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Museum für einen gefallenen Baseball-Helden

Ein kleines Museum in South Carolina bemüht sich um die Ehrenrettung des Baseball-Spielers "Shoeless” Joe Jackson, dem berühmtesten Sportbetrüger Amerikas. Daran ist vieles bemerkenswert. Nicht zuletzt, dass der Skandal fast hundert Jahre her ist.

Von Jürgen Kalwa |
    "Mein Vater sagte, dass er ihn Jahre später spielen gesehen hat. In einer zehntklassigen Liga in einer Stadt in Carolina, in der die Textilindustrie eine große Rolle spielte. Er trug Schuhe und einen anderen Namen. Er hatte 50 Pfund zugelegt, und seinem Schritt fehlte das Federleichte. Aber er traf noch immer den Ball. Oh, und wie der Mann traf. Niemand hat jemals den Ball so geschlagen wie ‘Shoeless Joe’.”

    Mit diesen Sätzen fängt ein höchst lesenswerter Roman an, in dessen Mittelpunkt eine mystische Figur aus der Geschichte des amerikanischen Sports steht. Joseph Jefferson Jackson. "Shoeless” Joe Jackson, der diesen Spitznamen erhalten hatte, weil er einst – nur in Socken und ohne Schuhe – über den Platz gehetzt war.

    Das Buch wurde verfilmt – Titel: "Field of Dreams”, "Feld der Träume” – für drei Oscars nominiert und ist eine magische Zeitreise auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Phantasie.
    Der echte "Shoeless” Joe Jackson ist schon lange tot. Er starb vor etwas mehr als sechzig Jahren. Sein Geist allerdings lebt weiter. Nicht nur auf der Leinwand. Sondern vor allem hier: in Greenville, South Carolina. In der kleinen Stadt, in der Jackson begraben ist. Und in seinem alten Haus, das zu einer Art Schrein geworden ist. Jedes Jahr kommen Neugierige so wie Phil Bilder, ein Kinderbuchautor aus New York, der über "Shoeless” Joe und seinen Baseball-Schläger, genannt "Black Betsy”, geschrieben hat.

    ""Hi, I am at the Shoeless Joe Jackson Museum in Greenville, South Carolina. I am standing in the original dining room of Shoeless Joe Jackson’s home. I’ll show you around a little bit....”"

    Seinen Besuch hat der ehemalige Lehrer auf YouTube hochgeladen. Beleg für eine Fankultur der ungewöhnlichen Art. Jackson, ein Junge aus armen Verhältnissen, der weder lesen noch schreiben konnte und schon als Kind in einer Textilfabrik arbeitete, genießt nämlich eine zwiespältige Verehrung. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn war er 1919 in der Endspielserie – der "World Series" – in einen Betrugsskandal verwickelt, der die amerikanische Sportwelt erschütterte.

    ""Say it ain’t so, Joe. Say, it ain’t so.”"

    "Sag, dass es nicht stimmt, Joe”, soll ein kleiner Junge damals zu "Shoeless” gesagt haben. Es wurde ein geflügeltes Wort in der amerikanischen Umgangssprache.

    Der Linkshänder und seine Mannschaftskameraden wurden zwar von einem ordentlichen Gericht freigesprochen. Aber der Chefmanager der Baseball-Liga war hart und seine Strafe noch viel härter. Ausschluss auf Lebenszeit. Persona non grata.

    Das ist alles schon so lange her, dass so etwas in anderen, nicht halb so sportbesessenen Ländern längst dem kollektiven Vergessen anheimgefallen wäre. Aber das kleine, ganze hundert Quadratmeter große "Shoeless"-Joe-Jackson-Museum an der Field Street gleich gegenüber vom Baseball-Stadion von Greenville zeigt, dass in den USA die Uhren anders laufen. Sie ticken langsamer.

    Tim Wiles, Chefhistoriker der Baseball Hall of Fame in Cooperstown, in die "Shoeless" Joe wegen seiner Sperre nicht aufgenommen wurde, kann das erklären.

    ""In den siebziger Jahren erleben wir den Anfang einer goldenen Ära der Baseball-Schriftstellerei. Vieles davon ist schlichtweg nostalgisch und nicht unbedingt historisch akkurat. Diese Literatur widmet sich einer Zeit in Amerika, die als unschuldsvoll galt. Die verschobenen 'World Series' von 1919 wird als Verlust dieser Unschuld empfunden. Die im Baseball. Und die in Amerika als Ganzem.”"

    Schuld, Unschuld? Das ist zumindest im Fall von "Shoeless" Joe Jackson auch heute noch die Frage. Zumindest für die Menschen in Greenville, sagt Arlene Marcley, die das Museum betreibt, das 2008 eröffnet wurde:

    ""Mich hat beschäftigt, dass man in Amerika als unschuldig gilt, wenn Geschworene zu diesem Urteil kommen. Trotzdem hat der Commissioner erklärt, ihm sei egal, was die Geschworenen sagen und hat sie gesperrt.”"

    Sie – das sind acht Spieler der Chicago White Sox – einschließlich "Shoeless” Joe. Der hatte übrigens damals bei der Vernehmung des Staatsanwalts zugeben, 5000 Dollar als seinen Anteil von den 100.000 Dollar Schmiergeld vereinnahmt zu haben. In Greenville weiß man das. Aber man rechnet dieses Geständnis gerne auf. Zum Beispiel dagegen, wie er 1919 gegen die Cincinnati Rees gespielt hat: Fehlerfrei und so gut, als wolle er den Plan zu Fall bringen. War "Shoeless” am Ende Opfer und kein Täter? Wenn ihn überhaupt irgendeine Schuld trifft, so sagt man in Greenville, dann, dass er zu naiv war.

    Vermutlich nicht viel weniger naiv, als der Politiker Jim DeMint, der 2005 eine Beschlussvorlage im Senat von Washington einbrachte, um die Baseball-Liga dazu zu bewegen, ihre starre Haltung aufzugeben, die Sperre aufzuheben und Jackson angemessen für seine außergewöhnlichen Leistungen zu würdigen. Der Senat – das ist jene wichtige Kammer des Kongresses, in dem internationale Verträge ratifiziert werden und wo über die Richter für den Obersten Gerichtshof beraten wird – stimmte der Resolution zu. Der Chef der Baseball-Liga ignorierte den Beschluss.