying Circus"
Anarchische Comedyserie wird 50

Respektlos, verrückt und intelligent: Als das Wort „Comedy“ in Deutschland noch ein Fremdwort war, präsentierten sechs junge Komiker in der BBC Sketche, die oft die damaligen Grenzen des vermeintlich guten Geschmacks überschritten. Doch bald wurde die neue Serie zum Publikumsliebling.

Von Regina Kusch | 05.10.2019
    MONTY PYTHON'S FLYING CIRCUS [BR 1969] JOHN CLEESE, TERRY GILLIAM, TERRY JONES, GRAHAM CHAPMAN, MICHAEL PALIN, ERIC IDLE Date: 1969 (Mary Evans Picture Library) | Nur für redaktionelle Verwendung., Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
    Viele der Sketche von Monty Python's Flying Circus sind heute Fernsehklassiker (BBC / Ronald Grant Archive / Mar)
    Als Intro ertönte "The Liberty Bell", der Freiheitsglockenmarsch des amerikanischen Komponisten John Philip Sousa, zu surrealistischen Zeichentrickbildern. "Monty Python's Flying Circus" hieß die neue Comedyserie der BBC, die am 5. Oktober 1969 startete. Respektlos, verrückt und intelligent präsentierten sechs junge Komiker Sketche, die oft die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Da flogen Tiere und Menschen in die Luft, eine Gang alter Damen, Männer in Frauenkleidern, drangsalierte Passanten oder ein Gralsritter kämpfte nicht mit seinem Schwert, sondern mit einem toten Huhn. Diese absurden Späße gefielen dem Fernsehpublikum, weil sie die gängigen humoristischen Regeln ignorierten, so der Literaturwissenschaftler Andrew James Johnston von der Freien Universität Berlin.
    "Zum Beispiel war es ganz typisch für den englischen Humor, dass jeder Sketch eine Punchline hatte. Das heißt, es musste am Ende eine Pointe da sein. Und "Monty Python’s Flying Circus" hat systematisch angefangen, diese Pointen zu unterlaufen, also darauf zu verzichten und stattdessen mit einem neuen Sketch zu beginnen oder etwas völlig Absurdes an die Stelle der Pointe zu setzen."
    Die Beatles der Comedy
    "Monty Python", das waren John Cleese, Graham Chapman und Eric Idle, die in Cambridge studiert hatten, die Oxford-Absolventen Michael Palin und Terry Jones sowie der amerikanische Zeichner Terry Gilliam. Wegen ihrer anarchischen Komik galten sie bald als die "Beatles der Comedy", denn mit "Monty Python’s Flying Circus" war auch die englische Fernsehunterhaltung im Pop-Art-Zeitalter angekommen.
    Andrew James Johnston: "Circus wird im Englischen als Metapher gebraucht für Schlamassel oder Chaos. Monty hat dieses Element des traditionell Wichtigen, weil das die Abkürzung war für den Feldmarschall des Zweiten Weltkriegs Bernard Law Montgomery. Insofern war Monty ein leicht ironischer Angriff auf die nationalen Ikonen und Idole der Briten. Und Python ist eine Schlange und hat eine unangenehme, leicht eklige Aura."

    "Ich fäll den Baum und spring herum, an Blümchen hab ich Spaß,
    ich trage Frauenfummel und häng herum in Bars."
    Nummern wie der "Holzfällersong" veralberten gesellschaftliche Tabus und sorgten für Erheiterung und Empörung gleichermaßen.
    Kein Humor der Deutschen
    1971 produzierte Alfred Biolek zwei Folgen für die ARD. Doch beim deutschen Fernsehpublikum fiel die Serie durch.
    "Da hat man über Heinz Erhard gelacht, das war deutscher Humor. Das einzige bisschen Bissige war Kabarett, ‚Scheibenwischer‘, ‚Lach- und Schießgesellschaft‘, aber auch die war ganz anders, viel moralischer. Dieser Nonsens der Engländer, das war bei uns unbekannt. Wenn man es überhaupt übersetzen kann, ist es Blödsinn und Blödsinn ist bei uns absolut negativ besetzt, und Nonsens ist in England total positiv besetzt."
    Lachen über religiöse Formen
    Nach zwei erfolgreichen Serienstaffeln produzierte die Komikertruppe 1979 die Komödie "Das Leben des Brian" für die englischen Kinos. Heute ist die absurde Geschichte von Brian, der versehentlich für den Messias gehalten und schließlich gekreuzigt wird, ein unbestrittener Klassiker. Damals verurteilten viele Kritiker die Satire, die in Italien gar nicht erst nicht in die Kinos kam, als blasphemisch. Dabei folgte "Monty Python" damit der Tradition eines christlichen Humors, die es schon im Mittelalter gab, erinnert Andrew James Johnston.
    "Alle Witze, die gemacht werden, beziehen sich nicht auf Christus, sondern auf Brian, der gewissermaßen als Pseudochristus auftaucht. Und das ist etwas, was wir uns eben nicht vorstellen können, dass eine Welt gleichzeitig fromm sein und über ihren eigenen Glauben lachen kann. Und in gewisser Hinsicht ist ‚The Life of Brian‘ genau das. Die Religion wird nicht als solche in Frage gestellt, aber die religiösen Formen werden in ihrer Tendenz zur Absurdität oder ihren Möglichkeiten zur Satire genutzt."
    Bis heute beliebt
    1989, einen Tag vor dem 20. Jubiläum von "Monty Python’s Flying Circus", starb Graham Chapman. Erst 2014 traten die übrigen fünf Künstler wieder gemeinsam auf. Ihre Show in der Londoner O2-Arena war innerhalb von 44 Sekunden ausverkauft und 15.000 Zuschauer erlebten ein Revival der guten alten Gags der englischen Comedy-Avantgarde.