Sylvia Engels: Im Bundestag wird heute ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, das alle jüngeren Arbeitnehmer betreffen wird. Ab 2012 wird das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Die demographische Entwicklung mache das unvermeidbar, sagt Arbeitsminister Franz Müntefering. Wenn immer weniger Jüngere auf dem Arbeitsmarkt nachrücken würden und zugleich durch die steigende Lebenserwartung immer länger Rente gezahlt werde, könne das mit den bisherigen Regelungen nicht bezahlt werden. So rechnet der SPD-Politiker und Vizekanzler. Wir rechnen mit ihm noch einmal nach. Guten Morgen Herr Müntefering!
Franz Müntefering: Guten Morgen Frau Engels!
Engels: Das Hauptargument gegen die Einführung der Rente mit 67 lautet ja, dass ja heute schon für viele ältere Arbeitnehmer gar nicht genügend Jobs bereit stünden. Sie wollen dagegen halten. Wie viele Jobs wollen Sie denn schaffen durch die Arbeitsmarktinitiative 50 plus?
Müntefering: Weil ja was dran ist, haben wir ja gleichzeitig auch das Gesetz eingebracht, was wir 50 plus nennen. Das heißt es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass Menschen nicht mehr so früh aus dem Erwerbsleben verdrängt werden und dann, wenn sie doch draußen sind, 50 Jahre und älter, möglichst schnell wieder rein kommen. Das wird heute parallel dazu beraten.
Engels: Wie viele Jobs werden denn so geschaffen?
Müntefering: Das kommt darauf an, wie die Konjunktur insgesamt ist. Im letzten Jahr jedenfalls ist die Zahl der arbeitslosen Älteren um etwa 90.000 gesunken und das finde ich ist eine stolze Zahl.
Engels: Es gibt ja Kritik aus verschiedenen Lagern. Kritik gibt es vor allen Dingen an einer Ausnahme, die lautet: Wer 45 Jahre lang ohne Pause Beiträge eingezahlt hat, der soll nach wie vor mit 65 Jahren in Rente gehen dürfen. Das soll für schwer arbeitende Arbeitnehmer gelten. Die Kritik lautet, das benachteilige Akademiker, Behinderte und auch Frauen, denn die hätten in der Regel keine Chance, diese 45 Jahre voll zu kriegen. Berücksichtigen Sie das?
Müntefering: Ja, aber diese 45 Jahre ist schon eine vernünftige Regelung. Es ist ja gewissermaßen eine Konzession an eine Generation, die noch sehr viel früher angefangen hat zu arbeiten mit 14, 15, 16 Jahren. Heute gehen wir im Schnitt mit 20, 21 in den Beruf. Viel mehr studieren, können studieren Gott sei Dank. Wir haben da nicht zu viel, sondern eher zu wenig. Das werden aber auf die Dauer nicht immer ganz viele sein, die diese 45 Jahre erreichen. Wenn man mit 20, 21 hinein geht, dann ist man halt dann 66, 67 wenn man die 45 Jahre hat.
Engels: Durch diese Ausnahme wird auch nicht so viel gespart, wird gesagt. Die Experten sagen, dass der Rentenbeitragssatz nun durch diese Ausnahmen nur um einen halben Prozentpunkt gedrückt werden kann. Lohnt sich dafür der Aufwand?
Müntefering: Ja, das lohnt sich natürlich. Diese 45 Jahre sind natürlich eine Entscheidung, die weniger Geld sparen lässt, aber das ist vernünftig und das, was Sie jetzt auch fragen, entspricht ja dem, was wir auch erleben. Der eine meint, es geht zu weit; der eine sagt, es geht nicht weit genug. Ich glaube, dass mit dem, was wir machen, wir das einigermaßen sozial gerecht organisieren und es kommt in der Tat darauf an, dass wir dafür sorgen, dass die Älteren länger im Beruf bleiben können. Es ist heute in Deutschland so, dass von den 55jährigen und älteren noch 45 Prozent in Arbeit sind. Das kann so nicht bleiben. So kann unser Wohlstand nicht gesichert werden. Das ist sowieso der entscheidende Punkt für die Höhe der Rente und für die Perspektive der Alterssicherung: Wie wird der Wohlstand in Deutschland sein? Deshalb sagen wir, sagt die Bundesregierung, wir müssen einen Teil dessen, was wir erwirtschaften, nehmen und in die Zukunftsfähigkeit investieren, in Bildung und Forschung sowie Entwicklung. Das wird die Entscheidung dafür sein, wie hoch denn die Renten tatsächlich sein werden in 2020, 2030, 2040.
