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München könnte die zweite Runde erreichen

Am 6. Juli heißt es in Durban: Pyeongchang oder München - Annecy hat in diesem Zweikampf keine Chance. Die drei Olympiabewerber präsentierten sich in dieser Woche in Lausanne schon einmal rund 90 IOC-Mitgliedern.

Von Jens Weinreich | 21.05.2011
    Journalisten durften die Präsentationen vor dem fast komplett versammelten IOC im Olympischen Museum in Lausanne allerdings nicht verfolgen, insofern sind Berichterstatter aufs Hörensagen angewiesen. Also wie immer darauf, die Stimmung im IOC-Völkchen aufzusaugen, gut hinzuhören und diese Melange mit der Erfahrung von anderen Bewerbungen zu mischen. Heraus kommt derzeit diese Wasserstandsmeldung:

    Pyeongchang liegt weiter vorn, doch München scheint in der Lage, die zweite Runde zu erreichen - vielleicht sogar mehr. Das wiederum wollen die Koreaner verhindern. Sie wollen den Erstrundensieg, sie fürchten sich vor dem zweiten Wahlgang.

    Manch einem mögen derlei Wasserstandsmeldungen zu unseriös erscheinen. Wer daran zweifelt, dem sei gesagt: Es gibt im IOC keine Forschungsgruppe Wahlen. Es gibt keine belastbaren Umfragen. Kaum jemand äußert sich klar und deutlich, viele reden gar nicht über ihre Präferenzen. Zudem ist der Evaluierungsbericht, der die technischen Kriterien der drei Offerten einschätzt, nur ein Papierchen unter vielen. Niemand ist daran gebunden. Subjektivität statt Objektivität, heißt das Motto. Im undurchdringlichen Dschungel der Sportpolitik stehen viele Fallen.

    Es mag ein kultureller Unterschied sein zwischen Deutschen und Koreanern, dass sich die einen - nach ihren Chancen befragt - zurückhaltender äußern als die anderen. Dass die Deutschen also offensiver antworten als die Südkoreaner. Es ist aber womöglich mehr: die Nervosität der Koreaner war in Lausanne durchaus zu spüren.

    Die simple Frage lautet: Wer wird am 6. Juli in Durban gewinnen?

    "Das weiß nur Gott", sagt Südkoreas NOK-Präsident Yong Sung Park.

    "Das weiß nur Gott", sagt auch Pyeongchangs Bewerbungschef Yang Ho Cho, der CEO von Korean Air. "Bis IOC-Präsident Rogge den Briefumschlag öffnet, weiß das niemand."

    Dagegen Thomas Bach, DOSB-Präsident und IOC-Vize:

    "Ich hoffe, München."

    Und Katarina Witt sagt:

    "Also ich hoffe natürlich sehr sehr sehr für uns. Und ich denke auch, wir sind die einzige richtige Entscheidung. Aber natürlich merkt man das auch in den Gesprächen: Am Ende ist das kein Wettkampf, in dem der Schnellste, der durchs Ziel geht, auch wirklich der Gewinner ist."

    Die Witt, daheim gern kritisiert und mitunter verlacht, ist ein klares Plus für München. Sie kennt ihre Grenzen. Sie macht einen Job, um den die Konkurrenz München beneidet. Sie kann nicht nur Eis laufen, sie kann auch das Eis brechen.

    Für die Deutschen gilt: Sie hatten eigentlich keine Chance, aber sie haben sie ergriffen. Erstmals überhaupt hat sich Bach, der kommende IOC-Präsident, für eine deutsche Bewerbung engagiert. Das hinterlässt Spuren. Und neuerdings protzen die Deutschen auch mit Moneten: Sie haben BMW ins Boot geholt, deren Vertreter in London, nun auch in Lausanne, über die Märkte und mögliche Wohltaten seiner Firma referierte.

    München hat BMW, einen der Hauptsponsoren der Sommerspiele 2012 in London, und setzt damit der geballten Kraft koreanischer Chaebols - ob nun Samsung oder Korean Air - etwas entgegen. Gerade deshalb sollten die Deutschen, die gern heimische Medien für ihre Zwecke einspannen und in diesem Zweikampf auf die Korruptionsgeschichten koreanischer Firmen und Funktionäre verweisen, vorsichtiger und ehrlicher agieren. Denn wer neuerdings argumentiert, 50 Prozent der Einnahmen der sieben olympischen Wintersport-Weltverbände komme von deutschen Sponsoren, der kann schwerlich mit dem Finger auf die Konkurrenz zeigen und insgeheim die Sponsorenverträge von Samsung oder Korean Air kritisieren.

    Gerade dieses Protzen mit der Wirtschaftskraft von Sponsoren widerlegt jenes Bild, das manche Medien unverdrossen zeichnen: München wirbt nicht nur mit Emotionen - und Korea nicht nur mit Dollarscheinen. Die Wahrheit hat Grautöne, sie ist etwas komplizierter.

    In den letzten Wochen bis Durban geht es für alle nun darum, keine Fehler zu machen, die Abschlusspräsentation vorzubereiten - und mit Hilfe der vielen PR-Berater und Spin Doktoren jenes Momentum zu erzeugen, vom dem stets die Rede ist bei derlei Bewerbungen. Ja, wer die Medien mit positiven Nachrichten dominiert, kann durchaus Stimmen akquirieren. Das haben zuletzt etwa London oder Rio de Janeiro bewiesen. In diesem Bereich hat München, trotz weit geringeren Bewerbungsetats, derzeit einen deutlichen Vorteil.