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Müller: SPD hat stabile Kassenbeiträge verhindert

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat die SPD für die steigenden Krankenkassenbeiträge im nächsten Jahr verantwortlich gemacht. "Beitragssatzstabilität hätte ein zentrales Element einer Gesundheitsreform sein sollen", sagte der CDU-Politiker. Entsprechende Beschlüsse wie das obligatorische Kostenerstattungsprinzip habe die SPD jedoch verhindert.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Hohe Erwartungen waren an das Krisentreffen zur Gesundheitsreform geknüpft worden. Was aber in der Nacht zu gestern dabei herauskam, das sorgte nicht unbedingt überall für Begeisterung. Die Krankenkassenbeiträge steigen, soviel stand ohnehin schon fest, zum kommenden Jahr. Der Start des geplanten Gesundheitsfonds aber wurde noch einmal um sechs Monate auf den Beginn des Jahres 2009 verschoben. Die Begrenzung des Zusatzbeitrages auf ein Prozent des Haushaltseinkommens, aus Sicht der Unionsministerpräsidenten unpraktikabel, kommt trotzdem, wie von den Sozialdemokraten gefordert. Doch ob es wirklich bei den nun erzielten Vereinbarungen bleibt, ist fraglich. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat nur unter Vorbehalt zugestimmt.

    Am Telefon ist jetzt der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller (CDU). Schönen guten Morgen!

    Peter Müller: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Müller, zum kommenden Jahr werden erst einmal die Kassenbeiträge erhöht. Und dann passiert erst einmal lange nichts. Ging es am Ende dann doch nur um den Fortbestand der Großen Koalition und nicht mehr um eine gute Reform?

    Müller: Es ging sicherlich nicht nur um den Fortbestand der Großen Koalition, sondern auch darum, die Streitpunkte im Bereich der Gesundheitsreform endgültig zu klären. Ohne Zweifel ist es richtig, dass die Erhöhung der Kassenbeiträge mehr als ein Schönheitsfehler ist. Um dieses zu vermeiden, wäre es notwendig gewesen, Maßnahmen zu treffen wie beispielsweise die obligatorische Umstellung auf das Kostenerstattungsprinzip, die mit den Sozialdemokraten einfach nicht einigungsfähig waren. Ich bedauere dieses, Beitragssatzstabilität hätte ein zentrales Element einer Gesundheitsreform sein sollen. Gleichwohl glaube ich, dass in der Gesamtheit die Gesundheitsreform ein Paket ist, das niemanden glücklich macht, das aber erträglich ist, und bei dem die Vorteile die Nachteile überwiegen.

    Heckmann: Beitragsstabilität wäre ein wichtiges Ziel gewesen, sagen Sie, Herr Müller, und das wurde ja auch im Vorfeld so angekündigt. Jetzt ist es so, dass der Gesundheitsexperte Wasem sagt, durch die Reform sind die strukturellen Einnahmeschwächen immer noch nicht gelöst. Die nächste Beitragserhöhung kommt spätestens 2008.

    Müller: Also ich glaube, dass mit dem jetzt gefundenen Paket sicherlich die Diskussion um die Zukunft des Gesundheitswesens nicht zu Ende sein wird. Die notwendigen grundsätzlichen Entscheidungen konnten nicht getroffen werden, weil die Sozialdemokraten mit ihrem Konzept der Bürgerversicherung eine gänzlich andere Position vertreten wie die Christdemokraten mit dem Prämienmodell. Wenn ein Gesundheitswesen in der Zukunft abgekoppelt werden muss von der Belastung der Erwerbsarbeit, dann ist das mit diesem Modell, das von der SPD vertreten wird, nicht erreichbar. Deshalb glaube auch ich, dass wir über die Gesundheitsreform weiter reden werden. Mit dem was jetzt vereinbart worden ist erhalten wir allerdings Zeit für mehrere Jahre, nach meinem Dafürhalten deutlich über das Ende der Legislaturperiode hinaus, um die Grundsatzentscheidungen und die Systemfrage im Gesundheitswesen in Ruhe zu entscheiden. Am Ende ist das auch eine Frage, die abhängig sein wird davon, welche Mehrheiten es nach der nächsten Bundestagswahl gibt.

    Heckmann: Eben, und da setzen Sie natürlich auf eine Mehrheit für die Union, zumindest für eine unionsgeführte Bundesregierung. Wäre es dann aber aus Ihrer Sicht nicht praktikabler, auf die Einführung des Gesundheitsfonds ganz zu verzichten bis zur nächsten Bundestagswahl, die dann ja im Jahr 2009 ansteht?

    Müller: Ich glaube, dass alles in allem der Gesundheitsfonds, so wie er jetzt vereinbart ist, eine Verbesserung darstellt. Deshalb sollte man ihn auch umsetzen. Er lässt auch eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens im Sinne der Konzeptionen, die von den beiden Koalitionspartnern vertreten werden, zu. Deshalb ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

    Heckmann: Er lässt eine Weiterentwicklung zu, also eine Weiterentwicklung hin zum Modell Gesundheitsprämie, von der Union favorisiert. Aber die SPD scheint doch näher dran zu sein an ihrer Bürgerversicherung mit dem jetzt erzielten Kompromiss.

    Müller: Das sehe ich keineswegs so. Insbesondere ist ja dasjenige, was zu der Ein-Prozent-Grenze gesagt wird, in vielen Fällen verkürzt. Es gibt zwei entscheidende Modifikationen gegenüber dem ursprünglichen Konzept. Zum einen wird bis zu einem Betrag von acht Euro eine Bedürftigkeitsprüfung nicht stattfinden, das macht dieses Instrument deutlich praktikabler. Zum anderen wird es bei denjenigen, die sich auf Überforderung berufen, eine Pflicht der Kassen geben, auf günstigere Angebote anderer Kassen hinzuweisen und die Möglichkeit des Kassenwechsels anzubieten. Beides wird Wettbewerb ins System bringen, ist letztlich im Interesse der Versicherten, und deshalb scheint auch an diesem Punkt eine erträgliche Lösung gefunden.

    Heckmann: Herr Müller, die Umfragewerte für die Union befinden sich im Keller nach den neuesten Zahlen von Infratest dimap im Deutschlandtrend. Das sind die Konsequenzen aus den Querelen innerhalb der Union um die Gesundheitsreform, oder?

    Müller: Ich glaube dass man sich von diesen Umfragewerten nicht allzu sehr beeindrucken lassen sollte. Umfragen sind in der Bundesrepublik Deutschland, und nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sehr volatil geworden, das ändert sich alles sehr schnell. Die Union hat sehr heftig mit sich selbst und den Sozialdemokraten in der Frage der Gesundheitsreform gerungen. Diese Diskussion war notwendig ,und ich glaube, dass sich die demoskopischen Werte dann, wenn die jetzt gefundene Einigung umgesetzt ist, auch wieder positiv für die Union verändern werden.

    Heckmann: Zum Kompromiss im Streit um die Gesundheitsreform war das Peter Müller, der Ministerpräsident des Saarlandes, von der CDU. Herr Müller, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Müller: Es war mir ein Vergnügen.