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Müller: "Das Saarland ist unverschuldet verschuldet"

Peter Müller (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes, hält das Ziel der Schuldenfreiheit des Bundes bis 2020 für richtig. Dies hatte die Föderalismuskommission II gestern avisiert. Laut Müller sei sein Bundesland in einer unverschuldeten Haushaltsnotlage; geplante Konsolidierungshilfen durch reiche Länder seien konstruktiv besprochen worden.

Peter Müller im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Was am Ende übrig blieb, ist bescheiden genug. Zwei Jahre lang haben Bund und Länder verhandelt. Der ursprüngliche Arbeitsauftrag lautete, weniger Bundesländer, neue Verteilung der Finanzen, Schuldenabbau. Doch davon blieb am Ende nur noch die Absicht übrig, verbindliche Regeln für die Begrenzung neuer Schulden zu verabreden, also die so genannte Schuldenbremse, damit der Berg von fast 1.600 Milliarden Euro Staatsschulden nicht immer noch weiter wächst. Bis gestern Abend tagte die Föderalismuskommission.
    Am Telefon ist nun Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU). Guten Morgen, Herr Müller!

    Peter Müller: Einen schönen guten Morgen.

    Spengler: Herr Müller, heißt grundsätzliche Einigung, dass es zur Schuldenbremse kommen wird, dass da nichts mehr anbrennt bis kommenden Donnerstag?

    Müller: Wir sind nicht endgültig durch, aber wir sind unmittelbar davor. Ich persönlich glaube, dass es am Donnerstag eine endgültige Einigung geben wird. Im Prinzip sind Fragen zu klären von nachgeordneter Bedeutung. Ich gehe davon aus, dass die Vereinbarung einer Schuldenbremse am Donnerstag feststeht.

    Spengler: Dann gehen wir davon aus, was bislang bekannt ist: keine neuen Schulden mehr ab 2020. Warum erst in elf Jahren?

    Müller: Wir brauchen Übergangszeiträume, und zwar alle Glieder der bündischen Gemeinschaft, der Bund ebenso wie die Länder. Wir sind zurzeit beispielsweise in einer ganz schwierigen Situation. Wir müssen durch die Entwicklung der Wirtschaft, durch die Finanzkrise zusätzliche Investitionen tätigen, das heißt zusätzliche Schulden aufnehmen. Ein ausgeglichener Haushalt ist in dieser Situation kurzfristig nicht darstellbar.

    Spengler: Das heißt, bis 2020 darf das Saarland zum Beispiel – wir bleiben mal beim Saarland, weil Sie der Ministerpräsident sind – neue Schulden machen?

    Müller: Das heißt, bis zum Jahr 2020 muss das Saarland einen Pfad beschreiten, wie die Neuverschuldung, die wir zurzeit machen, auf null zurückgeführt wird – schrittweise. Wir werden uns also diesem Ziel nähern. Wir können nicht von heute auf morgen auf null gehen. Das wäre nicht möglich, ohne dass das Land seine gesetzlichen Verpflichtungen verletzt. Also die Haushaltsdisziplin wird jetzt schon abverlangt. Nur die Ausgleiche der Haushalte, das wird ein Land wie das Saarland nicht über Nacht schaffen.

    Spengler: Hat das denn Ministerpräsident Seehofer von der CSU, der ja eigentlich wollte, dass die sehr verschuldeten Länder bis 2020 gar keine neuen Schulden mehr machen dürfen, eingesehen?

    Müller: Horst Seehofer hat gestern auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Konsolidierungshilfen auf der einen Seite und der Notwendigkeit klarer Regelungen einer Schuldenbremse auf der anderen Seite. Sein Argument war, wir zahlen Konsolidierungshilfen nur, sind dazu nur bereit, wenn am Ende des Weges tatsächlich auch eine effektive Schuldenbremse steht. Unter dieser Prämisse war er bereit, sich an den Konsolidierungshilfen zu beteiligen, und das begrüßen wir.

    Spengler: Also am Ende des Weges, das heißt irgendwie erst ab 2020 wird dann wirklich keine Neuverschuldung mehr beim Saarland stattfinden?

