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Musikbranche in der Krise

Spengler: Die Popkomm, die Messe für Musik und Entertainment schrumpft. Im Jahr 2000 gab es auf der Popkomm noch mehr als 900 Aussteller. Letztes Jahr waren es mehr als 800 und dieses Mal sind es nur noch 700 Firmen. Am Telefon begrüße ich Peter Zombick, den Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, wozu wir früher vermutlich Schallplattenindustrie gesagt hätten. Guten Morgen, Herr Zombick.

    Zombick: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Bevor wir auf die schwierige wirtschaftliche Lage Ihrer Branche eingehen, lassen Sie uns zunächst auf die musikalische Entwicklung kurz zu sprechen kommen. Gibt es da einen Trend, der sich abzeichnet?

    Zombick: Nein, es gibt nicht einen großen Trend. Es gibt viele Trends. Musik ist ein sehr wichtiger Identifikationsfaktor, etwas, mit dem wir aufwachsen, mit dem wir uns identifizieren und mit dem wir auch Freunde finden und mit Freunden teilen. Es gibt sehr viele unterschiedliche Trends. Wenn Sie in die Charts gucken - die TOP 100 der letzten Verkäufe -, dann werden Sie feststellen, dass sich dort eine Vielzahl sehr unterschiedlicher musikalischer Richtungen und Stile befindet. Es ist natürlich einerseits schwieriger für die Künstler und natürlich auch für die wirtschaftliche handelnden Unternehmen geworden. Auf der anderen Seite zeigt sich da die ganze Breite des musikalischen Spektrums. Insofern denke ich, dass sich für die Fans so viel und so viel Verschiedenes und so viel verschiedenes Spannendes findet, dass jeder seine Musik finden kann, und in den nächsten Tagen in Köln wird das sicher auch über die Bühnen und im Ringfest deutlich werden.

    Spengler: Die Fans, Herr Zombick, haben es also gut, besser offenbar als die Branche: Der Umsatz der Musik-CDs ist rückläufig. Der Trend setzt sich auch in diesem Jahr fort. Es gibt also ein Absatzproblem. Ehe wir darauf zu sprechen kommen, möchte ich von Ihnen wissen, ob die Krise der Musikindustrie vielleicht auch hausgemacht ist. Wenn man da an die Überheblichkeit solcher Konzerne wie Bertelsmann, wie Vivendi denkt, die einfach rund um die Uhr Firmen völlig überteuert aufgekauft haben, dann muss man doch sagen, dass man auch zum Teil selbst daran Schuld ist.

    Zombick: Nein, die Krise des Tonträgermarktes ist keine Krise der Tonträgerfirmen. Keine Krise insofern, als die Tonträgerfirmen natürlich die Nase am Markt haben. Konzentration ist ja kein Phänomen, dass nicht nur im Musikmarkt aufgetreten ist, sondern in vielen anderen Branchen auch. Überheblichkeit ist da sicher nicht das Thema, sondern das Thema ist `Überleben sichern` und vieler dieser Fusionen sind auch Überlebenssicherungsmaßnahmen.

    Spengler: Aber nicht alle.

    Zombick: Ganz abgesehen davon: Wenn Sie sich alleine den deutschen Markt angucken und das möglicherweise spiegeln wollen an den Zahlen des Bundesverbandes Phono und der deutschen Tonträgerverbände, dann haben wir vor rund 15 Jahren rund 200 Mitgliedsfirmen gehabt. Heute haben wir fast 1000 Mitgliedsfirmen. Der Markt boomt insofern, als es sehr viele kreative Zellen, sehr viele große, kleine und mittlere Firmen gibt, die auch in den Szenen verankert sind, so dass also die Vielzahl von Trends und auch von Labels durch die Fokussierung auf die großen kaum ständig verdeckt wird, und im übrigen muss man auch sehen, dass die kleinen Firmen auch die Zusammenarbeit mit den großen nutzen. Es gibt ein funktionierendes Miteinander und ein funktionierendes Austauschverhältnis von Stärken innerhalb der Industrie, denn viele kleinere Firmen nutzen natürlich die Marketing- und Vertriebsaktivitäten der großen Firmen.

    Spengler: Was würden Sie denn dann als Hauptproblem der Branche bezeichnen?

    Zombick: Das Hauptproblem und die zentralen Probleme der Branche lassen sich sicher unter zwei Überschriften zusammenfassen. Und lassen Sie mich noch vorausschicken: Es ist nicht die Musik. Die Musik ist so erfolgreich wie kaum zuvor und nie ist mehr Musik in private Haushalte gekommen als gerade jetzt, als im Jahr 2001 zum Beispiel. Da können wir das in Zahlen festmachen, und das beschreibt gleich eines der Probleme: Wir haben im Jahre 2001 172 Millionen CDs verkauft, und 182 Millionen CD-Rs, die mit Musik bespielt worden sind, sind in den privaten Haushalten gelandet. Also, mehr Musik kommt auf dem Wege der privaten Vervielfältigung...

