Elke Durak: Weg mit der Sozialnostalgie, her mit der SPD des 21. Jahrhunderts. Der SPD-Vorsitzende hat einen großen Stein geworfen, der wohl große Kreise ziehen soll. Matthias Platzeck will, dass sich seine Partei inhaltlich erneuern soll, Politik der linken Mitte betreiben soll. Sie soll die Bildungs-, Familien- und Kinderpartei des 21. Jahrhunderts werden. Die SPD braucht ein modernisiertes Grundsatzprogramm. Daran arbeitet zurzeit der Vorstand. Franz Müntefering indess arbeitet daran, dass die große Koalition ordentlich und ordentliche Politik machen kann und dass die SPD dabei nicht zu kurz kommt. – Guten Morgen Herr Müntefering!
Franz Müntefering: Guten Morgen! Ich grüße Sie, Frau Durak!
Durak: Sagen Sie, Herr Müntefering, sind Sie ein Sozialnostalgiker?
Müntefering: In gewisser Weise schon. Wenn man mein Alter erreicht hat, dann hat man schon ein ganzes Stück Politik begleitet und auch SPD begleitet. Das verlässt einen ja nicht und darauf bin ich auch stolz, dass wir da eine gute Tradition haben.
Durak: Dann müssen Sie aufpassen, dass der neue Vorsitzende Sie nicht wegerneuert?
Müntefering: Nein, so ist das von Matthias Platzeck ganz sicher auch nicht gemeint. Was er sagt – und wir sind ja gerade mitten in einer Klausur -, eine Partei muss immer auf der Höhe der Zeit sein. Das ist das alte Wort von Willy Brandt, jede Zeit braucht ihre Antworten. Soziale Gerechtigkeit neben Freiheit und Solidarität sind unsere Grundwerte, aber die muss man schon anders buchstabieren, ob man nun im Jahre 1960 oder im Jahre 2005 sich bewegt. Darum geht es!
Durak: Und was unterscheidet für die SPD das Jahr 2006 vom Jahr 2005, wenn es jetzt eine Erneuerung geben soll?
Müntefering: Wir haben die Debatte um das Grundsatzprogramm ja schon vor einigen Jahren begonnen. Wir haben sie jetzt nicht zu Ende geführt. Da kam, wenn man so will, der Wahlkampf dazwischen. Diese Spur wird wieder aufgenommen. Das ist bei uns aber eine Tradition, dass wir von Zeit zu Zeit unser Grundsatzprogramm fortschreiben. Die Grundwerte bleiben dabei. Die sind unverzichtbar, die genannten, aber man muss sich schon jeweils auf die Zeit einstellen.
Und was ist neu dabei? Die demographische Entwicklung. Deutschland hat zu wenig Kinder und wir haben gestern lange darüber gesprochen, was müssen wir eigentlich tun im Interesse der Kinder, im Interesse der Familien, im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit Deutschland kinderfreundlicher wird. Das finde ich ist etwas, was 1960 in vergleichbarer Weise nun überhaupt nicht zu entdecken war. Wir haben jetzt zu wenige Kinder und wir müssen jetzt darüber sprechen.
Durak: Ich hatte nach dem vergangenen Jahr gefragt. Sie haben das Grundsatzprogramm eingeführt. Beides stimmt. – Sagen Sie, Herr Müntefering, Wirtschaft ist wichtig für Gerechtigkeit. Davon handle soziale Demokratie. Das hat Herr Platzeck gesagt, ausführlicher auch noch mit anderen Worten. Ist das ein großer Sprung weg von Ihrem Heuschreckenvergleich?
Müntefering: Nein. Wir haben immer gesagt – das ist ja auch Gegenstand unseres konkreten Handelns -, dass beides zusammen gehört. Wir brauchen eine prosperierende Wirtschaft, eine Wirtschaft, die Arbeitsplätze auch schafft und Arbeitsplätze sichert, die auch erfolgreich ist für unser Land. Wir brauchen aber zum zweiten auch einen handlungsfähigen Staat, der dafür sorgt, dass die soziale Komponente nicht zu kurz kommt. Und wenn man ein drittes dazu sagen darf: wir brauchen eine menschliche Gesellschaft, in der wir die Solidarität praktizieren. Ich sehe in dem, was Matthias Platzeck anstößt, keinen Widerspruch zu dem, was bisher unser Denken beherrscht. Es geht aber um die konkreten politischen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen.
