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"Mugabe ist ein Mann der Vergangenheit"

Nach 33 Jahren mit Robert Mugabe an der Macht sei die Bevölkerung in Simbabwe "den alten Mann leid", sagt Oskar Wermter, der für die Bischofskonferenz südliches Afrika die Wahlen in Simbabwe beobachtet hat. Herausforderer Morgan Tsvangirai sei ein Hoffnungsträger, "einfach weil er nicht Mugabe ist".

Oskar Wermter im Gespräch mit Christiane Kaess | 01.08.2013
    Christiane Kaess: Fast 90 Jahre alt ist Simbabwes Diktator Robert Mugabe, aber an einen Rückzug aus der Politik denkt er immer noch nicht. Ganz im Gegenteil, der greise ehemalige Befreiungskämpfer, der sein Land in 33 Jahren an der Macht gnadenlos heruntergewirtschaftet hat, will weiter Präsident bleiben. Sein Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen, die gestern zusammen mit den Parlamentswahlen stattfanden, ist wieder einmal Morgan Tsvangirai. Seit 2009 führt Tsvangirai als Ministerpräsident eine Koalition der nationalen Einheit aus seiner Partei, der MDC, und der Partei ZANU-PF von Mugabe. Der Urnengang wurde von Wahlbeobachtern aus Ländern wie dem Iran und Russland begleitet, Beobachter der Europäischen Union wurden nicht zugelassen. Der Jesuitenpater Oskar Wermter ist kein offizieller Wahlbeobachter, aber er beobachtet die Wahl für die Bischofskonferenz südliches Afrika, und er lebt seit den 70er-Jahren in Simbabwe. Guten Morgen, Herr Wermter!

    Oskar Wermter: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Wermter, aus Ihrer Sicht, wie sind die Wahlen verlaufen?

    Wermter: Ja, also dem äußeren Anschein nach war es alles sehr ruhig, sehr diszipliniert, ziemlich gut organisiert. Es gab kleine Zwischenfälle hie und da, aber im Großen und Ganzen war das gut. Das ist aber auch bei den vorigen Wahlen gewesen. Und der dicke Hund kommt immer so am Ende, wenn die Ergebnisse rauskommen. Das ist der kritische Punkt, ob die Ergebnisse von den Parteien angenommen werden oder ob es dann zu großen Protesten und auch gelegentlich zu gewaltsamen Zwischenfällen kommt. Das ist die große Frage, die wir uns jetzt stellen.

    Kaess: Womit rechnen Sie, Herr Wermter?

    Wermter: Ja, wir hoffen alle sehr, dass es ruhig sein wird, dass die alte Regierungspartei nicht mehr ihre alten Tricks anwenden wird, dass der Druck der Nachbarländer genügend sein wird, um die Disziplin aufrechtzuerhalten. Aber wir wissen es nicht. Kirchlicherseits haben wir seit Anfang des Jahres daran gearbeitet, die Wahlen friedlich und ohne Gewalt zu gestalten. Und deswegen waren wir eben auch persönlich als Wahlbeobachter engagiert zusammen mit vielen unserer Gemeindemitglieder und natürlich Kollegen von anderen Organisationen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, die denselben großen Wunsch hatten und das selbe große Anliegen hatten.

    Kaess: Herr Wermter, im Vergleich zu den Wahlen 2008 hat es offenbar weniger Gewalt gegeben. Woran liegt das?

    Wermter: Der Wahltag 2008 war auch nicht so gewalttätig, das kam alles nachher. Aber wir sind natürlich jetzt wieder einige Jahre weiter. Wir haben die Erfahrung der sehr schwierigen Regierungskoalition hinter uns. Und Mugabe ist auch ein paar Jahre älter geworden. Die Nachbarländer haben sehr viel Druck ausgeübt, um die simbabwische Frage zu lösen. Denn die Unruhe in Simbabwe hat auch ungünstige Auswirkungen auf Südafrika, auf Botswana, auf Mosambik und so weiter. Insofern ist die Situation etwas anders als 2008. Und das gibt uns eine gewisse kleine Hoffnung, dass es auch so bleiben wird. Aber mit Sicherheit sagen können wir das momentan nicht.

    Kaess: Ist Morgan Tsvangirai noch ein Hoffnungsträger für die Bevölkerung?

