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Müller ruft SPD zu Zugeständnissen in Koalitionsverhandlungen auf

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat der SPD vorgeworfen, die Koalitionsverhandlungen in wesentlichen Bereichen zu blockieren. Die Sozialdemokraten signalisierten zu wenig Bewegung im Bereich Arbeitsmarktpolitik, bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme und der geplanten Haushaltskonsolidierung, sagte der CDU-Politiker. Ein Junktim zwischen Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Einführung der so genannten Reichensteuer herzustellen, sei unsinnig.

    Heckmann: Nicht einmal eine Woche mehr bleibt den Vertretern von Union und SPD. Dann muss der Koalitionsvertrag stehen, sollen die Parteitage von CDU, CSU und SPD nicht noch verschoben werden. Ob die Gespräche noch scheitern könnten, ist schwer zu sagen. Die strittigsten Punkte wurden wie üblich ans Ende verschoben. Sie sollen dann von den Parteivorsitzenden entschieden werden. Immerhin: in wichtigen Bereichen gab es eine Einigung.
    Am Telefon begrüße ich jetzt den Ministerpräsidenten des Saarlands, Peter Müller (CDU). Guten Morgen!

    Müller: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Müller, wir haben es im Beitrag gerade gehört. Sie haben sich unzufrieden über die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen gezeigt. Hat sich die Union über den Tisch ziehen lassen?

    Müller: Die Union hat sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Das Problem besteht darin, dass in denjenigen Feldern, in denen es den größten Handlungsbedarf gibt, wir bisher nicht die Möglichkeiten einer Einigung klar haben erkennen können, die Kompromisse nicht erkennbar sind. Da wird nach meinem Dafürhalten von den Sozialdemokraten zu wenig Bewegung signalisiert. Der Arbeitsmarkt muss dringend reformiert werden. Die sozialen Sicherungssysteme – das ist insbesondere die Frage der Gesundheit – sind in einer schwierigen Lage. Und in der Frage der Haushaltskonsolidierung ist ebenfalls nicht klar, wie die Dinge gelöst werden sollen.

    Heckmann: Bleiben wir mal beim Thema Haushalt. Da sind wir ja auch direkt beim Thema Steuerpolitik. Innerhalb der Union scheint ja der Widerstand gegen die so genannte Reichensteuer zu bröckeln, also gegen den Aufschlag für Besserverdienende auf die Einkommenssteuer. Auch Sie können sich das vorstellen, während Generalsekretär Kauder von Erpressung spricht. Fühlen Sie sich auch erpresst von der SPD?

    Müller: Ich glaube man muss die Dinge voneinander unterscheiden. Erstens: Bevor wir über Steuererhöhungen reden, müssen wir über die Frage reden, welche Einsparpotenziale gibt es. Nur wenn alle Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft sind, kann die Frage Steuererhöhungen überhaupt in Betracht kommen.

    Heckmann: Passiert da zu wenig aus Ihrer Sicht?

    Müller: Bitte!

    Heckmann: Passiert da zu wenig?

    Müller: Da ist bisher keine Einigung erkennbar. Da sind Themen benannt worden, aber es ist nicht klar, was in den einzelnen Themenfeldern geschehen soll. - Der zweite Punkt ist: Wenn wir über die Frage der Ausgabenkürzungen geredet haben, dann wird es aller Voraussicht nach ein erhebliches Finanzloch immer noch geben. Da muss man über Einnahmeerhöhungen reden. Auch da braucht man dann Lösungen, die das Problem wirklich anpacken. Am Ende braucht man dann auch ein Konzept, das dem Gesichtspunkt der sozialen Symmetrie Rechnung trägt. Der Grundsatz "starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern" muss umgesetzt werden. Da wird man dann sicherlich sich die Dinge anschauen müssen und auch noch einmal über die Frage einer Sonderbelastung höherer Vermögen diskutieren können, falls dies nicht bereits auf anderem Wege erreicht ist. Aber jetzt ein Junktim herzustellen nach dem Motto die einen wollen die Mehrwertsteuer, die anderen wollen die Reichensteuer, das ist schon ziemlich unsinnig.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass eine solche Reichensteuer innerhalb der Union durchsetzbar ist, denn die Positionen sind doch sehr unterschiedlich?

    Müller: Wir brauchen ein Konzept, was sozial symmetrisch ist und gleichzeitig geeignet ist, die Probleme zu lösen. Da sind unterschiedliche Wege denkbar. Jetzt so ein Thema wie das Thema Reichensteuer mit einem besonderen symbolischen Wert zu versehen, ist nicht problemadäquat und ist auch nicht geeignet, die Verhandlungen positiv nach vorne zu bringen.

    Heckmann: Die SPD hat jetzt eine Grenze für diese Reichensteuer bei 130.000 Euro im Jahr ins Spiel gebracht, was das Einkommen angeht. Wäre das mit Ihnen auch zu machen? Bisher war ja von einer Grenze von 250.000 Euro für Alleinstehende die Rede.

    Müller: Ich will mich jetzt weder zu dem einen noch zu dem anderen Konzept äußern. Ich will nur sagen: im Grundsatz gilt "starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern". Die Frage wer ist ein Starker, die Frage wer ist reich, ist sicherlich eine schwer zu beantwortende Frage. Je weiter man da mit den Grenzen herunter geht, umso weniger ist das gewählte Etikett berechtigt. Alles das ist eine sehr an der Oberfläche stattfindende Debatte.

