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Nach Adamowicz-Attentat
Polen wollen Hassrede bekämpfen

Der gewaltsame Tod des Danziger Bürgermeisters Pawel Adamowicz führt vielen Polen vor Augen, wie gewaltvoll die Sprache im Politikbetrieb zuletzt geworden ist. Oppositionsparteien, Menschenrechtler und auch die Polizei möchte nun stärker gegen Hassreden vorgehen.

Von Florian Kellermann |
    Warschau: Menschen nehmen an einem Gedenkmarsch für den verstorbenen Bürgermeister von Danzig, Adamowicz, teil.
    Gedenkmarsch für den verstorbenen Bürgermeister von Danzig. (AP /dpa-Bildfunk / Czarek Sokolowski)
    "The Sound of Silence" - der Klang der Stille: Das Lied bildete den Abschluss einer Trauerkundgebung für Pawel Adamowicz - in der Danziger Innenstadt in dieser Woche. Der gewaltsame Tod des Bürgermeisters machte es schwer, die richtigen Worte zu finden. Zumal in der politischen Debatte in Polen in den vergangenen Jahren so viele falsche Worte gefallen sind, meinte der 42-jährige Danziger Mariusz Pokornick.
    "Ich würde mir wünschen, dass das jetzt besser wird, dass weniger Hass zur Sprache kommt. Aber leider fürchte ich, dass die Spaltung dafür zu tief ist und immer nur noch tiefer wird."
    Vertreter aus dem Regierungs- wie aus dem Oppositionslager nannten ihre jeweiligen Gegner in dieser Legislaturperiode unter anderem Verräter-Fressen, Heuschrecken, Kanaillen oder Bolschewisten. Der getötete Bürgermeister war selbst immer wieder Opfer. Besonders im öffentliche Fernsehen TVP, das von der rechtskonservativen Regierung kontrolliert wird. Dort bezeichnete ihn ein Journalist im vergangenen Jahr als "Krebs für die polnische Demokratie".
    Ein Vorbild für die Zivilgesellschaft
    Das müsse aufhören, meint der Ombudsmann für Menschenrechte Adam Bodnar:
    "Denken wir darüber nach, was dieser Tod für unsere Zivilgesellschaft bedeuten kann. Wie wir die Qualität unserer Demokratie verbessern können. Der verstorbene Pawel Adamowicz hat dafür Beispiele gegeben: Er hat an einer Karte der menschlichen Pflichten mitgearbeitet, die vor vielen Jahren verschiedene Intellektuelle unterschrieben haben. Er hat eine Diskussions-Plattform geschaffen, wo Menschen von verschiedenen Seiten der Barrikade über Werte und Ideen gesprochen haben."
    Andere gehen weiter: Die liberale Oppositionspartei "Jetzt" hat einen Gesetzentwurf ins Parlament gebracht, der Opfern von Hassrede helfen soll. Diese könnten eine Zivilklage einreichen, auch wenn sie von einer anonymen Person beleidigt wurden. Das Gericht müsste versuchen, diese Person ausfindig zu machen.
    Kurse gegen Hassreden
    Einen anderen Weg will der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski gehen. Er hat die Schulen angewiesen, spezielle Kurse gegen Hassrede zu veranstalten. Doch damit stieß er unmittelbar auf Widerstand, denn Trzaskowski verwies auf eine Schautafel der Stadt Warschau. Sie stellt dar, dass unter anderen Homosexuelle und Muslime besonders häufig unter den Opfern seien. Tymoteusz Zych von der nationalkonservativen Juristenvereinigung "Ordo Juris" kritisierte:
    "Der Begriff der Hassrede ist unpräzise, das ist kein juristischer Begriff. Der Bürgermeister nennt als deren hauptsächliche Opfer nur bestimmte Personengruppen - so, dass es zu seinen politischen Überzeugungen passt."
    Die Juristenvereinigung "Ordo Juris" erarbeitet schon ein Musterschreiben für Eltern, mit dem sie erklären können, dass sie ihre Kinder nicht an den Kursen teilnehmen lassen.
    Immerhin geht die Polizei seit dem Attentat in Danzig konsequenter gegen Hassrede vor. In den vergangenen Tagen wurden sechs Personen ermittelt, die Politikern im Internet Gewalt angedroht haben.