    Wermter: Oh doch, das ist gar keine Frage. Er hat noch sehr große und sehr begeisterte Wahlveranstaltungen durchführen können. Und für viele ist er ein Hoffnungsträger. Er ist ein Hoffnungsträger einfach deswegen, weil er nicht Mugabe ist, weil er jemand anders ist, weil er eine Alternative ist. Man ist sich drüber klar, dass er auch seine Fehler hat, dass er auch nicht vollkommen ist. Aber nach 33 Jahren ist die Bevölkerung einfach den alten Mann leid. Sie hassen ihn nicht persönlich, aber sie sagen: Warum geht der Mann mit fast 90 Jahren nicht jetzt auf seinen Altenteil, spielt mit seinen Kindern oder Enkelkindern und genießt noch das Leben? Warum muss er sich noch quälen darum? Wäre es nicht besser, wenn er jetzt endlich mal gehen könnte und uns in Ruhe lässt, und dass wir jetzt mal an die Zukunft denken können? Denn Mugabe ist ein Mann der Vergangenheit. Er hat nichts für die Zukunft zu bieten, und vor allem die Jugend, die arbeitslose Jugend, die oft so hoffnungslose Jugend will eine neue Hoffnung haben.

    Kaess: Auf der anderen Seite, Herr Wermter, konnte Morgan Tsvangirai denn in diesen Jahren in der Regierung der nationalen Einheit irgendetwas verändern?

    Wermter: Das ist natürlich eine echte Frage. Er wurde sehr oft übergangen, er wurde sehr oft gedemütigt. Aber er hat immerhin dadurch, dass er sich an dieser Koalitionsregierung beteiligt hat, eine gewisse wirtschaftliche Normalität ermöglicht. Da muss man das "gewisse", das muss man sehr betonen, denn natürlich ist das Land wirtschaftlich noch nicht saniert. Da liegen eben die größten Probleme, weil eben Mugabe ständig wirtschaftliche Fragen im Grunde genommen beiseite geschoben hat. Er versteht nichts von Wirtschaft, und die Politik ist für ihn immer wichtiger als die Wirtschaft. Und deswegen ist eben die Wirtschaft noch nicht wieder gesund. Aber immerhin ist die Lage besser als 2008, ist die Lage besser als zur Zeit der Rekordinflation von 2007 und 2008. Insofern kann man schon sagen, dass er zur Verbesserung und Normalisierung etwas beigetragen hat – natürlich nicht so viel, wie er eigentlich beitragen sollte. Und es muss jetzt eine Regierung ran, die wirklich die echten Probleme angeht und nicht nur ihre Zeit damit verbringt, in endlosen Machtkämpfen sich aufzuzehren, ohne die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung ins Auge zufassen. Das ist, was man sich erhofft.

    Kaess: Herr Wermter, es heißt, bei diesen Wahlen hätten soziale Netzwerke wie Facebook zum ersten Mal auch in Simbabwe auch eine Rolle gespielt. Ein Pseudonym, Baba Jukwa, hat da Informationen herausgegeben, vor allem gegen das Regime von Robert Mugabe. Was haben Sie davon mitbekommen?

    Wermter: Ja, das ist richtig, und das war ein echter Triumph, weil hier wieder einmal die Medien in dieser neuen Form ihre Wirkung gezeigt haben. Das haben wir ja auch in den vergangenen Jahrzehnten, den Zusammenbruch des Kommunismus im Osten, gesehen: Eine diktatorische Regierung kann sich im Grunde genommen gegen eine wirklich gezielte Anwendung von modernen Medien nicht halten. Und das zeigt sich jetzt auch in der Anwendung der sozialen Medien. Und hier waren es eben gewisse Gruppen von innerhalb der herrschenden Partei, die das betrieben haben, natürlich zum großen Ärger von der Parteihierarchie. Aber das ist also eine sehr interessante Entwicklung, und ich glaube, das wird nicht weggehen. Damit werden die Herrschenden in der Zukunft rechnen müssen.

    Kaess: Herr Wermter, zum Schluss noch – haben Sie ein Zukunftsszenario vor Augen, wenn Mugabe nicht mehr im Amt sein sollte?

    Wermter: Ja. Wir brauchen eine Regierung, die einmal wirklich demokratisch ist. Denn diese alte Mugabe-Regierung, das war ja eine revolutionäre Bewegung, und die haben sich nie in eine echte demokratische Partei verwandelt. Zweitens brauchen wir eine Regierung, die das Gemeinwohl ins Auge fasst, nicht nur das Eigeninteresse der Partei.

    Kaess: Und gibt es dafür eine realistische Perspektive?

    Wermter: Ich glaube schon. Ich glaube schon, dass wenn die MDC oder eine Oppositionspartei rankommt, dass die nicht im selben Stile weitermachen wird. Obwohl natürlich einzelne Mitglieder dieser Parteien vom Stil der Mugabe-Partei infiziert sind. Da muss man aufpassen. Trotzdem bin ich doch mäßig hoffnungsvoll, dass wir ein besseres Simbabwe sehen können.

    Kaess: Sagt der Jesuitenpater Oskar Wermter. Vielen Dank für diese Einschätzung heute Morgen, Herr Wermter!

    Wermter: Danke schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.