Mohammed Mohammed Mursi Eissa al-Ayat, so sein vollständiger Name, spricht zum ersten Mal vor den Vereinten Nationen in New York:
"Ich rufe Sie dazu auf, das palästinensische Volk so zu unterstützen, wie Sie die Revolutionen in der arabischen Welt unterstützt haben. Als ein Volk, das für Freiheit und einen unabhängigen Staat kämpft, brauchen die Palästinenser ihre Hilfe."
Seit knapp drei Monaten ist Mursi Ägyptens erster frei gewählter Präsident. Der ägyptische Publizist Alaa Bayoumi, Autor zweier Bücher über das Verhältnis Ägyptens zu den USA, sieht in Mursis Auftritt vom letzten Mittwoch ein historisches Ereignis:
"Es ist eigentlich etwas Großartiges passiert. Wir haben jetzt einen frei gewählten Präsidenten, der versucht, dem Willen des Volkes zu entsprechen, einer der versucht, eine Außenpolitik zu entwickeln, die diesen Willen auch wirklich widerspiegelt. Das gab's seit Jahrzehnten nicht."
Auch die heimische Presse ist begeistert. Den Blättern ist nicht entgangen, wie oft Mursi die Wörter Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit verwendet. Er hat halbwegs klare Worte zu Palästina und Syrien gefunden. Er hat sich, zuvor schon, zum Friedensvertrag mit Israel bekannt. Es hätte – nach Ansicht nicht weniger Ägypter – auch anders kommen können. Mursi war bis kurzem eines der ranghöchsten Mitglieder der Muslimbruderschaft. So mancher im In-, aber auch im Ausland, hat ideologische Abenteuer befürchtet, mit scharfer antiwestlicher Rhetorik.
"Mursi will dem Westen zeigen", glaubt der Politikwissenschaftler Gamal Abdel Gawad Soltan, Professor an der Amerikanischen Universität in Kairo, "dass ein von Muslimbrüdern regiertes Ägypten keine Kraft ist, die die Region destabilisieren und die die westliche Vormachtstellung im Nahen Osten, so es sie denn überhaupt noch gibt, herausfordern will."
Denkbar wäre, dass es sich dabei um eine Taktik handelt, die die Muslimbruderschaft Jahrzehnte lang trainiert hat. Auch den Ex-Präsidenten Hosni Mubarak hat die Bruderschaft nie wirklich herausgefordert – und konnte in der Defensive desto ungestörter wachsen und gedeihen.
"Mursi und die Muslimbrüder wollen sich dem Westen als eine Kraft präsentieren, vor der man sich nicht fürchten muss. Sie möchten vom Westen als geeigneter Partner im Nahen Osten akzeptiert werden. Sie wissen, dass die Konfrontation und eine Radikalisierung der Außenpolitik ihren Führungsabsichten nur schaden würde."
Präsident Mursi braucht eine Amtszeit, die von seinen Landsleuten als Erfolg gesehen wird. Er und seine Gesinnungsgenossen wollen auch die nächsten Wahlen gewinnen. Das wird nur mit dem Westen und nicht gegen ihn gelingen. Es geht um Kredite und Investitionen, um Militärhilfen und florierende Wirtschaftsbeziehungen.
Mursis erste Schritte auf der Weltbühne kommen nicht nur im Westen, sondern auch in Ägypten gut an. In Teheran bewies er Charakter, als er die iranischen Machthaber brüskierte, indem er von Freiheit und Demokratie sprach und das Assad-Regime verurteilte. In New York kritisierte er die Israelis und warb für die Palästinenser. Es ist die Art starker, unabhängiger Positionierung, die die Ägypter unter Mubarak vermissten. Es ist aber auch eine Gratwanderung. Wenn Mursi, wie er gegenüber Reportern der New York Times erklärte, die USA zum "echten Freund" haben will, dann gefällt das nicht allen in Ägypten, schon gar nicht innerhalb der Muslimbruderschaft. Mostafa Elwi, Politologe an der Kairoer Universität:
"Außenpolitisch repräsentiert Mursi nicht unbedingt die Haltung jedes Muslimbruders. Aber er ist der Präsident aller Ägypter, deshalb muss er pragmatischer sein als mancher in der Bruderschaft."
