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Muslime in der Slowakei
Moscheefreie Zone

Vor einem Jahr machte die Slowakei Schlagzeilen, weil sie in der sogenannten Flüchtlingskrise nur Christen aufnehmen wollte. Tatsächlich leben in dem kleinen Land bis heute nur etwa 5.000 Muslime. Moscheen gibt es nicht und dürfen auch nicht gebaut werden – aber die Muslime wissen sich zu helfen.

Von Holger Lühmann | 16.12.2016
    2786638 02/06/2016 Participants of a rally against "the Islamization of Europe", arranged by PEGIDA, on a street of Bratislava. Stringer/Sputnik |
    Antiislamische Proteste in Bratislava im Juni 2016 (picture-alliance/ dpa /Stringer)
    Ein schlichter Gemeinderaum im Stadtzentrum von Bratislava. Rund 15 Männer sitzen zusammen und beten. Einige leben seit vielen Jahren in Bratislava, manche erst seit Kurzem, zum Beispiel, um zu studieren. Bratislava ist als Hochschul-Standort beliebt, schon wegen seiner niedrigen Lebenshaltungskosten.
    Gemeindesprecher Marush Yufshin: "Wir stammen alle aus ganz verschiedenen Ländern: Syrien, Irak, Iran, aber auch aus Albanien oder Nordafrika. Die unterschiedliche Herkunft ist ein Vorteil für uns Muslime hier, denn sie führt dazu, dass wir uns gezwungenermaßen auf Slowakisch unterhalten müssen. Und das stärkt die Integration."
    In der Slowakei leben etwa 5.000 Muslime, knapp die Hälfte von ihnen in der Hauptstadt Bratislava. Doch die Gläubigen haben keine Moschee. Ihre Treffen müssen sie stets improvisieren, erklärt Marush Yufshin: "Wir mieten Räume an oder treffen uns bei Gemeindemitgliedern. Dieser Raum hier zum Beispiel gehört einem Bekannten. Wir zahlen ihm Miete und bringen unsere Gebetsteppiche selbst mit."
    Antimuslimische Motive?
    Der Weg zu diesem Raum führt durch eine kleine Passage zwischen Buchgeschäft und Deko-Laden. Er führt in einen Hinterhof in der Neustadt. Ohne echte Moschee fehlt den Muslimen eine wichtige Basis für ihr Gemeindeleben. Der Versuch, eine Moschee zu bauen, scheiterte an den Behörden, wie Marush Yufshin sagt: "Ihre Begründung, war relativ vage. Sie sagten, dass unsere Pläne nicht den Bauvorschriften entsprächen. Wir können nicht sagen, ob diese Entscheidung antimuslimisch motiviert war oder nicht."
    In der Slowakei leben rund 5000 Muslime - die meisten hier in der Hauptstadt Bratislava.
    In der Slowakei leben rund 5000 Muslime - die meisten hier in der Hauptstadt Bratislava. (dpa / picture alliance / CTK)
    Grund zu dieser Annahme gibt es allerdings. Denn die Vorbehalte in der Slowakei sind unübersehbar, vor allem wegen der Flüchtlingssituation in Europa. Das war besonders im Frühjahr zu bemerken. Im Vorfeld der Parlamentswahlen hatten sich populistische Parteien mit antimuslimischen Slogans gegenseitig zu überbieten versucht. Schrillster Scharfmacher: Der sozialdemokratische Spitzenkandidat und Ministerpräsident Robert Fico. Er hatte vor einer schleichenden Islamisierung gewarnt – und wurde im Amt bestätigt.
    Für Siavash Alaghmandan Motlagh aus dem Iran ist Humor das beste Rezept gegen Populismus und Ausgrenzung: "Neulich am Flughafen bin ich wieder herausgewunken worden. Denn wenn Du aussiehst wie ich, dann hast Du gleich Probleme."
