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Muss der FDP-Landesvorstand nach dem Spendenskandal zurücktreten?

Engels: Die Affäre Möllemann spielt auf mehreren Ebenen. Ein Ebene ist die wachsende Spannung zwischen der Bundes-FDP und der nordrhein-westfälischen FDP. So war Bundestagsfraktionschef Gerhard mit der Forderung zu vernehmen gewesen, der gesamt NRW-Landesvorstand der FDP möge zurücktreten. Am Telefon ist nun jemand, der von einem solchen Rücktritt betroffen wäre, nämlich der NRW-Schatzmeister der FDP, Andreas Reichel. Guten Morgen!

    Reichel: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Herr Reichel, nehmen Sie sich die Forderung zu Herzen? Wollen Sie zurücktreten?

    Reichel: Ich halte nichts davon, wenn Mitglieder anderer Landesverbände auf diesem Wege mittels der Öffentlichkeit Empfehlungen an Nordrhein-Westfalen richten, wie wir uns hier zu verhalten hätten. Richtig ist - und das ist meine persönliche Haltung ohnehin - dass, wenn sich Vorwürfe erweisen, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, dass möglicherweise Mitarbeiter der Landespartei selbst in sehr problematische Vorgänge verstrickt sind, dass sich jedes Mitglied des geschäftsführenden Vorstands ganz unabhängig von persönlicher Verantwortung die Frage stellen muss: Welche politische Verantwortung für diese haarsträubenden Vorgänge will man am Ende übernehmen.

    Engels: Haben Sie neue konkrete Hinweise, dass es auch wirklich mehrer Mitarbeiter waren innerhalb der FDP in Nordrhein-Westfalen, die sich an diesem System beteiligt haben?

    Reichel: Wir haben vor einer Woche, ich habe vor einer Woche eine Sonderprüfung veranlasst auf unserem eigenen Konto der FDP, nachdem es ja Einzahlungen von Jürgen Möllemann auf Parteikonten im Münsterland in der Woche zuvor gab. Ich habe diese Prüfung veranlasst, und das Ergebnis war, dass wir den naheliegenden und im Einzelfall auch dringenden Verdacht haben, dass Mitarbeiter unserer Landesgeschäftsstelle hier eingebunden waren in Finanzpraktiken, die aller Voraussicht nach - das wird sich bei näherer Prüfung ja ergeben - gegen das Gesetz waren. Und das stellt dann in der Tat Verantwortungsfragen an die politische Führung der NRW-FDP, auch an jeden Einzelnen, und das muss sich dann jeder Einzelne kritisch vorlegen.

    Engels: Ich komme zu einem nächsten Teilaspekt. Am Wochenende war ja bekannt geworden, dass Jürgen Möllemann ja Ende Oktober einen Brief an den Kreisverband Borken geschrieben hat und darin die Rücküberweisung von Wahlkampfgeldern gefordert hat, denn dieser Vorgang sei nicht gesetzeskonform gelaufen. War Ihnen dieser Vorgang vorher bekannt?

    Reichel: Vorher nicht, aber der war genau Anlass für mich, das Konto der FDP prüfen zu lassen im Hinblick auf Barspenden Anfang letzter Woche. Hier ist der Sachverhalt so, dass Jürgen Möllemann Spenden an zwei Bundestagskandidaten überwiesen hat auf deren Konten, wobei das Parteikonten waren, nicht irgend welche schwarzen Kassen, sondern offiziell von der Partei eingerichtete Konten. Er hat einen Weg gewählt, der mit dem Parteiengesetz in der Fassung seit dem 1. Juli dieses Jahres nicht konform ist. Das heißt, er hat eine Bareinzahlung gemacht bei seiner Bank, die hat dann überwiesen auf das Parteikonto der FDP. Es erscheint auf dem Empfängerkonto zunächst wie eine Überweisung, als wenn das von einem Girokonto käme, ist aber natürlich keine Überweisung von einem Girokonto. Diese Form der Spendenüberweisung ist vom neuen Parteiengesetz aus guten Gründen verboten, weil wie bei einer Barzahlung im wörtlichen Sinne kann ja die Herkunft des Geldes schwer verfolgt werden. Und deswegen hat Jürgen Möllemann hier den Hinweis bekommen vom Kreisverband, die haben richtig aufgepasst in der Situation, dass das Geld in der Form nicht angenommen werden darf. Er hat es zurück genommen, und hat jetzt nach meinem Wissen gesagt, er würde es in einem dem Parteiengesetz entsprechenden Sinne spenden.

    Engels: Ist das denn gängige Praxis gewesen? Haben Sie Hinweise auf ähnliche Fälle in anderen Kreisverbänden, dass Geld so geflossen ist?

    Reichel: Wir haben alle Bezirksverbände gebeten, uns Auskunft zu erteilen, ob in ähnlicher Form Geldzuflüsse erfolgt sind. Da gab es bisher keine entsprechende Meldung. Aber wir gehen dem natürlich nach. Diese Art der Parteienfinanzierung wie sie hier speziell im Münsterland vorliegt, in den beiden Fällen, die Sie geschildert haben, war in der Vergangenheit zulässig. Aber das Parteiengesetz in der Fassung vom 1. Juli dieses Jahres hat aus guten Gründen diese Art der Überweisung von Spenden untersagt, weil eben, als wenn man zur Bank der FDP selber geht und Bargeld auf den Tisch legt, die Herkunft des Geldes nicht in der notwendigen Weise nachvollziehbar ist.

