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Mosambik
G7 darf nichts von außen aufdrücken

Hunger bekämpfen, das wollen die G7-Staaten mit ihrer Neuen Allianz für Ernährungssicherheit. Luis Muchanga, Sprecher des mosambikanischen Bauernverbandes UNAC, fürchtet um die Existenz der Kleinbauern. Eine Industrialisierung der Landwirtschaft berge die Gefahr, dass die Kleinbauern ausgegrenzt würden - und hauptsächlich für den Export produziert werde.

Luis Muchanga im Gespräch mit Jule Reimer | 04.06.2015
    Frauen verkaufen auf einem Markt in Mosambik Gemüse.
    Noch bestimmen Kleinbauern und ihre Produkte die Landwirtschaft in Mosambik. (Imago / Gallo Images)
    Reimer: "TTIP stoppen, Armut bekämpfen, Klima retten". Unter diesem Motto werden heute mehrere Tausend Demonstranten auf der Gegenveranstaltung zum G7-Gipfel durch München ziehen. Hunger bekämpfen, das wollen die G7-Staaten mit ihrer Neuen Allianz für Ernährungssicherheit. Der Industriestaatenclub hat diese Initiative als Antwort auf die Explosion der Nahrungsmittelpreise 2008 aufgelegt – und zwar speziell für Afrika. Das milliardendollar-schwere Programm setzt explizit auch multinationale Agrarunternehmen als Entwicklungshelfer für die Kleinbauern dort ein. Alle könnten hier Gutes tun und gleichzeitig gewinnen, lautet die Devise: Bevölkerung, Unternehmen sowie Investoren wie Pensionsfonds in Europa und den USA, die die ihnen anvertrauten Gelder sinnvoll anlegen wollen.
    Luis Muchanga ist Sprecher des mosambikanischen Bauernverbandes UNAC und tritt heute in München auf dem alternativen Gegengipfel auf. Mosambik kennt in Anknüpfung an die Tradition keinen Privatbesitz an Land, der Boden gehört dem Staat beziehungsweise als Gemeinschaftsbesitz den Dorfgemeinschaften, ausländische Investoren können bisher dieses Land nur pachten. Kurz vor dieser Sendung fragte ich ihn, warum sein Verband das G7-Programm zur Verbes¬serung der Ernährungssicherheit ablehnt.
    Muchanga: Die G7 wollen die Ernährungssicherheit verbessern, indem sie die Landwirtschaft industrialisieren. Aber in Afrika, und erst recht in Mosambik herrscht die kleinbäuerliche Familienlandwirtschaft vor. Wenn diese Kleinbauern ohne Flankierung und ohne sie einzubeziehen in diesen Prozess hineingeworfen werden, riskiert man, dass der Agrarsektor zwar industrialisiert wird, die Kleinbauern aber ausgegrenzt werden. Von Win-Win bleibt dann: Null Gewinne für die Kleinbauern, und aber beträchtliche Gewinne für diejenigen, die in Afrika investieren.
    Reimer: Was meinen Sie mit Ausgrenzung, was muss ich mir vorstellen?
    Muchanga: In Mosambik wird 90 Prozent der Landwirtschaft von Kleinbauernfamilien betrieben. Deren Art der Produktion ist völlig verschieden von der industrialisierten Landwirtschaft. Das gilt erstens für die Form der Ackernutzung wie auch für die Intensität der Nutzung und genauso für die eingesetzte Technologie, alles ist anders.
    Reimer: Die Kleinbauern könnten nicht von den modernen Produktionsmitteln profitieren, die ein multinationales Unternehmen zum Beispiel im Rahmen der Vertragslandwirtschaft dem Kleinbauern anbieten würde?
    Muchanga: Ein multinationales Unternehmen muss in erster Linie maximalen Gewinn aus dem Land herausholen. Für den Kleinbauern geht es darum, seine Ernährung zu sichern und damit hat der Zugang zu einem eigenen Stück Land und bestimmten Produktionsmitteln eine völlig andere Bedeutung. Nehmen wir Saatgut. Auch die Kleinbauern nutzen mittlerweile teilweise fremdes Saatgut, das sich hier ans Klima anpasst, aber wer weiß, ob dieses Saatgut noch in ein paar Jahren zur Verfügung steht? Damit werden die Bauern möglicherweise abhängig von außen und dabei geht's nicht um den Anbau von Exportprodukten, sondern um die eigene Ernährungsbasis. Darüber hinaus steht diese Herangehensweise im Gegensatz zum nationalen Ziel, unabhängiger von Nahrungsmittelimporten zu werden.
