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Myanmar
Kritische Fragen unerwünscht

Als Aung San Suu Kyi vor über zwei Jahren die Wahlen in Myanmar gewonnen hat, hofften viele auf mehr Pressefreiheit. Doch inzwischen haben viele kritische Journalisten die Zuversicht verloren. Das liegt auch an einem Gerichtsverfahren gegen zwei Reuters-Reporter.

Von Verena Hölzl | 20.12.2018
    Der Reuters-Journalist Wa Lone stellt sich den Fragen von Medienvertretern, bevor er in ein Polizeifahrzeug steigt.
    Wa Lone ist einer von zwei Reuters-Journalisten, die in Myanmar wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurden. (picture alliance/ANN)
    Seit inzwischen einem Jahr sitzen die beiden myanmarischen Journalisten Wa Lone und Kyaw Soe Oo in ihrem Heimatland im Gefängnis. Vorher berichteten sie für die internationale Nachrichtenagentur Reuters. Wegen Verrats von Staatsgeheimnissen wurden sie zu sieben Jahren Haft verurteilt.
    Festgenommen hat man sie nach einer Recherche zum Völkermord an den Rohingya. Die beiden Journalisten haben geständige Mörder ausfindig gemacht und so das Lügengerüst der Regierung zum Einsturz gebracht. Denn die tut alles nur als "Fake News" ab.
    Ein Kinderbuch aus dem Gefängnis
    Rhi Rhi ist eine gute Freundin des inhaftierten Wa Lone. Sie liest aus einem Kinderbuch vor, das er geschrieben hat. "Er hat mir immer versprochen ein Buch zu schreiben. Jetzt hat er endlich Zeit dafür - im Gefängnis."
    In Wa Lones Kinderbuch geht es um Jay Jay, einen neugierigen Journalisten, der in seinem Dorf einen Umweltskandal aufdeckt. Seine Freundin Rhi Rhi vom Verein "Third Story Project" kümmert sich um die Verteilung der Bücher: "Wir wollen Kinder ermuntern, kritische Fragen zu stellen. Wir wollen, dass sie neugierig sind."
    44 angeklagte Medienvertreter
    Kritische Fragen sind in Myanmar nicht mehr erwünscht, seit Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi 2016 die Macht in der ehemaligen Militärdiktatur übernommen hat. "Wir verstehen das auch nicht. Wir hatten eigentlich erwartet, dass wir unter dieser Regierung eine freie Presse haben würden."
    Maung Saungkha und seine Organisation Athan beobachten seit Jahren Verstöße gegen die Meinungsfreiheit in Myanmar. Die Situation habe sich seit dem Wandel zur Demokratie nicht gebessert, sagt Saungkha.
    "Die meisten Journalisten sind extrem enttäuscht"
    Kyaw Lin Htoon vom Nachrichtenmagazin Frontier sieht das ähnlich. Er und seine Kollegen in Myanmar verstehen das Urteil als Warnung: "Die meisten Journalisten in Myanmar sind extrem enttäuscht. Und sie fühlen sich bedroht. Wir müssen uns weiter selbst zensieren, uns genau überlegen, was wir schreiben und welche Folgen das haben könnte. Bei jeder Geschichte, die ganze Zeit."
    Viele myanmarische Journalisten haben lange Zeit an der Seite der heutigen Regierung gegen das Militärregime und für Demokratie gekämpft. Heute sind die einen als Abgeordnete im Parlament abgetaucht, die anderen stehen als Reporter vor der Tür und beklagen, dass man nicht mehr mit ihnen spricht: "Ich war zwar schon im Deutschen Bundestag in Berlin, aber in meinem eigenen Land durfte ich noch nie bei einer Parlamentssitzung dabei sein."
    Kyaw Lin Htoon würde sich zwar wünschen, dass Wa Lone und Kyaw Soe Oo bald freikommen. Er setzt allerdings keine allzu großen Hoffnungen in das Berufungsverfahren kommende Woche: "Die Arbeit als Journalist wird in Myanmar weiter gefährlich sein. Wir müssen diese Atmosphäre noch ein bisschen länger ertragen."
    "Dass Wa Lone im Gefängnis sitzt, ist Zeitverschwendung"
    Auch Rhi Rhi vom Third Story Project stellt sich darauf ein, dass es noch dauert, bis Wa Lone aus dem Gefängnis freikommt. In der Zwischenzeit verteilt sie weiter das Kinderbuch über Jay Jay, den Journalisten, das Wa Lone im Gefängnis geschrieben hat.
    "Manchmal ist die Wahrheit bitter, nicht süß. Aber die Wahrheit ist nun mal die Wahrheit. Dass Wa Lone dafür im Gefängnis sitzt, ist Zeitverschwendung! Wir haben doch so viele wichtige Dinge zu tun. Ich hoffe, dass er bald frei kommt und weiter für unser Land arbeiten kann, so wie er das immer getan hat."