Engels: Kommen wir noch einmal auf die 45er-Regelung zu sprechen, denn daran rankt sich ja auch viel an möglichen Verfassungsklagen, beispielsweise wenn man berechnet, dass jemand, der 2000 Euro monatlich Rentenanspruch hat, 45 Jahre gearbeitet hat, dann 24.000 Euro mehr bekäme als derjenige, der 44 Jahre gearbeitet hat. Ist das gerecht?
Müntefering: Ja gut, das ist bei jeder Grenze so, die man zieht. Dann gibt es immer den Knick bei denen, die nicht mehr in diese Regelung einbezogen werden, aber diese 45 Jahre haben ja schon bisher eine hohe Bedeutung gehabt und ich glaube, dass das eine Regelung ist, von der zunächst mal noch eine größere Zahl von Menschen betroffen sein wird, aber über die Dauer der Jahre werden es dann wie gesagt immer weniger sein. Ich halte das für vertretbar.
Engels: Für vertretbar und auch für verfassungsgemäß?
Müntefering: Ja. Sonst würden wir das nicht machen.
Engels: Vielleicht fürchten Sie ja Horst Köhler. Der Bundespräsident ist ja gerade in Form bei der Nichtunterzeichnung von Gesetzen.
Müntefering: Das ist die Aufgabe des Bundespräsidenten, sein Recht und auch seine Pflicht, die Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit hin sich anzusehen. Er unterschreibt und natürlich ist das in seiner Hand, uns beziehungsweise dem Gesetzgeber zu sagen, hier und da sieht er das anders. Das ist möglich und das tut er ja auch.
Engels: Bleiben wir beim Thema. Nun ist gerade nach der zuletzt gestoppten Gesetzesunterzeichnung durch Horst Köhler ein neuer Gesetzentwurf in den Augenschein geraten. Da geht es um die Aufteilung der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger. Da haben sich ja Bund und Länder geeinigt. Da gibt es aber offenbar auch verfassungsrechtliche Probleme. Das meldet jedenfalls die "Süddeutsche Zeitung", das Bundesinnenministerium habe Bedenken angemeldet, weil in dieser Regelung Länder unterschiedlich bezahlt werden. Wie sehen Sie den Fall?
Müntefering: Das Gesetz ist schon immer ein komplizierter Vorgang gewesen. Es geht darum, dass die Kommunen, also die Gemeinden, die Wohnkosten bezahlen für Hartz IV, für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und dass der Bund immer einen Zuschuss dazu gibt. In diesem Jahr sind es 29,1 Prozent, im nächsten Jahr sollen es mehr sein. Nun ist die Frage der unterschiedlichen Betroffenheit in den einzelnen Ländern. Deshalb hat es einen Vorschlag gegeben aus dem Bundesrat heraus, nicht von der Bundesregierung, und dieser Vorschlag sagt, wir machen einen horizontalen Ausgleich, damit kein Land dadurch Schaden hat. Dazu gibt es einen Vorschlag. Der ist geprüft worden von uns. Der ist auch kritisch geprüft worden. Und wie das immer ist bei solch komplizierten Gesetzen: da gibt es diese und jene Meinung. Aber insgesamt haben wir in der Bundesregierung festgestellt: das ist vertretbar. Und ich bin sicher, dass der Bundesrat das morgen letztlich so entscheidet und dass das auch belastbar ist.
Engels: Also kein Fall für den Vermittlungsausschuss?
Müntefering: Ich sehe die Notwendigkeit nicht, nein. Das haben wir uns nicht leicht gemacht. Darüber haben wir viele Male gesprochen. Es ist halt so: es kann keine nach unserer Verfassung unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen geben. Da sind immer die Länder eingeschaltet. In diesem Dreiecksverhältnis ist nun die wirklich nicht so ganz einfache Frage, wie wird das Geld an die Kommunen geleitet bei einer unterschiedlichen Betroffenheit in den Ländern. Entscheidend ist, dass das Geld bei den Menschen ankommt. Dafür ist gesorgt mit dem, was wir jetzt beschlossen haben und was der Bundesrat morgen dann vorliegen hat.