Durak: Und es geht Ihnen denke ich mal auch um viele, viele Wähler der Linkspartei, die dann schon wieder das Original wählen können, nämlich jene, die das Selbe oder das Ähnliche wollen, soziale Gerechtigkeit und und und, aber das auch vielleicht umsetzen können, weil sie in der Regierung sind?
Müntefering: Das ist ja legitim. Dafür sind Parteien ja da. Die sind ja nicht dafür da, dass sie sich in Klausuren treffen und Parteitage machen, sondern wir sind dafür da, dass wir politische Macht, demokratisch legitimierte politische Macht nutzen, um Politik zu gestalten. Das tun wir in dieser großen Koalition und ich hoffe, dass das überzeugend sein wird.
Durak: Das eine sind die Programme für die Zukunft, Visionen; das andere sind die Mühlen der Ebenen, die Tagespolitik in der großen Koalition. In der befinden Sie sich, in den Mühlen der Ebenen. Es heißt, in der SPD würden einige nervös, weil vor allem die Bundeskanzlerin und mit ihr die CDU die Früchte der jüngsten Politik einfahre. Sind Sie nervös?
Müntefering: Nein, überhaupt nicht. dass das etwas Besonderes ist, diese große Koalition, dass das auch ein bisschen die politische Kultur im Lande berührt und möglicherweise verändert, das ist so. Das war 36 Jahre anders. Da haben die Sozialdemokraten und auf der anderen Seite CDU/CSU sich gegenübergestanden. Jetzt machen wir miteinander Politik und natürlich muss man sich daran erst gewöhnen. Dass der Beginn dieser Koalition erfolgreich ist, für die Kanzlerin, für uns als Koalition insgesamt, das finde ich gut. Wir müssen uns darauf konzentrieren, vor allen Dingen die Interessenlage des Landes zu sehen. Wir wollen Politik machen für Deutschland und da gibt es eine ganze Menge gemeinsam zu tun. Wer dann zum guten Schluss davon profitiert in der Wahl 2009, das wird man sehen.
Durak: Der gute Schluss kommt ja schon teilweise in diesem Jahr bei den Landtagswahlen. Können Sie als Vizekanzler, Arbeits- und Sozialminister so gar nichts für den Erfolg Ihrer Partei bei den kommenden Landtagswahlen tun?
Müntefering: Ich werde natürlich auch in den Wahlkämpfen unterwegs sein und mit den Menschen über das sprechen, was wir uns vorgenommen haben. Das was wir jetzt angestoßen haben, die 25 Milliarden, die der Bund ausgibt für Impulse, für Beschäftigung und Arbeit, das sind ja Dinge, die sind alle auch in unserem Wahlprogramm gewesen. Wir setzen im Moment also schon ein Stück dessen um, was wir uns im Verlauf dieses Jahres vorgenommen haben zu tun, und darüber wird man in den Wahlkämpfen sprechen können, auch positiv.
Durak: Der Erfolg fällt aber bisher immer positiv auf die CDU zurück?
Müntefering: Das weiß ich nicht. Das sind ein paar Umfragen. Da bin ich nicht so nervös, was Umfragen angeht. Das haben wir im letzten Jahr gelernt. Da wird vieles umgefragt und anschließend kommt doch etwas anderes dabei herum. Mein Eindruck ist, wenn ich unterwegs bin, dass die Menschen im Lande diese Koalition akzeptieren und dass sie sagen, jetzt macht etwas Gutes daraus. Und wie gesagt: was das für zukünftige Wahlen bedeutet, das wird man sehen. Die Wahlen, die wir jetzt vor uns haben, das sind vor allen Dingen Landtagswahlen. Wir sind im Augenblick in Rheinland-Pfalz mit Ministerpräsident Kurt Beck an der Spitze. Da bin ich ganz sicher: Da geht es vor allen Dingen um die Frage, wie es in Rheinland-Pfalz läuft. Da hat er gute Dinge vorzuzeigen, insbesondere auch was das Hauptthema unserer Klausur angeht, nämlich die Familien- und Kinderpolitik.
