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Musik in Filmtrailern
Einen Film in zwei Minuten erzählen

Filmtrailer sind Werbespots für kommende Kinofilme, in nur rund zwei Minuten müssen sie die Geschichte von langen Filmen erzählen. Besonders wichtig ist dabei die Musik - und für die zeichnet bei zahlreichen Trailern der Komponist Yoav Goren aus Los Angeles verantwortlich.

Von Stefan Fries |
    Fast drei Stunden dauert der Spielfilm "Der Hobbit - Eine unerwartete Reise". Der Trailer dazu ist ein Parforceritt durch das Werk. Allein in einer 24 Sekunden langen Sequenz des Trailers stecken 18 Schnitte: Die Elbin Galadriel, der Zauberer Gandalf, der Hobbit Bilbo Beutlin sind zu sehen und Dutzende andere Figuren aus der Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Roman. Die Schauplätze wechseln rasant. Nur eine Sache in diesen zwei Minuten und 19 Sekunden kommt ohne Schnitt aus: die Musik.
    Komponist: "Trailermusik versucht, den Film in zwei Minuten zu verkaufen."
    Für die Musik in diesem Trailer ist nicht etwa Howard Shore verantwortlich, der die Musik für den Film geschrieben hat. Denn seine Filmmusik war noch gar nicht fertig, als der erste Trailer produziert wurde. Eine andere Musik musste her. Das ist fast immer so. Dann wird oft der US-Komponist Yoav Goren gerufen, der Musik ausschließlich für Filmtrailer schreibt. Mit gutem Grund gibt es dafür eigene Musik, erzählt er am Rande eines Kongresses in Köln, denn die fertige Filmmusik wäre für den Trailer nicht unbedingt geeignet, weil sie ganz anders funktionieren muss.
    "Normalerweise steht die Filmmusik für sich, und die Trailermusik steht für sich. Es geht um zwei verschiedene Ziele. Die eigentliche Filmmusik unterstützt die Handlung eines zweistündigen Films. Die Trailermusik versucht, den Film in zwei Minuten zu verkaufen. Das sind unterschiedliche Arten, sich der Musik anzunähern." Dementsprechend sind im Film nicht nur die dramaturgischen Bögen anders als im Trailer, sondern auch die in der Tonspur. Im Gegensatz zur Trailermusik von Yoav Goren kann sich Howard Shore mit seiner Filmmusik Zeit nehmen und Spannung entwickeln.
    Die Trailermusik von Yoav Goren muss dagegen auf den Punkt kommen: Sie muss zu den schnellen Schnitten passen und auch zur Verschränkung von Filmton und Filmbildern, die asynchron zusammengeschnitten werden. Und seine Musikauswahl ist nicht nur mitentscheidend dafür, ob sich das Publikum für den Film interessiert - sie prägt auch die spätere Filmmusik selbst. "Sie gibt sofort den Ton des Films vor, wie die Produzenten den vermarkten wollen und welche Art von Empfindungen sie haben wollen. Und Musik spielt dabei eine große Rolle."
    Gorens Archiv besteht aus tausenden Titeln
    Goren komponiert nicht für jeden Trailer komplett neu. In seinem Archiv lagern tausende selbstkomponierte Titel, Themen und Melodien, die er nach Bedarf hervorziehen und anpassen kann. Musik für imaginierte Filmtrailer, die er in tausenden Stunden, ohne Auftrag, nur für den Spaß an der Sache vor sich hin komponiert hat - wie ein kleines Kind, das mit Playmobil Filmszenen nachstellt und darüber die Welt vergisst. Musik nicht für französische Kunstfilme, sondern für Hollywood - gerne mit Symphonieorchester und großem Chor, die zu Klanggewittern im Cinemascope-Format wird - etwa für die Filme "Cloud Atlas", "Iron Man 3" und "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 2". Bei Filmreihen wie diesen greift Goren auch auf fremde musikalische Themen zurück. "Ich schrieb gerade an der Trailermusik für Mission Impossible 4. Aber das Studio wollte das bekannte Thema. Also habe ich das Thema genommen und es in meine Musik eingefügt. Ich habe es sozusagen modernisiert."
    Auch ein schlechter Film kann einen guten Trailer haben
    Yoav Goren gilt als Pionier und Wegbereiter seiner Sparte und als einer der erfolgreichsten Trailer-Komponisten weltweit. Geboren in Israel, wuchs er in New York City als Kind eines Künstlerpaars auf, studierte Klavier und begeisterte sich für Filmkomponisten. Heute ist er 51, unauffällig und ruhig, in seiner Sparte unangefochten. Vor zwanzig Jahren gründete Goren in Los Angeles seine Firma "Immediate Music". Mit ihr steuerte er die Musik bei zu bisher 7000 Trailern, Werbespots und Videospielen - für Film und Fernsehen weltweit, auch für die Deutsche Telekom, McDonald's und die Bundesliga, die inzwischen auf einen ähnlichen cineastischen Sound setzen. "Diese Musik lässt die Bilder automatisch bedeutsam aussehen. Unser Gehirn funktioniert so. Wenn wir großes Orchester und Chor hören, werden wir aufmerksam und denken: Das muss wichtig sein."
    Ohne Trailer wird heute kaum ein Hollywoodfilm zum Erfolg. Bei großen Produktionen fließt ein Drittel des Filmbudgets allein in die Vermarktung. Das hilft zwar nicht immer, aber ein gut gemachter Trailer, findet Yoav Goren, lockt die Zuschauer durchaus ins Kino, auch wenn der Film dann enttäuschen mag. "Trailer haben begonnen, eine eigene Kunstform zu werden. Zwei-, dreiminütige Kurzfilme, die ein eigenes Leben außerhalb des eigentlichen Films haben. Ein Trailer kann großartig sein und der Film schrecklich - das passiert oft."