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Nach Berliner Spitzengespräch
Transitzentren für den Unionsfrieden

Nach intensiven Gesprächen betrachten die Unionsparteien ihren Asylstreit als beigelegt. Die 15-zeilige Einigung umfasst unter anderem Transitzentren und die Zurückweisung bereits anderswo registrierter Asylbewerber. Mit den Nachbarländern und dem Koalitionspartner abgesprochen ist das noch nicht.

Von Peter Sawicki | 03.07.2018
    02.07.2018, Berlin: Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, kommt aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Die Unionsparteien haben eine Einigung im Asylstreit gefunden. Foto: Michael Kappeler/dpa | Verwendung weltweit
    Innenminister Horst Seehofer (CSU, 2.v.l.) mit Parteikollegen bei seiner Erklärung am Montagabend (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Ein milder, fast malerischer Sommerabend in Berlin-Mitte. Über die Stimmung sagen die äußeren Bedingungen aber wenig aus. Im Eingangsbereich des Konrad-Adenauer-Hauses harren Dutzende Journalisten aus. Aufgeregte Telefonate, Starren auf die Smartphones.
    Unterdessen führen drinnen die Unionsparteien intensive Gespräche.
    Kurz nach 22 Uhr tritt dann der Mann hinaus, um den sich zuletzt so viel gedreht hat: Horst Seehofer, Innenminister und CSU-Chef. Ausgezehrt sieht er aus. Und hat Folgendes mitzuteilen:
    "Wir haben die klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern. Es hat sich wieder einmal gezeigt: Es lohnt sich, für eine Überzeugung zu kämpfen."
    Und dann noch ein Satz, der gar nicht mehr selbstverständlich klingt:
    "Diese klare Übereinkunft erlaubt mir, dass ich das Amt des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat weiterführe."
    Seehofers Parteifreunde Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt stehen schweigend daneben, ihre Blicke nur unwesentlich freudiger. Alt-Parteichef Edmund Stoiber dagegen herzt den Innenminister – eine fast trotzige Geste der Aufmunterung.
    Ein neues Grenzregime
    Kurz darauf spricht die Kanzlerin. Das harte Ringen der vergangenen Tage habe sich gelohnt. Heraus kommt, so Angela Merkel, ein Mittelweg zwischen nationalen und europäischen Maßnahmen:
    "Wir werden genau das jetzt tun: einmal in Deutschland Transitzentren einrichten. Und von dort aus in Absprache mit anderen, insbesondere mit den Ländern, aus denen Asylbewerber kommen und in denen sie schon registriert sind, Rücküberführungen vornehmen."
    Da ist er, der Begriff der "Rückführung" oder "Zurückweisung" – ein Anliegen der CSU. Die Sekundärmigration, laut Merkel einer der Kern-Streitpunkte in Europa, soll jetzt in Schach gehalten werden.
    Wer dann Annegret Kramp-Karrenbauer, der CDU-Generalsekretärin, zuhört, glaubt fast, dass es ihn nie gegeben hat, den großen Unions-Zwist:
    "Im Ziel waren wir uns schon immer einig. Worüber wir gestritten haben, war der Weg."
    Ein neues Grenzregime – das Schlagwort, das diesen gemeinsamen Weg zusammenfasst. Markus Blume, Generalsekretär der Christsozialen, erinnert an das übergeordnete Motiv:
    "Die Sicherheit unseres Landes beginnt an der Grenze. Und wir müssen alles sicherstellen, dass wir eine Überforderung unseres Landes verhindern."
    Umsetzung Nachbarländern und SPD ungeklärt
    Ganze 15 Zeilen bringen die Unionsparteien zu Papier, die die internen Querelen ad acta legen sollen. Die Zurückweisungen sollen auf Grundlage bilateraler Verwaltungsabkommen stattfinden. Die aber erst noch verhandelt werden müssen. Österreich wird da genannt – wohin in bestimmten Fällen direkt zurückgewiesen werden soll. Dabei hat Wien dem neulich eine Absage erteilt.
    Darüber werde jetzt zu reden sein, heißt es danach betont optimistisch. Dazu mit Italien, das mit markiger Rhetorik jegliche Aufnahme neuer Asylbewerber ablehnt. So sieht er aus, der Unions-Asyl-Frieden.
    Bleibt noch die Frage, ob der Koalitionspartner mitgeht. Die SPD hat das Konzept von Transitzentren schon einmal abgelehnt. Geschlossene Einrichtungen will sie grundsätzlich nicht.
    "Derjenige, der was ablehnt, muss natürlich dann einen besseren Vorschlag haben. Und den sehe ich bisher noch nicht."
    So die Ansage von CDU-Vize Julia Klöckner im ARD-Fernsehen. Vorschläge unterbreiten die Sozialdemokraten dann im Koalitionsausschuss offenbar keine. Nach eineinhalb Stunden treten Andrea Nahles und Olaf Scholz vor die Mikrofone. Eine Zusage verkünden sie nicht. Man werde sich beraten, und dann erneut den Koalitionsausschuss tagen lassen. Ganz ohne Lob wollen Nahles und Scholz dann aber doch nicht in den Feierabend gehen:
    "Wir sind ja jetzt Gott sei Dank wieder bei dem, worum es eigentlich geht: um Sachfragen."
    "Wir sind weg von der Psychologie, und wieder bei der Sache."
    "Exakt. Und da wollen wir auch gerne bleiben."
    "Schönen Dank."
    "Danke."