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NABU-Präsident
"Grundlegendes Management-Problem bei VW"

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat aufgrund des Abgas-Skandals die Kooperation mit VW aufgekündigt. Bei dem Konzern scheine es kein echtes Beschwerdeverfahren zu geben, sagte der Präsident der Umweltschutzorganisation, Olaf Tschimpke, im DLF. "Es muss doch Technikern aufgefallen sein und die müssen doch eine Stelle haben, an die sie sich wenden können."

Olaf Tschimpke im Gespräch mit Britta Fecke | 06.10.2015
    Das Kraftwerk am VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen) zeichnet sich vor dem Abendhimmel ab.
    Weltweit arbeiten bei VW mehr als 600.000 Mitarbeiter, unter anderem in Wolfsburg. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Britta Fecke: Wegen der Manipulation der Abgaswerte hat der Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, seine Kooperation mit VW beendet, denn die Umweltschutzorganisation fühle sich, so ihr Präsident Olaf Tschimpke, von dem Konzern genauso betrogen wie Millionen von Autobesitzern. Worin die Kooperation zwischen VW und dem NABU überhaupt bestand, habe ich Olaf Tschimpke kurz vor der Sendung gefragt.
    Olaf Tschimpke: Na ja, es gab inzwischen eigentlich zwei Aspekte. Einmal gab es eine Kooperation im Bereich der Umweltberatung. Das ist eigentlich ein klassischer Stakeholder-Dialog, wie er eigentlich bei jedem Unternehmen, was ein Nachhaltigkeits-Management macht, eingefordert ist, allerdings hier doch in einer sehr breiten intensiven Form und das auch über viele Jahre lang. Da gab es ja dann "mobil im Dialog", wir haben kritische Dialogveranstaltungen auch hier in Berlin zum Beispiel gemacht, wo alle eingeladen waren, also auch die größten Kritiker der Automobilindustrie. Dann gab es natürlich die Spritspar-Trainings, also den Versuch zu machen, tatsächlich allein durch eine andere Fahrtechnik bis zu 20 Prozent Sprit einzusparen und damit natürlich auch einen Klimaschutzbeitrag zu leisten.
    "Hier geht es ja um ganz konkrete Manipulationen"
    Fecke: Sie haben ja diese Veranstaltungsreihe "mobil im Dialog" gerade schon angesprochen. Wenn man auf die Internet-Seite schaut, auf Ihre, da sprechen Sie von einer sehr engen Kooperation über Jahre hinweg. War da nichts zu ahnen, denn wenn man sich so umhört und wenn man eigentlich fast täglich in die Meldungen schaut, dann wird immer offenbarer, wie lange eigentlich schon im Bereich Abgaswerte manipuliert wird. War da gar nicht zu merken, dass da was nicht stimmen kann?
    Tschimpke: Ich glaube, da muss man unterscheiden. Dass man Abgaswerte nicht real gemessen hat - das machen ja alle Automobilhersteller; das ist ja auch so geregelt auf europäischer Ebene -, sondern tatsächlich nur auf Prüfständen, und dass es da große Diskrepanzen gibt, das war jedem bewusst. Diese Debatte gab es ja auch und die wurde ja auch öffentlich auch von uns auf diesen Veranstaltungen mit diskutiert und da andere Regeln gefordert. Aber hier geht es ja um ganz konkrete Manipulationen, um kriminellen Betrug. Das ist eine ganz andere Dimension, als jetzt die allgemeine Diskussion um Abgaswerte, und das muss man, glaube ich, schon deutlich unterscheiden. Wenn es Umweltstandards gibt, auf die man sich verständigt hat, und man versucht, die mit Betrug zu umgehen, wie das jetzt Volkswagen gemacht hat in den USA, dann ist das eine andere Dimension, als dass man darum gerungen hat - und das hat die Automobilindustrie insgesamt gemacht -, dass man tatsächlich nicht die im realen Straßenverkehr auftretenden Abgaswerte zum Maßstab genommen hat, sondern diejenigen, die man auf dem Prüfstand durchsetzen konnte.
    Tatsächlich hat ja Volkswagen eine ganze Reihe von Dingen öffentlich anders dargestellt. Sie wollten der ökologischste Autokonzern werden. Sie haben sich als einziger deutscher Automobilkonzern hingestellt und gesagt, wir erfüllen die 50 Gramm CO2-Grenzwerte, die Absenkung der Grenzwerte pro Kilometer ab 2020. Das erfüllen wir. Das heißt, da haben sie sich ja eher an die Spitze gesetzt, was die Umweltstandards angeht. Tatsächlich scheint es aber im Konzern kein durchgängiges Nachhaltigkeits-Management zu geben und es scheint dort eine Riege von Managern und Technikern zu geben, die das tatsächlich massiv unterlaufen haben, und das sogar mit krimineller Dynamik, und das war natürlich von außen nicht zu sehen.
    Fecke: Nun sind aber schon zehn hochrangige Manager beurlaubt worden. Es ist ja nun wirklich eine existenzielle Krise.
    Tschimpke: Ja.
    "In jeder Krise besteht natürlich auch eine Chance"
    Fecke: Besteht da nicht die Hoffnung, dass der Konzern geläutert daraus hervorgeht und Sie vielleicht doch bald wieder eine Kooperation aufnehmen könnten?
    Tschimpke: Erst einmal: In jeder Krise besteht natürlich auch eine Chance und wir haben ja Forderungen auch an den Vorstand gerichtet, den alten wie neuen Vorstand. Wir haben uns ganz konkret an den Aufsichtsrat gewendet mit konkreten Vorstellung. Wir erwarten jetzt einfach, dass diese auch ein Stückchen weit umgesetzt werden. Es haben sich auch erste Aufsichtsratsmitglieder schon gemeldet und haben Gesprächsbedarf angedeutet. Das heißt, da wird es ja schon massive Veränderungen geben. Aber hier scheint es ja ein System zu geben im Unternehmen, dass selbst Beschwerden und solche Fehler, da gibt es kein richtiges Management. Das scheint ja doch in der Struktur so verkrustet zu sein, dass hier gar kein echtes Beschwerdeverfahren auch zum Beispiel - - Es muss doch Technikern aufgefallen sein und die müssen doch eine Stelle haben, die sich dann da auch melden kann und auch auf Vorstandsebene Gehör findet. Dieses scheint ja alles so nicht stattgefunden zu haben. Übrigens im Aufsichtsrat auch nicht. Da sitzen ja auch hochrangige Gewerkschaftsvertreter und auch die hätten ja als Beschwerdeinstanz irgendwo auftreten müssen und als Warn-, Vorwarninstanz auftreten müssen. Das hat ja aber so nicht stattgefunden. Das zeigt, hier gibt es ein grundlegendes Management-Problem bei diesem Unternehmen, und das ist natürlich jetzt die Chance, dass da verändert wird.
    Fecke: Ich sprach mit Olaf Tschimpke über die Kündigung der Kooperation des NABUs an VW.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.