Durak: Franz Müntefering, Vizekanzler, Arbeits- und Sozialminister, hier bei uns im Interview. Herr Müntefering, besten Dank fürs Gespräch und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Müntefering: Ich bedanke mich für beides.
Durak: Auf Wiederhören!
Franz Müntefering: Guten Morgen! Ich grüße Sie, Frau Durak!
Durak: Sagen Sie, Herr Müntefering, sind Sie ein Sozialnostalgiker?
Müntefering: In gewisser Weise schon. Wenn man mein Alter erreicht hat, dann hat man schon ein ganzes Stück Politik begleitet und auch SPD begleitet. Das verlässt einen ja nicht und darauf bin ich auch stolz, dass wir da eine gute Tradition haben.
Durak: Dann müssen Sie aufpassen, dass der neue Vorsitzende Sie nicht wegerneuert?
Müntefering: Nein, so ist das von Matthias Platzeck ganz sicher auch nicht gemeint. Was er sagt – und wir sind ja gerade mitten in einer Klausur -, eine Partei muss immer auf der Höhe der Zeit sein. Das ist das alte Wort von Willy Brandt, jede Zeit braucht ihre Antworten. Soziale Gerechtigkeit neben Freiheit und Solidarität sind unsere Grundwerte, aber die muss man schon anders buchstabieren, ob man nun im Jahre 1960 oder im Jahre 2005 sich bewegt. Darum geht es!
Durak: Und was unterscheidet für die SPD das Jahr 2006 vom Jahr 2005, wenn es jetzt eine Erneuerung geben soll?
Müntefering: Wir haben die Debatte um das Grundsatzprogramm ja schon vor einigen Jahren begonnen. Wir haben sie jetzt nicht zu Ende geführt. Da kam, wenn man so will, der Wahlkampf dazwischen. Diese Spur wird wieder aufgenommen. Das ist bei uns aber eine Tradition, dass wir von Zeit zu Zeit unser Grundsatzprogramm fortschreiben. Die Grundwerte bleiben dabei. Die sind unverzichtbar, die genannten, aber man muss sich schon jeweils auf die Zeit einstellen.
Und was ist neu dabei? Die demographische Entwicklung. Deutschland hat zu wenig Kinder und wir haben gestern lange darüber gesprochen, was müssen wir eigentlich tun im Interesse der Kinder, im Interesse der Familien, im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit Deutschland kinderfreundlicher wird. Das finde ich ist etwas, was 1960 in vergleichbarer Weise nun überhaupt nicht zu entdecken war. Wir haben jetzt zu wenige Kinder und wir müssen jetzt darüber sprechen.
Durak: Ich hatte nach dem vergangenen Jahr gefragt. Sie haben das Grundsatzprogramm eingeführt. Beides stimmt. – Sagen Sie, Herr Müntefering, Wirtschaft ist wichtig für Gerechtigkeit. Davon handle soziale Demokratie. Das hat Herr Platzeck gesagt, ausführlicher auch noch mit anderen Worten. Ist das ein großer Sprung weg von Ihrem Heuschreckenvergleich?
Müntefering: Nein. Wir haben immer gesagt – das ist ja auch Gegenstand unseres konkreten Handelns -, dass beides zusammen gehört. Wir brauchen eine prosperierende Wirtschaft, eine Wirtschaft, die Arbeitsplätze auch schafft und Arbeitsplätze sichert, die auch erfolgreich ist für unser Land. Wir brauchen aber zum zweiten auch einen handlungsfähigen Staat, der dafür sorgt, dass die soziale Komponente nicht zu kurz kommt. Und wenn man ein drittes dazu sagen darf: wir brauchen eine menschliche Gesellschaft, in der wir die Solidarität praktizieren. Ich sehe in dem, was Matthias Platzeck anstößt, keinen Widerspruch zu dem, was bisher unser Denken beherrscht. Es geht aber um die konkreten politischen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen.