    Mit Humor gegen Vorurteile
    Siavash Motlagh ist 24 Jahre alt und Kabarettist. Er lebt seit sechs Jahren in der Slowakei. Seine Eltern waren vor politischer Verfolgung aus dem Iran geflohen und ließen sich in Bratislava nieder: "Die einzige Person, die Witze über Stereotype machen darf, ist diejenige, die selbst von ihnen betroffen ist. Wenn ich mich also über Araber lustig mache oder über den Islam oder über Kebab, dann bringe ich die Leute hier zum Lachen. Denn all das ist immer noch neu für die Menschen in der Slowakei."
    Seine religiöse Herkunft und sein Status als Nicht-Slowake, der sich dennoch integriert fühlt – das alles hilft Motlagh bei seinen Pointen. Er sieht sich als Vermittler islamischer Kultur: "Ich bin nun einmal als Muslim geboren und das auch noch in der Islamischen Republik Iran. Auch wenn ich den Glauben nicht immer aktiv praktiziere, ist doch immer diese Verbindung da zu den Menschen meiner Herkunft."
    Während der Flüchtlingskrise hat die Akzeptanz für den Islam in der Slowakei offenbar nachgelassen. Selbst bekannte Wissenschaftler wie der Historiker Štefan Holčík positionieren sich entschieden gegen Zuwanderung: "Das ist wirklich keine Lösung, wenn Sie ins Land Tausende Leute einladen, die nichts machen. Also was in Schweden passiert oder in Frankreich oder in Deutschland, das brauchen wir wirklich nicht. "
    "Muslime, Sinti und Roma passen sich nicht an"
    Eines der Hauptargumente: Die Gesellschaft sei schon multikulturell genug. Tatsächlich gibt es 13 anerkannte Minderheiten in der Slowakei. Der Grund: Bis vor rund einhundert Jahren gehörte die Slowakei zum Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Für weitere Minderheiten sei da heute kaum mehr Platz, zumal schon die Integration der Roma nicht gut funktioniere, glaubt Štefan Holčík: "Die Roma waren früher nicht in der Slowakei, die sind nach dem Zweiten Weltkrieg zugewandert. Und die sind nicht bereit oder nicht in der Lage, sich so schnell der mitteleuropäischen Kultur anzupassen wie andere Ethnien."
    Analog dazu geht der Historiker davon aus, auch Muslime seien nicht anpassungsfähig. Andere widersprechen dieser Theorie jedoch vehement und werfen stattdessen dem Staat vor, nicht ausreichend Angebote zur Integration zu schaffen. Die Soziologin und ehemalige Ministerpräsidentin Iveta Radičová glaubt, es mangele an einer zukunftsweisenden Integrationspolitik. Aus ihrer Sicht wird dieser Fehler nun bei den Muslimen wiederholt. Zum Beispiel, indem der Staat die Muslime nicht als vollwertige Religionsgemeinschaft anerkennt – laut Radičová mit einem vorgeschobenen Grund, den sie so zusammenfasst: "Die muslimische Gemeinschaft hat noch nicht die Größe erreicht, die unser Innenministerium vorschreibt, um als Glaubensgemeinschaft registriert zu sein."
    Zum Beten nach Wien
    Auch dies ein Grund, warum der Moscheebau nicht gelingt. Viele Gläubige haben darum längst eine eigene Lösung für ihr Problem gefunden – 70 Kilometer entfernt. So wie Volcan: "Wir nutzen die Moscheen in Österreich und fahren regelmäßig nach Wien. Wir haben eine Petition für einen Moscheebau in der Slowakei gestartet. Ich habe sie unterschrieben und vielleicht ändert sich ja etwas."
    Gemeindesprecher Marush Yufshin indes hofft auf Zuwachs von außen. Nur so könnte die Gemeinde jene Größe erreichen, die ihr den Moscheebau erleichtern würde: "Zwar könnten natürlich Asylbewerber aus dem Nahen Osten auch für uns eine Herausforderung bedeuten, aber ganz bestimmt auch ein interessantes Erlebnis und eine Bereicherung."
    Dies jedoch ist vorerst nicht absehbar. Zwar hat sich nun auch die Slowakei zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien bereit erklärt – aber weiterhin nur, wenn sie Christen sind. Damit rückt wohl auch der Moscheebau in Bratislava in weite Ferne.