    Engels: Nun hat man ja den Eindruck, dass das, was Geld angeht in der nordrhein-westfälischen FDP, immer die Fäden bei Jürgen Möllemann zusammen laufen. Die Berliner Zeitung berichtet heute, dass aber auch andere Bundestagskandidaten, ähnlich wie Möllemann, personenbezogene Wahlkampfkonten nutzen. Sie beziehen sich dabei auf hohe FDP-Mitglieder. Ist das auch in Nordrhein-Westfalen eine gängige Praxis?

    Reichel: Also, es hat in der Vergangenheit offenbar immer, und auch in der Gegenwart beim letzten Bundestagswahlkampf, Sonderkonten gegeben. Das ist dann in Ordnung, wenn dieses Sonderkonto dazu dient, dass der Wahlkampf in besonderer Weise transparent auch für die Gliederung der Partei durchgeführt wird. Dann richtet die FDP neben ihrem regulären Konto ein Sonderkonto Wahlkampf ein. Das ist dann ein Sonderkonto, beispielsweise für den Bundestagskandidaten. Dort erfolgen die Einzahlungen und die Auszahlungen speziell für den Wahlkampf. Wenn das so geschieht, ist das nichts Geheimnisvolles. Und wenn das so geschieht, ist das auch nicht Gesetzwidriges.

    Engels: Warum macht man das denn?

    Reichel: Um sicher zu stellen, dass man Übersicht behält über die Einnahmen und die Ausgaben, die speziell den Wahlkampf betreffen. Jede Gliederung der FDP hat ja reguläre Einnahmen und Ausgaben. Und im Wahlkampf entstehen natürlich höhere Kosten, dafür müssen auch höhere Einnahmen erzielt werden. Dafür ein Sonderkonto einzurichten, wie gesagt, wohlbemerkt, wenn es ein FDP-Konto ist, wo die normalen Transparenz-Vorschriften herrschen, ist sogar eine nützliche Veranstaltung. Es wird dann eine problematische Veranstaltung, wenn es eine Nebenkasse ist, auf die die Partei keinen Zugriff hat, wo die Partei nicht weiß, was da läuft, wo damit natürlich auch die interne und externe Rechenprüfung der Partei nicht greift.

    Engels: Eben klang schon mal an: Heute Abend trifft sich der Landesvorstand in Düsseldorf, und Wirtschaftsprüfer wollen ihren Bericht über Einsatz und Verwendung von Wahlkampfspenden vorlegen. Davon hängt ja auch ab, ob der für Sonntag geplante Sonderparteitag verlegt wird und natürlich auch die Zukunft des Vorstandes. Womit rechnen Sie?

    Reichel: Ich gehe davon aus, dass wir heute Abend noch keinen abschließenden Bericht bekommen werden können, weil wir hier eine Reihe schwieriger Sachverhalte haben, zu denen unter anderem auch Mitarbeiter zu befragen sind. Hinzu kommt, dass ja auch Vorwürfe im Raum sind, dass der Landtagswahlkampf 2000 bereits in einer angreifbaren, in einer problematischen Form finanziert worden ist. Es gibt darauf bisher keine konkreten Hinweise, aber es gibt Fragen. Und diesen Fragen in der notwendigen Sorgfalt nachzugehen, das wird mehr Zeit brauchen als bis zum kommenden Wochenende. Von daher wird wahrscheinlich, wenn man diesen Punkt voraussetzt, der Termin des Landesparteitages am nächsten Wochenende nicht zu halten sein. Ich persönlich halte aber auch nichts davon, ihn bis Mitte Dezember hinaus zu schieben. Also, sobald wir die notwendigen Erkenntnisse haben über die Finanzvorgänge hier in der Landespartei, sollte der Landesparteitag stattfinden. Wir müssen endlich raus aus dieser selbstquälerischen Diskussion. Wir brauchen jetzt die Fakten. Und auf der Basis von Fakten können dann auch Entscheidungen getroffen werden.

    Engels: Kurze Frage zum Schluss: Sollte Möllemann die FDP verlassen?

    Reichel: Das ist eine Entscheidung, die dann zu treffen ist, wenn er sich selber erklärt hat. Diese Chance muss er haben, sich zu den vielen gravierenden Vorwürfen, die jetzt im Raum sind, zu äußern. Ich halte es auch für problematisch, dass er das so lange hinauszögert, aber eine Rechtsstaatspartei muss demjenigen, dem sie Vorwürfe macht, schon die Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen, bevor sie solche weitreichenden Entscheidungen trifft.

    Engels: Der Spendenskandal der nordrhein-westfälischen FDP. Wir sprachen mit Andreas Reichel, dem Schatzmeister dieses Bundeslandes. Ich bedanke mich für dieses Gespräch!

    Reichel: Vielen Dank, Frau Engels!