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Nach dem Attentat von Islamabad: Experte hofft auf Umdenken in der pakistanischen Gesellschaft

Der Pakistan-Experte Christian Wagner vermutet hinter dem Bombenanschlag in Islamabad das Werk von Islamisten. Die Handschrift des Anschlages deute daraufhin. Die Täter kämen vermutlich aus dem Umfeld der pakistanischen Taliban und der El-Kaida-Gruppen. Gleichwohl sei in Pakistan eine große Mehrheit der Bevölkerung gegen den islamistischen Terror eingestellt, so Wagner.

Christian Wagner im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Am Telefon bin ich nun verbunden mit Christian Wagner, Experte für asiatische Außen- und Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, speziell Experte für Pakistan. Guten Tag, Herr Wagner.

    Christian Wagner: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Herr Wagner, gibt es eigentlich irgendeinen Zweifel an der Urheberschaft des verheerenden Anschlages? Waren das die Islamisten oder nicht?

    Wagner: Es waren vermutlich die Islamisten. Die Handschrift des Anschlages, die Vorbereitung deutet ganz klar in diese Richtung. Sie kommen vermutlich aus dem Umfeld der pakistanischen Taliban und der El-Kaida-Gruppen, die bereits in den vergangenen Monaten eine Reihe von ähnlichen Anschlägen in Pakistan verübt haben.

    Breker: Herr Wagner, ist das für Pakistan so etwas wie der 11. September für die USA? Stehen die Menschen jetzt gegen den Terrorismus auf?

    Wagner: Es ist sicherlich ein großer Schock für das Land, zumal es einen solchen Anschlag in der Hauptstadt Islamabad noch nie gegeben hat. Ich denke, hier wird nun hoffentlich ein Umdenken in der pakistanischen Gesellschaft beginnen. Bislang gab es ja immer eine starke innenpolitische Diskussion darüber, ob dieser Krieg, den man gegen den Terror führt, auch der im eigenen Interesse ist, oder ob man nicht nur einen Stellvertreterkrieg der USA führt. Ich denke, nun wäre es an der Zeit, dass in der pakistanischen Gesellschaft es einen breiten Konsens gibt, dass eben der Anti-Terror-Kampf auch der Krieg Pakistans ist.

    Breker: Gibt es denn dafür, Herr Wagner, Anzeichen?

    Wagner: Es gibt insofern Anzeichen, als wir bei den letzten Wahlen im Februar gesehen haben, dass die islamistischen Parteien eigentlich nur noch zwei bis drei Prozent der Stimmen erhalten haben. Wir haben eine breite politische Mehrheit somit gegen diesen islamistischen Terror. Es bleibt jetzt natürlich an der Regierung, diesen Kampf zu intensivieren - nicht nur auf militärischem Gebiet, sondern vor allem auch mit den wirtschaftlichen und politischen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen.

    Breker: Herr Wagner, die pakistanischen Geheimdienste haben in der Vergangenheit die Taliban immer wieder unterstützt. Manche sagen, sie hätten sie groß gezogen. Werden jetzt die Pakistanis selber die Geister, die sie riefen, nicht mehr los? Ist das ein Anzeichen dafür, für so eine Entwicklung?

    Wagner: Wir haben sicherlich durch die Entwicklung der letzten Monate und Jahre genau dieses Phänomen, dass der Geist des Islamismus, den man mit der Förderung der Taliban in den 90er Jahren aus der Flasche ließ, nun nicht mehr eingefangen werden kann. Das macht eben auch die Bekämpfung so schwierig, weil wir immer noch Angehörige der Armee oder der Geheimdienste haben, die mit diesen Gruppen sympathisieren und diese natürlich auch in ihrem Kampf zum Teil unterstützen. Allerdings haben wir sowohl von der Regierung als auch von der Armeeführung mittlerweile doch deutliche Signale, dass man den Kampf nun entschlossen fortführen will. Man darf allerdings nicht vergessen, dass die Stammesregion ja noch nie staatlich kontrolliert war. Das heißt, hier muss nun eine territoriale Eroberung einsetzen, an der bereits die Briten und zuvor auch die Sowjetunion auf afghanischer Seite gescheitert sind. Das zeigt, wie schwierig hier Lösungsansätze zu finden sind.

    Breker: Sie haben die Grenzregion, die Stammesgebiete dort angesprochen. Herr Wagner, wie ernsthaft hat denn bislang die pakistanische Armee überhaupt versucht, in diesem Grenzgebiet Einfluss und Kontrolle zu bekommen?