    Reimer: Aber wenn generell die Produktivität in der Landwirtschaft verbessert wird, dann verbessert das doch auch die Ernährungssicherheit?
    Muchanga: Es kommt auf die Produkte an. Die meisten ausländischen Investoren legen ihr Geld in Soja und Eukalyptusbäumen für Zellulose an – für die Exportmärkte. Das kann durchaus die Wertschöpfung in der Landwirtschaft steigern, aber es bedient nicht die lokale Nachfrage. Gesucht werden Lebensmittel. Es reicht also nicht, nur auf den Umfang des Zuwachses zu schauen.
    Reimer: Mit einer modernen, industrialisierten Landwirtschaft gehen auch strengere Gesetze für und Anforderungen an den Vertrieb von Saatgut einher, um die Qualität zu sichern und wegen der erwünschten höheren Produktivität. Die Einführung dieser Gesetze ist eine Voraussetzung für ein Land wie Mosambik, um aus dem Fonds der G7-Staaten Geld zu erhalten. Warum sind Sie dagegen?
    Kleinbauern könnten ihre Unabhängigkeit verlieren
    Muchanga: Weil diese Gesetze ausgrenzen. Die neuen Gesetze ......
    Reimer: Ausgrenzend in welchem Sinne?
    Muchanga: ... grenzen die Kleinbauern aus. Heute beispielsweise haben die mosambikanischen Bauern noch die Freiheit, ihr Saatgut selbst zu produzieren und es zu tauschen. Mit den neuen Gesetzen wird ihr Saatgut voraussichtlich nicht mehr zum Tausch zugelassen. Diese Gesetze entziehen den Kleinbauern also das, was sie zuvor unabhängig machte, nämlich zu produzieren, was sie wollten und Saatgut zu tauschen, wann sie wollten.
    Reimer: Ein Moment mal bitte: Wenn die Landwirte im Rahmen des G7-Programms dann besseres Saatgut erhalten, fahren sie höhere Ernten ein, verkaufen mehr und können dann auch leichter das neue, bessere Saatgut kaufen und peu à peu erhöht sich auch generell das Produktionsniveau.
    Muchanga: Das neue Saatgut ist aber Teil eines ganz bestimmten Technologiepakets. Das ist HighTech-Saatgut, das heißt, das kaufen Sie im gleichen Geschäft, in dem Sie dann auch den dazugehörigen Dünger und die dazugehörigen Pestizide kaufen müssen. Wir brechen damit die gesamte Kultur der Kleinbauern auf.
    Gegen eine Ausbeutung der Kleinbauern
    Reimer: Kommen wir noch einmal auf die Investoren zurück. Der Deutschlandfunk hat vor drei Jahren über Konflikte und gebrochene Versprechen in einem Agrarprojekt mit Kleinbauern im nordmosambikanischen Niassa berichtet, Chikweti Forests. Einige Investoren – unter anderem der staatliche norwegische Pensionsfonds und der niederländi¬sche ABP-Fonds haben sich dann eingemischt und dafür gesorgt, dass sich die Dinge dort ändern. Investoren, die dafür sorgen, dass die Arbeitsgesetze eingehalten werden, die Kleinbauern richtig entlohnt werden, könnten die die mosambikanische Landwirtschaft voranbringen?
    Muchanga: Es gibt solche und solche Investitionen. Es gibt verantwortungsvolle Investoren, die das Land voranbringen wollen und es gibt andere, die nur den Reichtum Mosambiks ausbeuten wollen. Diese Investoren sind nach Niassa gereist, sie haben das Gespräch mit den Gemeinden und den Kleinbauern gesucht und Veränderungen herbeigeführt. Solche Investoren braucht Mosambik heute.
    Reimer: Was hätten die G7 besser machen können, um die Ernährungs-sicherheit in Mosambik zu stärken?
    Muchanga: Wir meinen erstens, die G7 hätten die Regierungen nicht auf diese Gesetzesänderungen verpflichten sollen. Wenn die G7 die Entwicklung der afrikanischen Staaten fördern wollen, dann, indem sie innere Entwicklungen unterstützen, die bereits gefassten Beschlüsse der Länder respektieren und ihnen nicht etwas von außen etwas aufdrücken. Wenn sie jetzt diese Saatgutgesetze und die Änderung unseres Landgesetzes fordern, dann zerstören sie das, was in unserem Land als Entwicklungsweg autonom diskutiert und beschlossen wurde. Wenn die G7 eine nachhaltige Kooperation wollen, müssen sie erst hinschauen und dann respektieren, welche Prioritäten die Länder selber gesetzt haben.