Engels: Herr Müntefering Sie sagen, es ist nicht einfach mit solch komplizierten Gesetzen. Haben Sie dann Verständnis dafür, dass Horst Köhler sich jetzt auch in diese Verfassungsprüfung einschaltet?
Müntefering: Wir müssen alle Verständnis dafür haben, dass unser kompliziertes föderales System zu bestimmten Fragen führt. Da es wie gesagt keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen gibt, stellen sich Fragen, wie Sie hier diese stellen. Es gibt aber an vielen Stellen dann eine Frage, die man beantworten muss: ist das vertretbar ja oder nein. Natürlich gibt es immer auch Juristen, die das dann anders sehen könnten. Das ist auch normal und da sollten wir den ganzen Vorgang nicht übertrieben dramatisieren, sondern man kann sich über bestimmte Dinge sehr wohl streiten. Das ist nicht immer so ganz eindeutig festzulegen, wie man das machen müsste. Deshalb muss man so nahe wie möglich an die Wahrheit heran und wenn darüber mal gestritten wird, dann ist das auch nicht zum Schaden. Das wird dann hoffentlich dazu führen, dass ein größeres Bewusstsein dafür entsteht, was da geht und was da nicht geht.
Engels: Doch die Kritik lautet ja, eigentlich wäre die Kontrollinstanz das Bundesverfassungsgericht und nicht der Bundespräsident.
Müntefering: Nein. Der Bundespräsident muss die Gesetze unterschreiben. Da ist es glaube ich normal, dass der sich das genau anguckt und dann, wenn seine Bedenken erheblich sind, er auch entsprechend reagiert. Das habe ich nicht zu kritisieren, das hat keiner zu kritisieren. Dass das Bundesverfassungsgericht auch noch eine Funktion haben kann, das ist wahr. Wir als Gesetzgeber müssen aber handeln und da spricht uns keiner frei davon. Viele kluge Einsichten, die der eine oder andere hat, die haben wir auch, die prüfen wir und dann müssen wir uns aber entscheiden. Wir können da keinen Stillstand der Rechtspflege und der Politik in Deutschland machen, sondern wir müssen damit leben, dass wir eine komplizierte Verfasstheit in diesem Lande haben.
Engels: Der Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!
Müntefering: Bitte schön, Frau Engels.
Franz Müntefering: Guten Morgen Frau Engels!
Engels: Das Hauptargument gegen die Einführung der Rente mit 67 lautet ja, dass ja heute schon für viele ältere Arbeitnehmer gar nicht genügend Jobs bereit stünden. Sie wollen dagegen halten. Wie viele Jobs wollen Sie denn schaffen durch die Arbeitsmarktinitiative 50 plus?
Müntefering: Weil ja was dran ist, haben wir ja gleichzeitig auch das Gesetz eingebracht, was wir 50 plus nennen. Das heißt es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass Menschen nicht mehr so früh aus dem Erwerbsleben verdrängt werden und dann, wenn sie doch draußen sind, 50 Jahre und älter, möglichst schnell wieder rein kommen. Das wird heute parallel dazu beraten.
Engels: Wie viele Jobs werden denn so geschaffen?
Müntefering: Das kommt darauf an, wie die Konjunktur insgesamt ist. Im letzten Jahr jedenfalls ist die Zahl der arbeitslosen Älteren um etwa 90.000 gesunken und das finde ich ist eine stolze Zahl.
Engels: Es gibt ja Kritik aus verschiedenen Lagern. Kritik gibt es vor allen Dingen an einer Ausnahme, die lautet: Wer 45 Jahre lang ohne Pause Beiträge eingezahlt hat, der soll nach wie vor mit 65 Jahren in Rente gehen dürfen. Das soll für schwer arbeitende Arbeitnehmer gelten. Die Kritik lautet, das benachteilige Akademiker, Behinderte und auch Frauen, denn die hätten in der Regel keine Chance, diese 45 Jahre voll zu kriegen. Berücksichtigen Sie das?