Wie frei gewählte Politiker überall auf der Welt, bewegt sich Mursi in einem engen Geflecht aus Sachzwängen. Er muss dem eigenen Wahlvolk gefallen, aber auch dem Ausland, das er braucht, um erfolgreich zu sein. Für Abdel Gawad Soltan wird hier beispielhaft die domestizierende Kraft demokratischer Prozesse deutlich:
"Mursi möchte Eskalationen um jeden Preis vermeiden! Die Bruderschaft will vorerst den Status Quo bewahren, sie will zum Beispiel Ruhe an der Grenze zu Israel. Das Letzte, was sie braucht, ist ein Krieg mit dem Nachbarn. Sie will auf keinen Fall den Frieden aufs Spiel setzen."
"Mursi ist nicht Ahmedinedschad", sagt der Publizist Alaa Bayoumi:
"Mursi ist besonnen. Die Muslimbruderschaft will weder die Unterstützung aus dem Ausland, noch die aus dem Inland verlieren. Innerhalb Ägyptens droht ihr eine starke Konkurrenz von links und von rechts."
Ob die Muslimbruderschaft langfristig ihre Strategie ändert, das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand voraussagen. Abdel Gawad Soltan hält mindestens zwei Szenarien für möglich:
"Okay, mag die Bruderschaft in ein, zwei Jahrzehnten denken, jetzt haben wir die Macht und die Mittel, lasst uns die nächste Phase beginnen. Lasst uns die Region islamisieren und ein Kalifat errichten. Lasst uns die westlichen Mächte aus der Region vertreiben."
Der Politikwissenschaftler kann sich aber auch eine andere Option vorstellen:
"Vielleicht wird aus Ägypten ein florierendes, entwickeltes Land. Das ist uns, mag die Bruderschaft dann denken, zu kostbar, um es mit Konflikten oder mit einer abenteuerlichen Außenpolitik aufs Spiel zu setzen."
Welches Szenario eintritt, das werden dann, wenn es soweit ist, hoffentlich die Wähler entscheiden.
"Ich rufe Sie dazu auf, das palästinensische Volk so zu unterstützen, wie Sie die Revolutionen in der arabischen Welt unterstützt haben. Als ein Volk, das für Freiheit und einen unabhängigen Staat kämpft, brauchen die Palästinenser ihre Hilfe."
Seit knapp drei Monaten ist Mursi Ägyptens erster frei gewählter Präsident. Der ägyptische Publizist Alaa Bayoumi, Autor zweier Bücher über das Verhältnis Ägyptens zu den USA, sieht in Mursis Auftritt vom letzten Mittwoch ein historisches Ereignis:
"Es ist eigentlich etwas Großartiges passiert. Wir haben jetzt einen frei gewählten Präsidenten, der versucht, dem Willen des Volkes zu entsprechen, einer der versucht, eine Außenpolitik zu entwickeln, die diesen Willen auch wirklich widerspiegelt. Das gab's seit Jahrzehnten nicht."
Auch die heimische Presse ist begeistert. Den Blättern ist nicht entgangen, wie oft Mursi die Wörter Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit verwendet. Er hat halbwegs klare Worte zu Palästina und Syrien gefunden. Er hat sich, zuvor schon, zum Friedensvertrag mit Israel bekannt. Es hätte – nach Ansicht nicht weniger Ägypter – auch anders kommen können. Mursi war bis kurzem eines der ranghöchsten Mitglieder der Muslimbruderschaft. So mancher im In-, aber auch im Ausland, hat ideologische Abenteuer befürchtet, mit scharfer antiwestlicher Rhetorik.
"Mursi will dem Westen zeigen", glaubt der Politikwissenschaftler Gamal Abdel Gawad Soltan, Professor an der Amerikanischen Universität in Kairo, "dass ein von Muslimbrüdern regiertes Ägypten keine Kraft ist, die die Region destabilisieren und die die westliche Vormachtstellung im Nahen Osten, so es sie denn überhaupt noch gibt, herausfordern will."
