Sonntag, 12. Mai 2024

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Nach dem AfD-Parteitag
"Die Partei rückt gar nicht nach rechts"

Alexander Gauland, der neue Co-Vorsitzende der AfD, sieht kein Abdriften seiner Partei nach rechts. Die AfD ticke nicht anders als vor vor dem Parteitag in Hannover. "Wir haben ein Programm, wir sind eine geschlossene Partei, aber es gibt unterschiedliche Strömungen", sagte Gauland im Dlf.

Alexander Gauland im Gespräch mit Sarah Zerback | 04.12.2017
    AfD-Fraktionschef Alexander Gauland (r), der gerade zu einem der beiden Bundesvorsitzenden gewählt wurde, nimmt am 02.12.2017 beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland im HCC Hannover Congress Centrum in Hannover (Niedersachsen) Glückwünsche entgegen.
    AfD Parteitag in Hannover. Der AfD-Fraktionschef Alexander Gauland (r) nimmt nach seiner Wahl zu einem der beiden Bundesvorsitzenden Glückwünsche entgegen (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Sarah Zerback: Seit Frauke Petry die AfD mit ordentlich Wirbel verlassen hat, war dort nicht nur ein Posten an der Spitze vakant, sondern es stand auch wieder einmal die Frage im Raum, wie weit rechts er denn nun sein soll, der Kurs der Partei. Um sich darüber abzustimmen, haben sich am Wochenende rund 600 Delegierte der AfD in Hannover getroffen, zu ihrem ersten Parteitag nach der Bundestagswahl.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Alexander Gauland. Er ist seit diesem Wochenende nicht nur an der Fraktionsspitze der AfD, sondern auch Parteichef. Guten Morgen, Herr Gauland.
    Alexander Gauland: Guten Morgen, Frau Zerback.
    Die Seele der Partei angesprochen
    Zerback: Sie haben jetzt vor dem Parteitag gesagt, danach werde man sehen, wie die AfD tickt. Wie tickt sie denn nun, Ihre Partei?
    Gauland: Sie tickt gar nicht anders als vorher. Wir haben ein Programm, wir sind eine geschlossene Partei, aber es gibt unterschiedliche Strömungen. Aber das Entscheidende, was Ihr Korrespondent ja ganz richtig gesagt hat, waren gar nicht die Strömungen, sondern die Partei kommt immer etwas aus dem Gleichgewicht, wenn jemand sozusagen die Seele der Partei anspricht. Doris zu Sayn Wittgenstein hat das mit einer Rede getan, die so gut war, dass viele plötzlich jemanden, der völlig unbekannt war, wählen würden. Das ist bei uns so, das ist die typische Graswurzelbewegung.
    Zerback: Aber, Herr Gauland, heißt das, die Seele der AfD ist radikal?
    Gauland: Nein, das heißt gar nicht, dass die Seele der Partei radikal ist.
    "Ich bin dankbar und zufrieden"
    Zerback: So klingt zumindest ja die Rede.
    Gauland: Nein! Wenn eine Rede so wirklich gut ist, fragen die Menschen nicht, welches Lager ist die, wo kommt die her, sondern sie sagen, die ist gut, die gehört dahin. Das finde ich auch sehr schön in dieser Partei. Dass dann manchmal austarierte Absprachen sozusagen in Rauch aufgehen, ja das ist so in einer demokratischen Graswurzelpartei. Von daher: Wir haben uns am Ende gut zusammengefunden. Ihr Korrespondent hat völlig richtig gesagt, dass viele Gemäßigte gerade aus Brandenburg auch gewählt worden sind. Insofern bin ich dankbar und zufrieden am Ende.
    Zerback: Aber was man sich ja schon fragen kann ist, was es für ein Signal ist, wenn eine Rede von einer Abgeordneten, die ja ganz offen auch unter anderem mit der Identitären Bewegung sympathisiert, so viel Applaus bekommt und fast gewählt worden wäre, sich gegen einen gemäßigteren Georg Pazderski durchgesetzt hat. Rückt da die Partei nicht deutlich nach rechts?
    Gauland: Die Partei rückt gar nicht nach rechts, sondern wenn jemand plötzlich rhetorisch die Seele der Partei anspricht und die Menschen das Gefühl haben, der oder diejenige – hier war es eine die – sollten da oben dabei sein, dann werden sie so abstimmen. Das hat mit Rechtsrücken gar nichts zu tun, denn sie hat nichts Abweichendes vom Programm vorgetragen. – Ja, sie hat ein bisschen über die jungen Leute von der Identitären Bewegung etwas gesagt, aber das war völlig harmlos.
    Die Identitäre Bewegung als "harmlose" Truppe
    Zerback: Das sei nur eine harmlose Truppe. Das Wort "harmlos" benutzen Sie, das hat auch Sie benutzt. Das sei nur eine harmlose Truppe, die Volkstänze übe. – Das ist immerhin eine Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
    Gauland: Ja, da haben die Leute gelacht und das Ganze nicht ernst genommen, und insofern war das völlig harmlos. Wie die Partei tickt, konnten Sie an einer anderen Stelle aber ganz deutlich sehen. Da ist einer aufgestanden, den ich vorher gar nicht kannte, der plötzlich sagt, dass er in der NPD war und, wie wir inzwischen wissen, Spitzenkandidat der NPD in Hamburg war. Der hat am Ende bekommen 0,9 Prozent, ich glaube vier Stimmen. Daran können Sie sehen, wie der Parteitag tickt. Sie wollen sozusagen eine Unterwanderung von solchen Leuten überhaupt nicht.
