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Nach Brexit-Abstimmung
Im britischen Unterhaus rumort es

Nach einer weiteren Abstimmungsniederlage zum Brexit im britischen Unterhaus scheint die Position von Premierministerin May stark geschwächt. Auch unter den Angeordneten wächst die Anspannung, denn einen Brexit ohne Abkommen - wie er immer wahrscheinlicher wird - lehnen die meisten ab.

Von Tobias Armbrüster | 15.02.2019
    Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, steht vor einem Bildschirm mit den Flaggen Großbritanniens und der EU.
    Für viele in Brüssel ist Theresa May stark geschwächt (dpa/AP/Francisco Seco)
    Was genau hat sich geändert nach dieser krachenden Niederlage für Theresa May – das ist eine Frage, auf die es heute in London sehr unterschiedliche Antworten gibt.
    Es ist alles nur ein Sturm in einer Tee-Tasse – sagt der Konservative Steve Baker, einer der Hard-Line-Brexiteers unter den Konservativen. Alles sei kein Thema: Theresa May bleibe Regierungschefin, Niederlagen gehörten zum Alltag im politischen Geschäft. Seine Parteifreundin Anna Soubry ist da schon drastischer.
    "Was für ein Fiasko. Das zeigt, wie schlecht unsere Parteien aufgestellt sind, wie schlecht sie geführt werden. Wir brauchen eine bessere Politik in diesem Land, wir brauchen sie jetzt, denn es geht hier um die wichtigste Entscheidung seit dem Zweiten Weltkrieg. Und wir werden gerade zur weltweiten Lachnummer."
    No-Deal-Brexit bleibt eine Option
    Es lohnt ein kurzer Blick auf das, worüber da gestern abgestimmt wurde. Theresa May wollte, dass das Parlament ihr grünes Licht gibt, weiter zu machen mit den Gesprächen in Brüssel, genauso wie es das Parlament vor zwei Wochen beschlossen hatte. Es war also quasi die Wiederholung einer Abstimmung, keine große Sache. Für einige Abgeordnete gab es nur ein Problem: Vor zwei Wochen hatte das Unterhaus auch mit Mehrheit zugestimmt, dass ein No-deal-Brexit vermieden werden soll. Aber genau das wollen viele Tory-Abgeordnete nicht. Sie wollen, dass der No-Deal-Brexit eine Option bleibt. Und Steve Baker ist einer von ihnen.
    "Ich fürchte, einige Abgeordnete bei uns müssen endlich aufwachen – oder wollen sie uns wirklich erzählen, sie wissen nicht wofür sie beim Artikel 50 gestimmt haben. Wir können doch eine No-Deal-Brexit nicht einfach ausschließen, das wäre schlimm für unsere weitere Verhandlungsposition, und ein No-Deal wäre auch nicht so schlimm wie immer beschrieben. Das ist eine völlig vernünftige Position."
    Was bedeutet dies jetzt alles für den Brexit: Theresa May steht in Brüssel jetzt extrem geschwächt da, sie ist für viele eine Regierungschefin, die an entscheidender Stelle keine Mehrheit in ihrer eigenen Fraktion, und erst recht nicht im Parlament findet. In London kursieren Berichte, denen zufolge May ihre Forderungen gegenüber der EU schon wieder herunterschraubt. Sie selbst war bei dieser Abstimmung im Unterhaus übrigens nicht anwesend, und auch keiner ihrer Minister wollte unmittelbar nach dem Votum eine Stellungnahme abgeben – auch da bleibt ein Bild der Verunsicherung. Die Opposition will deshalb mehr Druck machen.
    Das Parlament wird unruhiger
    Ian Blackford von der Scottisch National Party:
    "Nach dieser Niederlage stelle ich mir eine Frage: Welche Möglichkeiten haben wir hier im Parlament, endlich noch einmal über die Verhandlungsergebnisse der Regierung abzustimmen. Was können wir tun, damit das schon in der kommenden Woche auf der Tagesordnung steht."
    Nächste Woche wird das vermutlich noch nicht passieren, aber Theresa May hat bereits eine Abstimmung in der Woche darauf angekündigt. Und es rumort im Parlament, Ian Blackford ist nicht der einzige, der sich wünscht, dass die Parlamentarier das Steuer beim Brexit übernehmen. In zwei Wochen wird es aller Voraussicht nach einen neuen parteiübergreifenden Vorschlag geben, den Austritt noch einmal zu verschieben. Außerdem wird in London spekuliert, dass ein halbes Dutzend Kabinettsmitglieder kurz vor dem Rücktritt stehen, wenn Theresa May einen harten Brexit nicht kategorisch ausschließt.