Durak: Und es geht Ihnen denke ich mal auch um viele, viele Wähler der Linkspartei, die dann schon wieder das Original wählen können, nämlich jene, die das Selbe oder das Ähnliche wollen, soziale Gerechtigkeit und und und, aber das auch vielleicht umsetzen können, weil sie in der Regierung sind?
Müntefering: Das ist ja legitim. Dafür sind Parteien ja da. Die sind ja nicht dafür da, dass sie sich in Klausuren treffen und Parteitage machen, sondern wir sind dafür da, dass wir politische Macht, demokratisch legitimierte politische Macht nutzen, um Politik zu gestalten. Das tun wir in dieser großen Koalition und ich hoffe, dass das überzeugend sein wird.
Durak: Das eine sind die Programme für die Zukunft, Visionen; das andere sind die Mühlen der Ebenen, die Tagespolitik in der großen Koalition. In der befinden Sie sich, in den Mühlen der Ebenen. Es heißt, in der SPD würden einige nervös, weil vor allem die Bundeskanzlerin und mit ihr die CDU die Früchte der jüngsten Politik einfahre. Sind Sie nervös?
Müntefering: Nein, überhaupt nicht. dass das etwas Besonderes ist, diese große Koalition, dass das auch ein bisschen die politische Kultur im Lande berührt und möglicherweise verändert, das ist so. Das war 36 Jahre anders. Da haben die Sozialdemokraten und auf der anderen Seite CDU/CSU sich gegenübergestanden. Jetzt machen wir miteinander Politik und natürlich muss man sich daran erst gewöhnen. Dass der Beginn dieser Koalition erfolgreich ist, für die Kanzlerin, für uns als Koalition insgesamt, das finde ich gut. Wir müssen uns darauf konzentrieren, vor allen Dingen die Interessenlage des Landes zu sehen. Wir wollen Politik machen für Deutschland und da gibt es eine ganze Menge gemeinsam zu tun. Wer dann zum guten Schluss davon profitiert in der Wahl 2009, das wird man sehen.
Durak: Der gute Schluss kommt ja schon teilweise in diesem Jahr bei den Landtagswahlen. Können Sie als Vizekanzler, Arbeits- und Sozialminister so gar nichts für den Erfolg Ihrer Partei bei den kommenden Landtagswahlen tun?
Müntefering: Ich werde natürlich auch in den Wahlkämpfen unterwegs sein und mit den Menschen über das sprechen, was wir uns vorgenommen haben. Das was wir jetzt angestoßen haben, die 25 Milliarden, die der Bund ausgibt für Impulse, für Beschäftigung und Arbeit, das sind ja Dinge, die sind alle auch in unserem Wahlprogramm gewesen. Wir setzen im Moment also schon ein Stück dessen um, was wir uns im Verlauf dieses Jahres vorgenommen haben zu tun, und darüber wird man in den Wahlkämpfen sprechen können, auch positiv.
Durak: Der Erfolg fällt aber bisher immer positiv auf die CDU zurück?
Müntefering: Das weiß ich nicht. Das sind ein paar Umfragen. Da bin ich nicht so nervös, was Umfragen angeht. Das haben wir im letzten Jahr gelernt. Da wird vieles umgefragt und anschließend kommt doch etwas anderes dabei herum. Mein Eindruck ist, wenn ich unterwegs bin, dass die Menschen im Lande diese Koalition akzeptieren und dass sie sagen, jetzt macht etwas Gutes daraus. Und wie gesagt: was das für zukünftige Wahlen bedeutet, das wird man sehen. Die Wahlen, die wir jetzt vor uns haben, das sind vor allen Dingen Landtagswahlen. Wir sind im Augenblick in Rheinland-Pfalz mit Ministerpräsident Kurt Beck an der Spitze. Da bin ich ganz sicher: Da geht es vor allen Dingen um die Frage, wie es in Rheinland-Pfalz läuft. Da hat er gute Dinge vorzuzeigen, insbesondere auch was das Hauptthema unserer Klausur angeht, nämlich die Familien- und Kinderpolitik.
Durak: Franz Müntefering, Vizekanzler, Arbeits- und Sozialminister, hier bei uns im Interview. Herr Müntefering, besten Dank fürs Gespräch und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Müntefering: Ich bedanke mich für beides.
Durak: Auf Wiederhören!