    Zerback: Jetzt hat die ehemalige Vorsitzende Frauke Petry der "Bild"-Zeitung gestern ein Interview gegeben und ihre These ist, dass seit diesem Parteitag ganz klar geworden ist, dass die AfD jetzt faktisch in Björn Höckes Hand ist, also in den Händen eines ganz Rechtsaußen in Ihrer Partei. Sein Parteiausschlussverfahren, das wurde jetzt auch wieder verschoben. Hat Björn Höcke da nichts mehr zu befürchten?
    Gauland: Das ist Unsinn und Frauke Petrys Urteil ist leider – Sie war mal eine intelligente Frau – völlig vom Hass verzerrt. Ich habe dieses "Bild"-Zeitungsinterview gelesen und mir gesagt, ich kann gar nicht verstehen, wie man so dumm sein kann und den Versuch machen kann, auf diese Weise die Vergangenheit zu bewältigen.
    "Ich bin keines Menschen Marionette"
    Zerback: Das ist natürlich ein scharfer Angriff Richtung Beleidigung. Aber was Frauke Petry auch gesagt hat, das ist wiederum auch nicht ohne. Sie stellt die These in den Raum, Sie seien Björn Höckes Marionette. Was sagen Sie denn dazu?
    Gauland: Merken Sie nicht, wie hassverzerrt das ist? Ich bin keines Menschen Marionette. Ich bin eine eigenständige unabhängige Persönlichkeit und ich bin weder in der Hand des einen Flügels, noch des anderen.
    Alexander Gauland (l.),AfD-Parteivorsitzender, und Björn Höcke, thüringischer Landesvorsitzender der Partei vor einem Plakat der AfD.
    Alexander Gauland (l.) und Björn Höcke, thüringischer Landesvorsitzender der Partei. (dpa/picture alliance/Rainer Jensen)
    Zerback: Kommen wir noch mal zu Björn Höcke aus Causa in Ihrer Partei zurück. Das hat sich schon zu einer Art Gretchenfrage entwickelt, wie Ihre Abgeordneten zu Björn Höcke stehen. Es ist doch mittlerweile ganz klar, dass er in seinem Sprachgebrauch zum Beispiel an Adolf Hitler erinnert. Das hat eine Anwaltskanzlei speziell für Ihre Partei dokumentiert. Was muss man denn in der AfD tun, um ausgeschlossen zu werden?
    Gauland: Seien Sie mir nicht böse: Das ist einfach Unsinn, was diese Kanzlei - - Ich kenne das, habe das gelesen. Das ist völliger Unsinn. – Ja, Björn Höcke hat eine Rede gehalten, von der er selbst am Ende gesagt hat, ja, ich habe ein wichtiges Thema vergeigt und ich entschuldige mich dafür. Ich war immer gegen den Ausschluss von Björn Höcke. Wenn jemand einen Fehler einräumt und sagt, ja, das war falsch, dann finde ich das in der Politik gut, machen nicht sehr viele, und dann sollte man auch sagen und hätte man sagen können im Bundesvorstand, ja, wir finden das nicht gut und wir rügen ihn, mahnen ihn ab, was auch immer, aber nicht dieses langwierige Ausschlussverfahren. Dass das noch in keiner Weise vorangegangen ist und dass das terminlich noch immer hängt, liegt zum Teil auch an den Rechtsanwälten, die Termine nicht wahrgenommen haben.
    "Kann bei Höcke keine völkische Tendenz sehen"
    Zerback: Aber was Sie da jetzt als einmaligen Fehler beschreiben, das hat natürlich eher System, so die Vermutung, denn es bleibt ja nicht bei einer gezielten Provokation, sondern da haben wir vom lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp gehört, wir haben vom Denkmal der Schande gehört. Das sind ja alles Beispiele, die wir da in den letzten Jahren von Ihnen gehört haben. Sie selber haben in der vergangenen Woche wiederum gesagt, von völkischen und nationalistischen Tendenzen, sich davon zu distanzieren, da wüssten Sie gar nicht, was damit gemeint ist. Das klingt erst mal überraschend. Herr Gauland, jetzt eine Woche nach diesem Interview, wissen Sie das inzwischen?
    Gauland: Nein, das weiß ich nicht, was das in unserer Partei sein soll. Wenn Björn Höcke zum Beispiel sagt, das ist ein Denkmal unserer Schande in der Mitte der Hauptstadt, dann kann ich nicht sehen, dass das eine völkische Tendenz ist, sondern da hat er völlig richtig beschrieben, was dieses Holocaust-Mahnmal ist. Er hat ja nicht gesagt, dass die Erinnerung an den Holocaust eine Schande ist. Das ist dann von dpa leider rumgedreht worden. Nein, er hat gesagt, es ist ein Denkmal unserer Schande, und er hat eine Frage gestellt, die der inzwischen verstorbene Augstein im "Spiegel" zur Zeit, als das geplant und gebaut wurde, genauso gestellt hat. Die Frage kann man doch stellen. Das hat doch nichts mit völkisch oder nationalistisch zu tun.