    Müller: Die Situation ist ja nicht nur eine Situation des Saarlandes, sondern ist ja auch eine Situation der anderen Glieder der bündischen Gemeinschaft. Der Bund wird in diesem Jahr eine Rekordverschuldung eingehen, auch im nächsten Jahr ganz hohe Verschuldungsraten übernehmen. Es geht nicht anders wegen der Wirtschaftskrise. Umso wichtiger und umso richtiger ist es, jetzt schon die Regeln zu bestimmen, wie wir diese zusätzlichen Schulden, die wir jetzt zu machen gezwungen sind, zurückführen.

    Spengler: Sie haben mehrfach Konsolidierungshilfe angesprochen. Das muss man kurz erklären. Sie haben gesagt, wir machen nur mit bei der Schuldenbremse, wenn uns die reicheren Länder und der Bund helfen, von den Altschulden nicht runterzukommen, aber zumindest von der Zinslast runterzukommen. Das heißt, Sie und die anderen Länder, Sachsen-Anhalt, Bremen zum Beispiel, sollen jährlich – wie viel sind es? – 900 Millionen Euro bekommen. Warum? Warum sollen sie dafür belohnt werden, dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben?

    Müller: Das Saarland befindet sich in einer Haushaltsnotlage und das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben – ganz im Gegenteil. Diese Notlage ist unverschuldet, hat mit strukturellen Verwerfungen zu tun. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Wir haben auch in der Kommission unseren Haushalt überprüfen lassen. Das Ergebnis dieser Überprüfung ist, dass wir uns nichts leisten, was andere Länder sich nicht auch leisten. Und weil wir etwa dadurch, dass wir überdurchschnittliche Lasten in bestimmten Bereichen zu tragen haben, eine schwächere Haushaltsstruktur haben, ist eine Ausgleichsnotwendigkeit gegeben. Ich freue mich, dass dies mittlerweile unstreitig ist zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern, und dass deshalb das Thema Konsolidierungshilfen gestern doch in einer sehr konstruktiven Weise besprochen worden ist.

    Spengler: Das heißt, das Saarland ist unverschuldet verschuldet?

    Müller: Das Saarland ist unverschuldet verschuldet. So ist es. Wir müssen die gesetzlichen Verpflichtungen erbringen wie jedes andere Mitglied der bundesstaatlichen Gemeinschaft auch. Wir haben einen überdurchschnittlichen Abfluss der Steuerkraft, beispielsweise nach Frankreich durch Doppelbesteuerungsabkommen, und wir haben vor diesem Hintergrund bereits einmal ein Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten. Zurzeit ist eine weitere Klage anhängig. Wenn es jetzt zu befriedigenden Lösungen kommt, werden wir natürlich die Möglichkeit haben, die weitere Verfolgung dieser Klage in der Zukunft nicht weiter verfolgen zu müssen.

    Spengler: Herr Müller, Sie als Ministerpräsident des Saarlands, müssten Sie nicht zugestehen, wenn das denn so ist, unverschuldet verschuldet, große Strukturprobleme, dass das Saarland allein nicht mehr lebensfähig ist und sich eigentlich mit Rheinland-Pfalz zusammenschließen sollte?

    Müller: Das ist überhaupt nicht so. Es ist einfach so, dass durch die Regelungen des Bund-Länder-Finanzausgleiches, dass durch die Zuweisungen des Steueraufkommens, die wir haben, Unwuchten im System sind, unter denen wir leiden. Der Fremdfinanzierungsanteil des Landeshaushaltes des Saarlandes ist sechs Prozent. Wir haben Landeshaushalte wie beispielsweise denjenigen von Berlin, die zu 40 Prozent fremdfinanziert sind. Das Saarland könnte von seinen eigenen Steuereinnahmen ohne Probleme leben. Es fließen erhebliche Teile dieser Steuereinnahmen in Ausgleichssysteme ab. Da muss nachjustiert werden und deshalb die Konsolidierungshilfen.

    Spengler: Was sagen Sie dem Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, der sagt, das ist ungerecht, wir sind auch arm, aber wir haben uns mehr angestrengt beim Schuldenabbau?

    Müller: Das Argument ist falsch. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat einen Fremdfinanzierungsanteil seines Haushaltes, der deutlich höher ist als der saarländische. Das heißt, wir üben gegenüber Mecklenburg-Vorpommern deutlich mehr Solidarität, als umgekehrt Solidarität von Mecklenburg-Vorpommern dem Saarland gegenüber erwartet wird.

    Spengler: Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Müller, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Müller: Bitte schön!