Müntefering: Ja, aber diese 45 Jahre ist schon eine vernünftige Regelung. Es ist ja gewissermaßen eine Konzession an eine Generation, die noch sehr viel früher angefangen hat zu arbeiten mit 14, 15, 16 Jahren. Heute gehen wir im Schnitt mit 20, 21 in den Beruf. Viel mehr studieren, können studieren Gott sei Dank. Wir haben da nicht zu viel, sondern eher zu wenig. Das werden aber auf die Dauer nicht immer ganz viele sein, die diese 45 Jahre erreichen. Wenn man mit 20, 21 hinein geht, dann ist man halt dann 66, 67 wenn man die 45 Jahre hat.
Engels: Durch diese Ausnahme wird auch nicht so viel gespart, wird gesagt. Die Experten sagen, dass der Rentenbeitragssatz nun durch diese Ausnahmen nur um einen halben Prozentpunkt gedrückt werden kann. Lohnt sich dafür der Aufwand?
Müntefering: Ja, das lohnt sich natürlich. Diese 45 Jahre sind natürlich eine Entscheidung, die weniger Geld sparen lässt, aber das ist vernünftig und das, was Sie jetzt auch fragen, entspricht ja dem, was wir auch erleben. Der eine meint, es geht zu weit; der eine sagt, es geht nicht weit genug. Ich glaube, dass mit dem, was wir machen, wir das einigermaßen sozial gerecht organisieren und es kommt in der Tat darauf an, dass wir dafür sorgen, dass die Älteren länger im Beruf bleiben können. Es ist heute in Deutschland so, dass von den 55jährigen und älteren noch 45 Prozent in Arbeit sind. Das kann so nicht bleiben. So kann unser Wohlstand nicht gesichert werden. Das ist sowieso der entscheidende Punkt für die Höhe der Rente und für die Perspektive der Alterssicherung: Wie wird der Wohlstand in Deutschland sein? Deshalb sagen wir, sagt die Bundesregierung, wir müssen einen Teil dessen, was wir erwirtschaften, nehmen und in die Zukunftsfähigkeit investieren, in Bildung und Forschung sowie Entwicklung. Das wird die Entscheidung dafür sein, wie hoch denn die Renten tatsächlich sein werden in 2020, 2030, 2040.
Engels: Kommen wir noch einmal auf die 45er-Regelung zu sprechen, denn daran rankt sich ja auch viel an möglichen Verfassungsklagen, beispielsweise wenn man berechnet, dass jemand, der 2000 Euro monatlich Rentenanspruch hat, 45 Jahre gearbeitet hat, dann 24.000 Euro mehr bekäme als derjenige, der 44 Jahre gearbeitet hat. Ist das gerecht?
Müntefering: Ja gut, das ist bei jeder Grenze so, die man zieht. Dann gibt es immer den Knick bei denen, die nicht mehr in diese Regelung einbezogen werden, aber diese 45 Jahre haben ja schon bisher eine hohe Bedeutung gehabt und ich glaube, dass das eine Regelung ist, von der zunächst mal noch eine größere Zahl von Menschen betroffen sein wird, aber über die Dauer der Jahre werden es dann wie gesagt immer weniger sein. Ich halte das für vertretbar.
Engels: Für vertretbar und auch für verfassungsgemäß?
Müntefering: Ja. Sonst würden wir das nicht machen.
Engels: Vielleicht fürchten Sie ja Horst Köhler. Der Bundespräsident ist ja gerade in Form bei der Nichtunterzeichnung von Gesetzen.
Müntefering: Das ist die Aufgabe des Bundespräsidenten, sein Recht und auch seine Pflicht, die Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit hin sich anzusehen. Er unterschreibt und natürlich ist das in seiner Hand, uns beziehungsweise dem Gesetzgeber zu sagen, hier und da sieht er das anders. Das ist möglich und das tut er ja auch.
Engels: Bleiben wir beim Thema. Nun ist gerade nach der zuletzt gestoppten Gesetzesunterzeichnung durch Horst Köhler ein neuer Gesetzentwurf in den Augenschein geraten. Da geht es um die Aufteilung der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger. Da haben sich ja Bund und Länder geeinigt. Da gibt es aber offenbar auch verfassungsrechtliche Probleme. Das meldet jedenfalls die "Süddeutsche Zeitung", das Bundesinnenministerium habe Bedenken angemeldet, weil in dieser Regelung Länder unterschiedlich bezahlt werden. Wie sehen Sie den Fall?