    Zerback: Das ist wie gesagt, Herr Gauland, ein Beispiel von vielen. Wir könnten da auch auf Ihre eigenen Äußerungen schauen, nicht nur in Richtung Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz, die Sie in Anatolien entsorgen wollten. Das sind ja einige gezielte Provokationen, die man jetzt so oder so bewerten kann. Darauf will ich nicht hinaus. Was am Wochenende aber doch ganz klar geworden ist: die Strategie. Frauke Petry ist nicht mehr in der AfD und jetzt kehrt Frieden in der Partei ein, der Plan ist ja wohl nicht aufgegangen. Hat es also doch gar nicht an ihr gelegen?
    Frauke Petry im Gespräch mit Alexander Gauland
    Frauke Petry im Gespräch mit Alexander Gauland (imago stock&people)
    Gauland: Das kann man nun überhaupt nicht sagen, denn wenn Sie den Vorstand angucken, ist tatsächlich eine verhältnismäßig große Einigkeit eingekehrt und sind tatsächlich Menschen aus unterschiedlichen Lagern gemeinsam gewählt worden.
    Zerback: Nicht an die Spitze.
    Gauland: Wie bitte?
    Zerback: Nicht an die Spitze.
    Gauland: Natürlich an die Spitze.
    Zerback: Im erweiterten Vorstand.
    Gauland: Herr Meuthen und ich sind beide keine Mitglieder des Flügels. Wir sind beide, glaube ich, sehr bürgerlich, sehr gemäßigt und sind überhaupt keine Radikalen.
    "Wir wollen Gerechtigkeit auch gegenüber Björn Höcke"
    Zerback: Unterstützen aber die radikale Spitze des Flügels, namentlich Björn Höcke.
    Gauland: Wir wollen Gerechtigkeit auch gegenüber Björn Höcke und wir haben beide im letzten Bundesvorstand gesagt, liebe Freunde, dieses Ausschlussverfahren ist keine gute Idee, zumal ich glaube, dass es nicht durchgeht. Schauen Sie sich das mal bei anderen demokratischen Parteien an. Wolfgang Clement, Edathy, Sarrazin, Ausschlussverfahren sind nie gut und die SPD lebt immer noch mit Herrn Sarrazin, der ein Programm und eine Politik vertritt, die kontrovers zur SPD stehen. Das ist nicht gut, in einer demokratischen Partei Menschen auszuschließen, und nur das haben Jörg Meuthen und ich gesagt.
    Zerback: Was jetzt eine Konsequenz auf jeden Fall dieses Kurses sein kann, dadurch, dass Georg Pazderski es jetzt nicht an die Spitze geschafft hat, ist auch, dass sich das auf Ihre Politik im Bundestag auswirken könnte. Die Frage ist, ob Sie da jetzt in der Fundamentalopposition bleiben wollen, oder, wie Pazderski es ja angeregt hat, Regierungsverantwortung absehbar übernehmen. Wie ist da Ihr Kurs?
    Gauland: Wenn Sie unsere Bundestagsfraktion anschauen, dann sehen Sie: Dieser Gegensatz, der auch nur von Frauke Petry stammt, den gibt es gar nicht.
    Regierungsverantwortung auf Augenhöhe mit anderen
    Zerback: Sie wollen Regierungsverantwortung übernehmen?
    Gauland: Wir wollen die Regierungsverantwortung übernehmen in einer Zukunft, in der wir auf Augenhöhe mit den anderen sind, und wir wollen nicht als kleiner Partner in irgendeiner Weise eingebunden werden. Das haben wir immer gesagt, das bleibt dabei, das ist die Rolle der Fraktion.
    Zerback: Ist natürlich Zukunftsmusik, das ist klar. Da sind Sie jetzt prozentual noch nicht. Aber das ist tatsächlich die Linie. Das widerspricht aber dem, was wir in der Vergangenheit von Ihnen gehört haben, Protestpartei bleiben zu wollen.
    Gauland: Nein, das widerspricht gar nicht. Wir haben immer gesagt, Jörg Meuthen, ich, Georg Pazderski, ursprünglich auch mal Frauke Petry, wir haben immer gesagt, auf Augenhöhe muss man dann auch Verantwortung übernehmen. Aber wir kennen die alte Bundesrepublik und wissen, dass Kleinparteien, die sich früh an die CDU angelehnt haben, in große Schwierigkeiten geraten sind. Und noch sind wir zu klein für eine Verantwortungsübernahme. Wir müssen sehr viel größer werden. Da sind wir uns übrigens alle einig.
    Zerback: Herr Gauland, danke für das Interview. – Alexander Gauland war das von der AfD. Ihnen noch einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.