    Wagner: Wir haben seit 2004 militärische Operationen in dem Gebiet, aber es erweist sich als relativ schwierig, weil die Stämme auch untereinander sehr zerstritten sind und die pakistanische Armee mit einigen der Stämme zusammenarbeiten kann. Andererseits sehen wir, dass die islamistischen Gruppen in den letzten Monaten doch deutlich Oberhand gewonnen haben. Das heißt, es gelingt mit den traditionellen militärischen Mitteln offensichtlich nicht, diese Region zu befrieden. Bislang haben auch die politischen Abkommen seitens der pakistanischen Armee wenig genützt. Die wirtschaftliche Entwicklung dieser völlig unterentwickelten Region ist zwar angedacht und wird auch begonnen. Allerdings ist das natürlich eine sehr langfristige Strategie, die kurzfristig keine Erfolge bringen wird.

    Breker: Aber sind denn wirklich ernsthafte Bemühungen erkennbar? Heute gab es Meldungen, dass ein US-Hubschrauber im Grenzgebiet von der pakistanischen Armee beschossen wurde. Koordiniert läuft doch da der Kampf gegen die Taliban, gegen die Islamisten gar nicht ab.

    Wagner: Das Problem ist, dass wir hier eventuell auch zwei unterschiedliche Kriege führen, dass die USA mit ihren Spezialeinheiten ein ganz klares Ziel verfolgen, nämlich alle El-Kaida- und Taliban-Gruppen zu bekämpfen. Hier gibt es auf der pakistanischen Seite immer wieder Vorbehalte. Zum Teil gibt es immer noch Überlegungen, dass man bestimmte Taliban-Gruppen, die sich nur auf Afghanistan hin orientieren, weiterhin unterstützen möchte, so dass man natürlich deren Bekämpfung ablehnt. Das macht die ganze Konfliktsituation in der Region natürlich vergleichsweise komplex. Zudem muss die Armee natürlich auch gegen diese Verletzung der territorialen Integrität protestieren, weil sie eventuell, wenn sie im Land selber als eine Einheit gesehen wird, die mit den USA zusammen kämpft, auf heftigen Widerspruch stoßen würde.

    Breker: Und die Beziehungen zwischen Pakistan und Afghanistan, die scheinen ja auch nicht die besten zu sein. Eine weitere Meldung von heute lautet, dass ein afghanischer Diplomat in Peschawar angegriffen wurde. Also auch hier gibt es Schwierigkeiten, die einen effektiven Kampf gegen die Islamisten verhindern.

    Wagner: Auch hier zeigt sich natürlich die ganze Dramatik der Situation. Pakistan und Afghanistan versuchen zwar, auf offizieller Ebene zusammenzuarbeiten, aber gerade in der Grenzregion, gerade in den Stammesgebieten herrscht natürlich kein Recht und Ordnung mehr. Das heißt, hier sind auch in der Vergangenheit zum Teil pakistanische Diplomaten entführt worden. Das zeigt natürlich nur die Notwendigkeit, dass beide Staaten eigentlich noch stärker zusammenarbeiten müssten, was eben aus den genannten Gründen vergleichsweise schwierig bleibt, solange beide Staaten unterschiedliche Gruppen unterstützen.

    Breker: Pakistans neuer Präsident Zardari, der Ehemann von Benazir Bhutto, die einem Attentat zum Opfer fiel, ist das der richtige Mann im Kampf des Westens gegen den internationalen Terrorismus? Er hat es erklärt, aber er ist ja auch mit Korruptionsvorwürfen behaftet.

    Wagner: Präsident Zardari ist natürlich im Land selber eine sehr umstrittene Person. Er wäre sicherlich in einer direkten Wahl des Präsidenten nicht so eindeutig gewählt worden, wie wir das bei der Wahl durch das Wahlkollegium gesehen haben. Er gilt nicht als Person, die das Land eventuell einen wird. Das wäre natürlich in der Person des Präsidenten dringend notwendig. Andererseits verfolgt er natürlich den Kurs, den seine ermordete Frau auch begonnen hat, nämlich eine Zusammenarbeit mit dem Militär. Seine Regierung wird den Streitkräften eine breite militärische Legitimation verschaffen und sie wird natürlich auch weiter mit den USA kooperieren. Die Amerikaner unterstützen ja das pakistanische Militär sehr umfangreich. Schätzungen sagen, dass bis zu einer Milliarde Dollar im Jahr an das pakistanische Militär fließen. Also in dieser Hinsicht hat man eigentlich auch auf pakistanischer Seite keine Alternative als die Zusammenarbeit mit den USA.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik Christian Wagner. Herr Wagner, danke für dieses Gespräch.