Müntefering: Das Gesetz ist schon immer ein komplizierter Vorgang gewesen. Es geht darum, dass die Kommunen, also die Gemeinden, die Wohnkosten bezahlen für Hartz IV, für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und dass der Bund immer einen Zuschuss dazu gibt. In diesem Jahr sind es 29,1 Prozent, im nächsten Jahr sollen es mehr sein. Nun ist die Frage der unterschiedlichen Betroffenheit in den einzelnen Ländern. Deshalb hat es einen Vorschlag gegeben aus dem Bundesrat heraus, nicht von der Bundesregierung, und dieser Vorschlag sagt, wir machen einen horizontalen Ausgleich, damit kein Land dadurch Schaden hat. Dazu gibt es einen Vorschlag. Der ist geprüft worden von uns. Der ist auch kritisch geprüft worden. Und wie das immer ist bei solch komplizierten Gesetzen: da gibt es diese und jene Meinung. Aber insgesamt haben wir in der Bundesregierung festgestellt: das ist vertretbar. Und ich bin sicher, dass der Bundesrat das morgen letztlich so entscheidet und dass das auch belastbar ist.
Engels: Also kein Fall für den Vermittlungsausschuss?
Müntefering: Ich sehe die Notwendigkeit nicht, nein. Das haben wir uns nicht leicht gemacht. Darüber haben wir viele Male gesprochen. Es ist halt so: es kann keine nach unserer Verfassung unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen geben. Da sind immer die Länder eingeschaltet. In diesem Dreiecksverhältnis ist nun die wirklich nicht so ganz einfache Frage, wie wird das Geld an die Kommunen geleitet bei einer unterschiedlichen Betroffenheit in den Ländern. Entscheidend ist, dass das Geld bei den Menschen ankommt. Dafür ist gesorgt mit dem, was wir jetzt beschlossen haben und was der Bundesrat morgen dann vorliegen hat.
Engels: Herr Müntefering Sie sagen, es ist nicht einfach mit solch komplizierten Gesetzen. Haben Sie dann Verständnis dafür, dass Horst Köhler sich jetzt auch in diese Verfassungsprüfung einschaltet?
Müntefering: Wir müssen alle Verständnis dafür haben, dass unser kompliziertes föderales System zu bestimmten Fragen führt. Da es wie gesagt keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen gibt, stellen sich Fragen, wie Sie hier diese stellen. Es gibt aber an vielen Stellen dann eine Frage, die man beantworten muss: ist das vertretbar ja oder nein. Natürlich gibt es immer auch Juristen, die das dann anders sehen könnten. Das ist auch normal und da sollten wir den ganzen Vorgang nicht übertrieben dramatisieren, sondern man kann sich über bestimmte Dinge sehr wohl streiten. Das ist nicht immer so ganz eindeutig festzulegen, wie man das machen müsste. Deshalb muss man so nahe wie möglich an die Wahrheit heran und wenn darüber mal gestritten wird, dann ist das auch nicht zum Schaden. Das wird dann hoffentlich dazu führen, dass ein größeres Bewusstsein dafür entsteht, was da geht und was da nicht geht.
Engels: Doch die Kritik lautet ja, eigentlich wäre die Kontrollinstanz das Bundesverfassungsgericht und nicht der Bundespräsident.
Müntefering: Nein. Der Bundespräsident muss die Gesetze unterschreiben. Da ist es glaube ich normal, dass der sich das genau anguckt und dann, wenn seine Bedenken erheblich sind, er auch entsprechend reagiert. Das habe ich nicht zu kritisieren, das hat keiner zu kritisieren. Dass das Bundesverfassungsgericht auch noch eine Funktion haben kann, das ist wahr. Wir als Gesetzgeber müssen aber handeln und da spricht uns keiner frei davon. Viele kluge Einsichten, die der eine oder andere hat, die haben wir auch, die prüfen wir und dann müssen wir uns aber entscheiden. Wir können da keinen Stillstand der Rechtspflege und der Politik in Deutschland machen, sondern wir müssen damit leben, dass wir eine komplizierte Verfasstheit in diesem Lande haben.
Engels: Der Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!
Müntefering: Bitte schön, Frau Engels.