Denkbar wäre, dass es sich dabei um eine Taktik handelt, die die Muslimbruderschaft Jahrzehnte lang trainiert hat. Auch den Ex-Präsidenten Hosni Mubarak hat die Bruderschaft nie wirklich herausgefordert – und konnte in der Defensive desto ungestörter wachsen und gedeihen.
"Mursi und die Muslimbrüder wollen sich dem Westen als eine Kraft präsentieren, vor der man sich nicht fürchten muss. Sie möchten vom Westen als geeigneter Partner im Nahen Osten akzeptiert werden. Sie wissen, dass die Konfrontation und eine Radikalisierung der Außenpolitik ihren Führungsabsichten nur schaden würde."
Präsident Mursi braucht eine Amtszeit, die von seinen Landsleuten als Erfolg gesehen wird. Er und seine Gesinnungsgenossen wollen auch die nächsten Wahlen gewinnen. Das wird nur mit dem Westen und nicht gegen ihn gelingen. Es geht um Kredite und Investitionen, um Militärhilfen und florierende Wirtschaftsbeziehungen.
Mursis erste Schritte auf der Weltbühne kommen nicht nur im Westen, sondern auch in Ägypten gut an. In Teheran bewies er Charakter, als er die iranischen Machthaber brüskierte, indem er von Freiheit und Demokratie sprach und das Assad-Regime verurteilte. In New York kritisierte er die Israelis und warb für die Palästinenser. Es ist die Art starker, unabhängiger Positionierung, die die Ägypter unter Mubarak vermissten. Es ist aber auch eine Gratwanderung. Wenn Mursi, wie er gegenüber Reportern der New York Times erklärte, die USA zum "echten Freund" haben will, dann gefällt das nicht allen in Ägypten, schon gar nicht innerhalb der Muslimbruderschaft. Mostafa Elwi, Politologe an der Kairoer Universität:
"Außenpolitisch repräsentiert Mursi nicht unbedingt die Haltung jedes Muslimbruders. Aber er ist der Präsident aller Ägypter, deshalb muss er pragmatischer sein als mancher in der Bruderschaft."
Wie frei gewählte Politiker überall auf der Welt, bewegt sich Mursi in einem engen Geflecht aus Sachzwängen. Er muss dem eigenen Wahlvolk gefallen, aber auch dem Ausland, das er braucht, um erfolgreich zu sein. Für Abdel Gawad Soltan wird hier beispielhaft die domestizierende Kraft demokratischer Prozesse deutlich:
"Mursi möchte Eskalationen um jeden Preis vermeiden! Die Bruderschaft will vorerst den Status Quo bewahren, sie will zum Beispiel Ruhe an der Grenze zu Israel. Das Letzte, was sie braucht, ist ein Krieg mit dem Nachbarn. Sie will auf keinen Fall den Frieden aufs Spiel setzen."
"Mursi ist nicht Ahmedinedschad", sagt der Publizist Alaa Bayoumi:
"Mursi ist besonnen. Die Muslimbruderschaft will weder die Unterstützung aus dem Ausland, noch die aus dem Inland verlieren. Innerhalb Ägyptens droht ihr eine starke Konkurrenz von links und von rechts."
Ob die Muslimbruderschaft langfristig ihre Strategie ändert, das kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand voraussagen. Abdel Gawad Soltan hält mindestens zwei Szenarien für möglich:
"Okay, mag die Bruderschaft in ein, zwei Jahrzehnten denken, jetzt haben wir die Macht und die Mittel, lasst uns die nächste Phase beginnen. Lasst uns die Region islamisieren und ein Kalifat errichten. Lasst uns die westlichen Mächte aus der Region vertreiben."
Der Politikwissenschaftler kann sich aber auch eine andere Option vorstellen:
"Vielleicht wird aus Ägypten ein florierendes, entwickeltes Land. Das ist uns, mag die Bruderschaft dann denken, zu kostbar, um es mit Konflikten oder mit einer abenteuerlichen Außenpolitik aufs Spiel zu setzen."
Welches Szenario eintritt, das werden dann, wenn es soweit ist, hoffentlich die Wähler entscheiden.