    Spengler: Also CD-Rs, das sind selbstgebrannte, das muss man dazu sagen.

    Zombick: Vielen Dank für die Erläuterung. Es sind also mehr selbstgebrannte CDs mit Musik in private Haushalte gekommen als bespielt verkauft worden sind. Das ist sicher das zentrale Problem der Branche. Die Ausbreitung von Brennern und die massenhafte Nutzung dieser Brenner ist sicher unser wichtigstes Problem. Die zweite Überschrift heißt Internetpiraterie. Eine Flutwelle von illegalen Angeboten, die über das weltweite Netz verfügbar gemacht worden ist, ist natürlich eine Situation, die natürlich dazu beiträgt. Viele dieser Angebote dienen natürlich auch zur Selbstversorgung durch privates Brennen. Aber vor allem muss man eben auch sehen, dass diese Flutwelle dazu beiträgt, dass es außerordentlich schwer geworden ist und außerordentlich schwer ist, Businessmodelle, Geschäftsmodelle für das legale Angebot im Internet zu etablieren. Erfreulicherweise haben eine ganze Reihe von Firmen gleichwohl den Schritt ins Netz gewagt und wir hoffen sehr, dass das erfolgreich wird.

    Spengler: Ich wollte sagen: Letzte Woche erst hat Universal Music, der deutsche Musikkonzern eine Internetangebot bereitgestellt, bei dem man sich gegen Gebühr Titel herunterladen kann. Aber es gibt auch andere Strategien, zum Beispiel amerikanischer Plattenfirmen, die virenverseuchte Musikdateien ins Netz gestellt haben und damit die Computer der Raubkopierer lahmgelegt haben. Das kann aber nicht der richtige Weg sein, oder? Den empfehlen Sie nicht, oder?

    Zombick: Virenverseuchte Dateien ins Netz zu stellen ist in der Tat kein Weg und nach meinen Informationen gibt es auch keine einzige Firma, auch nicht in den Vereinigten Staaten, die das getan hat, aber es sind Meldungen aus den Vereinigten Staaten gekommen, die darauf hinauslaufen, dass einfach Mülldateien, also Datenmüll ins Netz gestellt worden sind, die eigentlich nichts anderes bewirken, als solche illegalen Verwaltungsnetze zu verwirren. Damit wird kein Computer geschädigt. Damit wird auch kein Virus verbreitet, sondern es wird einfach im Wege einer Selbstschutzmaßnahme der Versuch unternommen, das illegale Verbreiten von Musik durch solchen Datenmüll zu erschweren.

    Spengler: Herr Zombick, die wegbrechenden Einnahmen fehlen ja nicht nur den Konzernen. Es sind ja langfristig die Künstler, die im Prinzip um die Vergütung ihrer Leistung gebracht werden. Wie wichtig wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung, wie sie ursprünglich vorhatte, das Urheberrechtsschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet hätte? Das ist nun nicht passiert.

    Zombick: Das wäre außerordentlich wichtig gewesen, und Sie haben völlig recht: Es sind nicht nur langfristig die Künstler, die Komponisten, Textdichter und Musiker, die leiden, sondern sie leiden heute schon, denn die rückläufigen Verkäufe machen es deutlich. Die Tonträgerindustrie ist der wichtigste Investor in lokalen, regionalen und nationalen Musikszenen. Ein Schrumpfen dieser Investitionskraft sorgt unmittelbar dafür, dass die Lebensfähigkeit, die wirtschaftliche Existenzfähigkeit dieser Szenen gefährdet ist. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass wir sehr schnell Rahmenbedingungen erhalten, die es uns ermöglichen, auf sichere Weise unser Produkt zu schützen. Wir dürfen heute zwar schon Kopierschutz einsetzen, aber was wir nicht dürfen ist, uns gegen die Umgehung dieser Maßnahmen zu schützen. Die Computermagazine in Deutschland - viele Ihrer Hörer werden das möglicherweise gelesen haben - haben sehr ausführlich darüber berichtet, wie man Kopierschutz knacken kann. Das ging so weit, dass sogar Software-Tools, Softwareprogramme den Zeitschriften beigelegt waren, die den Kopierschutz umgehen. Das neue Recht - vom Kabinett ist der Gesetzentwurf gerade verabschiedet worden - wird es ermöglichen, dass wir uns gegen diese Umgehung schützen können...

    Spengler: Herr Zombick, wir müssen zum Schluss kommen. Ich bedanke mich bei Ihnen. Das war Peter Zombick, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft.

    Link: Interview als RealAudio