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Musik als Waffe

Musik dient in Kriegen zur Folter oder zur Verwirrung des Feindes. Das Stück "Ghost Tape XI" in der Alten Feuerwache in Köln greift das wenig bekannte Thema auf. Die Macher setzen dabei nicht auf ein Erlebnistheater, sondern kommentieren subtil und experimentell die Instrumentalisierung von Klängen.

Von Ina Plodroch |
    Musik soll entspannen, Musik soll alarmieren, Musik soll Drogensüchtige vom Hamburger Hauptbahnhof fernhalten, Musik soll zum Kauf verführen,
    Musik soll aber auch töten.

    "Die Welt ist nicht gerade arm an tödlichen Waffen. Doch wir arbeiten mit Wissenschaftlern an einer Todestrahlen-Maschine. Mit der Absicht, eine völlig neuartige Methode menschlicher Vernichtung zu bieten."

    Der Sprecher ist Mitarbeiter des elektroakustischen Labors und untersucht, wie Musik töten oder zumindest verletzten kann.

    "Und als Krönung: Den Akustik-Laser Medusa. Er erzeugt mittels Mikrowellen laute Geräusche im Gehirn, die den menschlichen Schädel so schnell aufheizen, dass eine Druckwelle im Kopf entsteht. Dieser Lärm im Schädel macht das Opfer vorübergehend kampfunfähig."

    Musik als Waffe, das ist kein Hirngespinst dieser Theatermacher. Verschwörungstheorien, Legenden oder Geheimakten zeigen mehr oder weniger wahrheitsgemäß: Das gibt’s. Solche Dokumente werden von dem Sprecher im experimentellen Musiktheaterstück "Ghost Tape XI" vorgetragen. Er steht mit schwarzem Anzug auf der Bühne, ein Schlagzeuger sitzt hinter ihm, ein Gitarrist schaut ihn an, links steht eine Frau am Laptop. Einzelne Szene fügen sich ineinander, erzählen keine Geschichte, folgen aber einem Thema: Instrumentalisierte Musik.

    "Es ist ja komisch, wenn es für etwas wie Musik eine Erklärung gibt, warum sie da ist, allein das finde ich seltsam. Unseres Erachtens ist das Missbrauch der Musik, eine Form der Manipulation."

    Marion Wörle ist Computermusikerin, gemeinsam mit Maciej Sledziecki hat sie das Stück "Ghost Tape XI" entwickelt.

    "Irgendwann sind wir über dieses Thema gestolpert, dass eben Musik im Krieg eingesetzt wird und man dachte sich so, das ist ja total skurril und das ist so ein ganz kleines Randthema, und dann war das aber so interessant, dass man angefangen hat, da weiter zu forschen und herausfand: Da gibt es ja doch viel mehr, als man denkt."

    Wie zum Beispiel Auftragskompositionen während des Krieges, die klingen wie eine Schlacht, damit der Gegner denkt, er wird attackiert, obwohl eigentlich nur die Musik hört. Oder Musik als Folterinstrument wie in Guantanamo nach dem Irakkrieg. Stundenlang wurden die Häftlinge mit Popsongs wie "Born in the USA", "We are the Champions" oder "Saturday Night Fever" in brachialer Lautstärke beschallt. All das wollen Sledziecki und Wörle auf die Bühne bringen.

    "Es ist ein Problem, weil Musik und Folter, dann heißt es: Wollt ihr das Publikum foltern?"

    "Ghost Tape XI" foltert sein Publikum nicht. Die Musik aus dem Laptop, der Gitarre und dem Schlagzeug klingt eher nachdenklich, spricht leise zum Publikum und fordert zur Wachsamkeit auf. Nur manchmal kommt sie dem Zuschauer bedrohlich nah, wenn der Bass auf die Bühne zu drängen droht, und die Gitarre laut zerrt. Wörle und Sledziecki spielen nicht einfach Propagandalieder nach, um den musikalischen Missbrauch zu zeigen.

    "Wir haben das ja auch versucht, mit unserer eigenen musikalischen Sprache wieder auszudrücken, wir wollten ja keine andere musikalische Sprache als die unsere."

    Manchmal verzichten sie auch komplett auf Musik, wenn eine Kriegshymne zum Mantra wird.

    "Let the bodies hit the floor. Let the the bodies hit the floor."

    Der Zuschauer spürt nicht, wie Musik ihn beeinflussen, manipulieren kann. Das wäre naheliegend. "Ghost Tape XI" ist aber kein Erlebnistheater, sondern es kommentiert subtil und experimentell die Instrumentalisierung von Musik, ohne allzu eindeutig zu werden.

    "Die Instrumentalisierung von Musik ist halt so, als würde man die Musik einem wegnehmen, das was uns an der Musik interessiert. Und wir nehmen es uns halt zurück."