    Heckmann: Jetzt ist es ja so, dass die Wirtschaftsexperten im Prinzip uni sono sagen, dass Steuererhöhungen Gift für die Konjunktur sind. Die Union hat auch mal diese Position vertreten. Haben Sie da keine Bedenken mehr, wenn man beispielsweise an die Mehrwertsteuer denkt?

    Müller: Ich finde die Wirtschaftsexperten machen es sich sehr einfach. Die sagen, die Ausgaben sollen gekürzt werden. Das ist besser, als die Steuern zu erhöhen. Das ist richtig! Wer wollte das bestreiten. Nur dann muss man halt sagen, welche Ausgaben man meint. Sie müssen sehen: der größte Posten im Bundeshaushalt in einer Größenordnung von rund 80 Milliarden das sind die Zuweisungen an die Rentenversicherung. Wenn ich dann von diesem Ansatz ausgehe, wir leisten uns alles über Ausgabenkürzungen, dann heißt das, gefordert ist, dass die Renten gekürzt werden. Ob das wirklich sinnvoll ist, wage ich sehr zu bezweifeln. Ich halte es für richtig, dass wir das ausgeschlossen haben.

    Heckmann: Es gibt noch einen anderen Bereich, wo viel Geld reinfließt, nämlich die Überweisungen an die Arbeitsagentur, das Arbeitslosengeld II. Der Ministerpräsident von Thüringen Althaus hat vorgeschlagen, das Arbeitslosengeld auf Ost-Niveau, also auch im Westen auf Ost-Niveau, zu senken. Ist es denn allen Ernstes zumutbar, dass die Langzeitarbeitslosen noch weniger Geld bekommen sollen als bisher schon?

    Müller: Das ist jetzt ein typischer Fall dafür, wie die Debatte läuft. Jeder ist für Ausgabenkürzungen, es sei denn es wird konkret. Ich gehe davon aus, dass wir im Bereich der Zuweisungen für die Bundesagentur für Arbeit Einsparpotenziale haben. Ich gehe auch davon aus, dass es möglich ist, im gesamten Bereich, der in die Zuständigkeit des Bundesarbeitsministeriums fällt, erhebliche Einsparungen vorzunehmen. Deshalb wird das Konzept, das wir am Ende vorstellen, dort auch Einsparungen mit beinhalten.

    Heckmann: Das heißt auch Kürzungen bei den Sätzen?

    Müller: Wo die im Einzelnen stattfinden, ist Gegenstand der Gespräche. Da will ich den Ergebnissen nicht vorgreifen.

    Heckmann: Die Union hatte ja während des Bundestagswahlkampfes immer davon gesprochen, dass, wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, die Gelder, die eingenommen werden, zur Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt werden sollen. Ist diese Idee jetzt gestorben?

    Müller: Diese Idee ist überhaupt nicht gestorben und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir uns auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer verständigen, ohne dass es ein Signal bei den Lohnzusatzkosten gibt. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer muss zumindest teilweise auch dafür eingesetzt werden, die Kosten der Erwerbsarbeit zu senken, das heißt die Sozialversicherungsbeiträge abzusenken.

    Heckmann: Auch wenn es nur ein symbolisches Signal ist?

    Müller: Ich glaube, dass das deutlich mehr als ein symbolisches Signal ist. Es ist ein Signal, das eine Trendwende beinhaltet. Wir haben in der Vergangenheit unsere sozialen Sicherungssysteme weit überwiegend dadurch finanziert, dass wir Arbeit teuer gemacht haben. Das führt zum Verlust von Arbeitsplätzen. Da die Richtung umzukehren, ist dringend notwendig und deshalb geht das über bloße Symbolik weit hinaus.

    Heckmann: Sie fordern ja auch weitere Deregulierungen im Arbeitsmarkt. Da ist zum Beispiel der Kündigungsschutz angesprochen. Da gab es ja unter Rot-Grün schon einige Maßnahmen, aber das hat doch keine neuen Arbeitsplätze gebracht?

    Müller: Weil die Maßnahmen nicht weitgehend genug sind. Nach wie vor – und das ist unter den Fachleuten unstreitig – ist der Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland weit überreguliert, der am stärksten regulierte Arbeitsmarkt in Europa. Deshalb muss man weitere Schritte gehen. Wenn schon die finanziellen Handlungsspielräume so eng sind, wie sie das nun einmal leider sind, dann ist es um so notwendiger, Dinge zu machen, die zu Beschäftigung führen, die nicht mit Geld ausgeben verbunden sind, also ein Konjunkturprogramm ohne Geld. Dazu zählen auch Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, betriebliche Bündnisse für Arbeit, Veränderung des Kündigungsschutzes bei Einstellung. Gerade an dem Punkt haben die Sozialdemokraten sich bisher nahezu überhaupt nicht bewegt und das muss dringend noch geändert werden.

    Heckmann: In den "Informationen am Morgen" war das Peter Müller, der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes. Besten Dank und auf Wiederhören!

    Müller: Auf Wiederhören!