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Musik-Produzent Marc Collin
Er covert wieder

Der Franzose Marc Collin ist ein Cover-Spezialist. Einst interpretierte der Musiker, DJ und Produzent Songs von Massive Attack und Portishead im Bossa-Nova-Sound. Mit Bristol, so der Name seines neuen Projekts, widmet er sich Trip-Hop und macht, was er schon immer gemacht hat: Er spielt Popsongs im 60er-Jahre-Stil.

Von Ina Plodroch | 13.04.2015
    "Alles fing in Bristol an. Wie Techno, der ist mit Detroit verbunden, House mit Chicago. Und Trip-Hop eben mit Bristol."
    Anfang der 90er-Jahre. Bands wie Portishead, Massive Attack oder Tricky haben sich aus alten Soundtracks flächige und atmosphärische Beats gebastelt. So wie im Hip-Hop, nur ruhiger. Darüber haben sie dann keinen Rap, sondern Gesang gelegt. Trip-Hop.
    Marc Collin setzt dem "Sound of Bristol" ein Denkmal. Indem er ihn covert. So hat es der Produzent schon mit New Wave und Punk gemacht. Den rotzigen Ton der Musik hat er mit seiner Band Nouvelle Vague in süße Chansons verwandelt. Warum er nicht dabei bleibt?
    "Weil ich nicht weiter machen wollte, mit Nouvelle Vague und all diesen Cover-Songs der 80er-Jahre-Bands.
    Wir haben alles zu diesem Thema gesagt. Als ich jung war, habe ich viel New Wave gehört. Und danach kam Trip-Hop. Es gibt viele Verbindungen zu New Wave, weil die Trip-Hop-Künstler auch keine wirklichen Songwriter waren, sondern Produzenten."
    Macher statt Profis
    Es waren keine professionellen Musiker, sondern Macher, die wie im Punk einfach drauf los geschrammelt bzw. gesampelt haben. Do-it-yourself. So sieht sich auch Marc Collin: mehr Produzent als Musiker, mehr Macher als Theoretiker.
    "Für mich ist Bristol die Schwester von Nouvelle Vague. Es ist die gleiche Idee: Ich nehme eine Szene oder ein Genre und zeige die Songs dieser Bands. Es ist halt so, wenn Leute über Songwriting reden, dann geht es immer um die Beatles, Beach Boys oder Elton John. Da spricht niemand über Massive Attack, Portishead oder Tricky. Natürlich nicht."
    Vergessene Songs wieder entdecken
    Marc Collin bringt diese fast vergessenen Songs wieder ins Radio. Weil ihn New Wave und auch Trip-Hop geprägt haben, wie die Beatles andere Generationen. Covern fürs Erinnern. Dabei verneigt er sich nicht ehrfürchtig vor seinen Helden. Sondern lässt diese Songs, die vor allem auch durch die technischen Möglichkeiten des Sampelns entstehen konnten, so klingen als wären sie ihre eigene Vorlage aus den 60ern.
    "Ich versuche, mir die Original-Songs anzuhören und lasse mich inspirieren für neue Arrangements. Wie würden sie klingen, wenn sie in den 60ern aufgenommen worden wären? Zum Beispiel 'Roads' von Portishead.
    Ich habe mir vorgestellt, dass es so ein Blues-Song, so eine langsame Ballade aus den 60ern, ist. Mit der Orgel, mit einem kleinen Shuffle-Rhythmus, mit so einem Otis-Redding-Sänger."
    Reduzieren auf das Wesentliche
    Collin reduziert vor allem die technischen Mittel. Das, was Portishead und Co aus Samples von alten Filmklassikern zusammen gebastelt haben, spielt er mit seiner Band.
    Eine neue mit jungen französischen Musikern. Ganz analog. Wenn Collin nicht zu nah am Original klebt, sondern einen melancholischen Song düster interpretiert, einen angedeuteten Reggae-Beat in den Vordergrund rückt oder die melancholische Stimmung umkehrt, dann haben seine Interpretationen einen eigenen Reiz. Das schafft er nicht bei jedem Song. Manche sind einfach ein simples Cover. Oder aber ein Spiel mit der Popgeschichte.
    "Vielleicht hört irgendwann jemand in einer Bar meinen Cover-Song und denkt sich: 'Ach das ist der Originalsong von diesem Tricky-Stück. Ich dachte immer, das sei von ihm aber es ist wohl ein Cover.' Das wäre interessant."